BMW Sauber F1 Team 2006. Technik: Motor.
Der BMW P86.Revolution statt Evolution: In der Formel-1-Weltmeisterschaft 2006 gehen nicht
nur neue Motoren an den Start, sondern eine neue Motorengeneration. Die neue
treibende Kraft sind V8-Motoren mit 2,4 Litern Hubraum. Sie lösen die 3,0-Liter-V10-Triebwerke ab. Das Reglement hat es so gewollt. Heinz Paschen, in München als Technischer Direktor für den gesamten
Antriebsstrang des neuen Formel-1-Fahrzeugs verantwortlich, sagt:
„Die neuen V8-Motoren sind kürzer und haben durch 600 ccm weniger Hubraum
entsprechend weniger Leistung und einen geringeren
Verbrauch. Aber sie sind weder leichter noch billiger oder unkomplizierter.“
Vollständig neues Konzept. Auch wenn der V8 mit dem jetzt verbindlich vorgeschriebenen Zylinderwinkel von
90 Grad optisch wie ein abgeschnittener V10 wirkt, ist er technisch
ein eigenständiges Konzept mit spezifischen Anforderungen. Die andere Zündfolge
des V8 erfordert eine grundlegend andere Kurbelwelle.
Foto:
der neue BMW P86 F1-Motor auf dem Prüfstand Im BMW V10-Formel-1-Motor wurde eine um 72 Grad gekröpfte Kurbelwelle verwendet.
Für V8-Motoren kommen sowohl Kurbelwellen mit vier versetzten Kröpfungen von 90
Grad zum Einsatz als auch solche mit vier versetzten Kröpfungen von 180 Grad.
Während sich für Serienmotoren wegen des besseren dynamischen Verhaltens die
90-Grad-Variante anbietet, verwendet man in Rennmotoren zugunsten einer besseren
Leistungsausbeute die
180-Grad-Kurbelwelle und nimmt Nachteile im dynamischen Verhalten in Kauf. Generell lässt sich im Vergleich mit den bisherigen V10-Motoren abschätzen: Eine
Reduzierung der Leistung um rund 20 Prozent sowie um 20 Prozent kleinere Kühler
– beides verhält sich proportional zum reduzierten Hubraum.
Beschneidungen um mehr als zwei Zylinder. Neben diesen im V8-Prinzip begründeten Konzeptunterschieden verlangen zahlreiche
Detailvorschriften des Reglements ein Umdenken der Ingenieure. Stichwort
Leichtbau: Der neue V8 muss schwerer sein als sein Vorgänger, der immerhin zwei
Zylinder mehr hatte. 95 Kilogramm muss das Triebwerk
jetzt auf die Waage bringen – inklusive Ansaugtrakt einschließlich Luftfilter,
Kraftstoffleitungen und Einspritzsystem, Zündspule, Sensoren und Kabelbaum,
Lichtmaschine, Kühlmittel- und Ölpumpen. Aber ohne Befüllung, Auspuffkrümmer,
Hitzeschilder, Öltanks, Batterien, Wärmetauscher und Hydraulikpumpe. Die Schwerpunktlage des Triebwerks ist neuerdings ebenfalls vorgeschrieben: In
der Höhe mindestens 165 Millimeter, gemessen wird von der Unterkante der
Ölwanne. Zugunsten des Fahrverhaltens war es beim Zehnzylinder gelungen, den
Schwerpunkt tiefer anzusiedeln. Auf der Längs- und Querachse des V8 muss der
Schwerpunkt bis auf eine Abweichung von +/– 50 Millimeter in der geometrischen
Mitte des Motors liegen. Für die technischen Kommissare ist diese Überprüfung
nicht mehr mit einfachem Wiegen zu erledigen, jetzt muss die
Reglementkonformität durch Wiegen über zwei Ebenen und Berechnung nach dem
Hebelgesetz ermittelt werden. Waren die Maße für die Zylinderbohrung früher gut gehütete Geheimnisse, sind sie
jetzt auf maximal 98 Millimeter limitiert. Auch der Zylinderabstand ist mit
106,5 Millimetern (+/– 0,2 mm) fixiert. Die zentrale Achse der Kurbelwelle darf
nicht weniger als 58 Millimeter über der Referenzlinie liegen. Schluss mit beweglichen Einlasssystemen.
Eine weitere einschneidende Veränderung ist das Verbot der variablen
Ansaugsysteme. Mit diesen so genannten ‚Trumpets‘ konnte bisher der
Drehmomentverlauf optimiert werden. Durch die jetzt fixen Kanallängen
wird eine gute Fahrbarkeit der Motoren schwieriger darstellbar. „Hier ist jetzt
bedeutend mehr Aufmerksamkeit gefordert“, betont Heinz Paschen,
„man muss einen Kompromiss finden zwischen maximaler Leistung und guter
Fahrbarkeit.“ Wo allerdings der beste Kompromiss für die Rohrlängen liegt, ist
von individuellen Faktoren abhängig. Beispielsweise spielen
die Streckenführung und das Wetter eine Rolle. Man wird sich für Kurse mit
langen Geraden wie Monza, Indianapolis oder auch Spa zugunsten
der Höchstleistung andere Saugrohrlängen wünschen als etwa für winklige
Grand-Prix-Strecken wie Budapest und Monaco. Dort ist mit schierer
Power nichts zu gewinnen, dort zählt aber die Fahrbarkeit mehr. Gleiches gilt
bei Regen. Neben den variablen Ansaugsystemen sind auch
variable Abgassysteme sowie variable Ventilsteuerungen verboten. Die Spannungsversorgung der Motorelektrik und -elektronik ist auf maximal 17
Volt festgelegt worden, die Kraftstoffpumpe muss neuerdings mechanisch betrieben
werden. Zur Betätigung des Drosselklappensystems darf nur ein Aktuator verwendet
werden. Mit Ausnahme der elektrischen Hilfspumpen im Benzintank müssen alle
Nebenaggregate mechanisch und direkt über den Motor angetrieben werden. „Vernünftigerweise“, spricht Paschen ein anderes Reglementkapitel an, „wurde
eine lange Liste exotischer Materialien ausgeschlossen. Jetzt arbeitet praktisch
jeder mit konventionellen und im Reglement fest geschriebenen Titan- und
Aluminiumlegierungen.“ Die technischen Daten der Motoren der verschiedenen Hersteller nähern sich damit
an. Die Herausforderung für die Ingenieure wird indes keineswegs geringer.
Paschen: „Es kommt darauf an, wer unter diesen Umständen das beste Ergebnis in
Sachen Thermodynamik und mechanischer Dynamik erreicht.“ Die mechanische Dynamik bzw. Vibrationen sind ein besonders kritisches Thema bei
der neuen Formel-1-Motorengeneration. Die gegenüber dem V10 anderen Zündfolgen
und andere Zündabstände führen zu einem völlig veränderten Schwingungsverhalten.
Der V10 fuhr auf seinem Drehzahlband zwischen bei 12 000 U/min und 14 000 U/min
in einem kritischen Schwingungsbereich. Damit ließ sich leben, denn mit weiter
steigender Drehzahl beruhigte sich die Situation wieder. Im problematischen
Bereich hielt man sich nicht lange auf. Die längste Verweildauer liegt
naturgemäß in
den Spitzendrehzahlen. Und eben da wird es beim V8 problematisch: Seine
Vibrationskurve erreicht den kritischen Bereich später als der V10, er
beginnt ab ca. 16 000 U/min. Dann allerdings mit weiter steigender Tendenz. Es reicht also nicht mehr, ein schwieriges Intermezzo zu überwinden, vielmehr
gilt es, immer weiter steigenden Vibrationen Herr zu werden. „Wenn man diese
Schwingungen nicht in den Griff bekommt“, weiß Paschen, „hat das Auswirkungen
auf die Lebensdauer des Motors und auch auf die Beanspruchung von
Chassis-Komponenten. Um diese Problematik zu beherrschen, muss die Berechnung
und Analyse jedes einzelnen Motorbauteils absolut zuverlässig sein. Dabei sind
die Betrachtung der einzelnen Bauteile nur Steinchen im Mosaik. Ihr Miteinander
und Gegeneinander in der Simulation des Gesamtsystems zu ermitteln,
ist die größte Aufgabe.“ Bezüglich der Kostenseite des Generationswechsels sagt Paschen: „Mit dem
V10-Konzept hatten alle Hersteller viel Erfahrung, das wirkt sich grundsätzlich
positiv bei den Entwicklungskosten aus. Der Aufwand für eine komplette
Neuentwicklung ist immens. Zumindest in der ersten Phase der V8-Motoren stehen
die zwei Zylinder weniger in keinem Verhältnis zu den zusätzlichen
Entwicklungskosten.“ Entwicklung von November 2004 bis März 2006. Mit der Konzeption des BMW P86 V8-Motors wurde Ende November 2004 begonnen.
„Ideal ist ein Entwicklungszeitraum von 18 Monaten“, sagt Paschen. Weil aber
erst relativ spät klar war, dass der V8 tatsächlich 2006 eingesetzt wird,
mussten 15 Monate bis zum ersten Rennen reichen.“
Foto:
der neue BMW P86 F1-Motor auf dem Prüfstand Im Vorjahr hatte es ebenfalls eine kurzfristige und einschneidende Reglementänderung gegeben. Im Juli 2004 war bekannt gegeben worden, dass die
Motoren 2005 zwei GP-Wochenenden durchhalten müssen.
So kam 2005 nicht der geplante BMW P85 zum Einsatz, sondern der P84/5. Die
Typenbezeichnung P86 bringt nun wieder Ordnung in die Namensgebung.
Im Mai 2005 knallten im Münchner Anton-Ditt-Bogen, in der BMW
Formel-1-Motorenfabrik, die Sektkorken: Die erste Spezifikation des P86 hatte
ihren ersten Prüfstandslauf absolviert. Am 13. Juli 2005 war eine weitere
Spezifikation erstmals im Fahreinsatz. Antonio Pizzonia pilotierte damals ein
für die Aufnahme des Motors modifiziertes Williams-Chassis in Jerez. Eine wiederum weiterentwickelte Version steckte im Sauber-Interimschassis, mit
dem am 28. November 2005 die Wintertestfahrten in Barcelona begannen.
Beim ersten Roll-out im neuen Fahrzeug am 17. Januar 2006 war der
BMW P86 erneut nicht mehr derselbe. Paschen: „Die Entwicklung ist ein
kontinuierlicher Prozess, der auch während der Saison niemals ruht. Bis die
letzte Spezifikation zu den finalen Überseerennen einer Saison verladen wird,
arbeiten wir an der weiteren Optimierung. Dann natürlich längst parallel zum
Motor für die darauf folgende Saison.“ Auf Herz und Nieren geprüft. Ehe eine neue Spezifikation die Rennreife erhält, muss sie einen Dauerlauf
auf den dynamischen Prüfständen absolvieren. Im Herbst 2005 hat BMW bei diesen
Prüfanlagen, die sich mit ihrer gesamten Versorgung jeweils über mehrere Etagen
erstrecken und ganze Hallen füllen, die jüngste Generation in Betrieb genommen.
Geblieben ist die ultimative Anforderung für die Renntauglichkeit: 1500
Kilometer mit dem programmierten Streckenprofil von Monza. Kein GP-Kurs weist
einen höheren Volllastanteil auf. Motoren,
die für den Transport zum Austragungsort bestimmt sind, absolvieren auf den
Prüfständen einen schonenderen Funktionscheck. Danach findet
noch eine Qualitätskontrolle inklusive Ölprobenuntersuchung auf etwaige
Metallrückstände im Spektrometer statt. Dann ist Dienstantritt. Standfest auf die Dauer und im Sprint. Die neuen V8-Motoren müssen von Anfang an dieselbe Standfestigkeit aufweisen wie
ihre erprobten Vorgänger 2005 – zwei komplette Rennwochenenden. Gegenüber 2002
stellt das eine Vervierfachung der Laufleistung auf mittlerweile bis zu 1500
Kilometer dar. Das Credo von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen lautet: „Die viel zitierte
Grenze des technisch Machbaren gibt es nicht. Sie wird mit
jeder Innovation weiter hinaus geschoben.“ Es lässt sich am Beispiel der
Höchstdrehzahlen der BMW F1-Motoren eindrucksvoll ablesen. Der P82,
der BMW Motor der Saison 2002, hatte in seiner letzten Ausbaustufe den
Spitzenwert von 19 050 Umdrehungen pro Minute erreicht. 2003 addierte
sich die Laufleistung in Qualifying und Rennen auf rund 400 Kilometer
mit einem seither komplexeren Belastungsprofil. In etwa so, als würde man einen
Marathonläufer kurz vor dem Start noch auf einen Sprint schicken.
Diesen Vorgaben zum Trotz realisierte BMW 2003 Steigerungen in Drehzahl und
Leistung. Der BMW P83 schaffte beim Saisonfinale in Japan beeindruckende 19 200
U/min und setzte klar über 900 PS frei. Dabei war er
ein Muster an Zuverlässigkeit. Der einzige Motorschaden der Saison
war beim Großen Preis von Österreich zu beklagen und hatte seine
Ursache in einem Leck im Wasserkühler. 2004 folgte die Ein-Wochenend-Regel und damit die Verdoppelung der Laufleistung.
Bei nun 36 Rennstarts gab es einen Motordefekt, der auf ein fehlerhaftes Bauteil
zurückgeführt werden konnte. Bereits beim Europaauftakt in Imola war BMW in der
Lage, die Höchstdrehzahl von wiederum gut
19.000 U/min über die gesamte Renndistanz freizugeben. „Und das“, betont Theissen, „auch im siebten Gang – also in der höchsten Schaltstufe,
in der die Verweildauer am längsten ist.“ 2005 wurde durch die erneute Verdoppelung der Laufleistung ein allgemeiner
Rückgang der Drehzahlen erwartet. Doch der BMW P84/5 drehte in
seiner letzten Ausbaustufe wieder über 19.000 U/min und erreichte eine
Höchstleistung von 940 PS. Diesmal waren zwei Motorschäden bei
38 Starts zu beklagen. Beide Male wurde das Temperaturlimit für die Kühlmittel
überschritten, was jeweils mit Überhitzung und Ausfall endete. Von Freitag bis Sonntag und an zwei aufeinander folgenden GP-Wochenenden stehen
für einen Formel-1-Motor unterschiedliche Disziplinen auf dem Programm. In den
freien Trainings, die zur Abstimmungsarbeit und Reifenauswahl genutzt werden,
bemühen sich die Teams um Schonung der Motoren. Einerseits durch gedrosselte
Drehzahlen, andererseits durch eine Limitierung der Runden. Das Qualifying
dagegen verbietet jedes Schonprogramm: Im Shoot-out geht es von Anfang an um
Alles. „Im Rennen wiederum“, sagt Paschen, „kann man variieren. Liegt ein Fahrer
an aussichtsreicher Position, muss er das Potenzial des Motors zu jedem
Zeitpunkt voll ausschöpfen können. Steckt er aber beispielsweise hoffnungslos in
einem Pulk fest oder hat gegen Rennende eine ungefährdete Position, kann man die
Drehzahl auch am Sonntag sicherheitshalber etwas zurücknehmen.“ Vom Motor zum gesamten Antriebsstrang. In der neuen Konstellation des BMW Sauber F1 Teams erweitert sich der
Aufgabenbereich der BMW Ingenieure in München: Ab dem Fahrzeug für die Saison
2007 zeichnen sie für den gesamten Antriebsstrang verantwortlich. Das Getriebe
für die Saison 2006 wurde in Hinwil entwickelt. BMW hatte bereits während der Kooperation mit WilliamsF1 eine
Formel-1-Getriebeabteilung aufgebaut. Das Aluminium-Getriebegehäuse entstand
im Sandgussverfahren in Landshut, weitere Getriebeteile kamen aus der BMW
F1-Fertigung. Getriebezahnräder wurden im BMW Werk Dingolfing hergestellt,
parallel zur dortigen Serienfertigung. Durch diese Vorbereitung und die
Unterstützung des BMW Forschungs- und Innovationszentrums sowie mit dem neuen
Prüffeld im Anton-Ditt-Bogen sind die Münchner für die neue Aufgabe gewappnet.
Die Anforderungen an ein Formel-1-Renngetriebe sind enorm: Maximale Steifigkeit
bei geringem Gewicht und niedriger Schwerpunktlage,
kompakte Bauweise und minimale Schaltzeiten standen im Lastenheft für
das neue Siebengang-Getriebe.
Synergien zwischen F1- und Serienentwicklung. „Das Formel-1-Projekt ist für BMW ein gewaltiges Technologielabor“,
sagt Mario Theissen: „Die sowohl hinsichtlich des Motors als auch des Getriebes
neuen Aufgaben aus dem Formel-1-Projekt werden
als Entwicklungsbeschleuniger für das gesamte Unternehmen wirken.
Synergieeffekte zwischen F1- und Serienentwicklung herzustellen,
war für BMW die Grundvoraussetzung für den Wiedereinstieg zum Jahr 2000. Wir
haben die Wege für den Technologietransfer gezielt immer weiter verkürzt.“ So stand von Anfang an fest: Die BMW Triebwerke für die Königsklasse werden in
München entwickelt und gefertigt. Dabei spielt das BMW Forschungs- und
Innovationszentrum (FIZ) eine Schlüsselrolle. Die F1-Fabrik wurde in weniger als
einem Kilometer Entfernung von dieser Denkwerkstatt errichtet und mit ihr
verwoben. „Das FIZ repräsentiert die Zukunft von BMW“, erklärt Theissen, „dort
arbeiten die fähigsten Ingenieure in modernsten Forschungs- und
Entwicklungseinrichtungen. Das FIZ verfügt über enorme Ressourcen, von denen wir
unmittelbar profitieren. Umgekehrt stellt das
F1-Engagement durch die extremen technischen Anforderungen und das geforderte
Entwicklungstempo ein einzigartiges Versuchsfeld für unsere Techniker dar.“ BMW hat die Vision einer lückenlosen Prozesskette im eigenen
Haus realisiert – von der Konzeption über die Konstruktion, den Guss, die
Teilefertigung, Aufbau und Versuchsphase bis hin zum Renneinsatz.
Dadurch entfallen Transportwege und damit verbundene Qualitätsrisiken,
und das im Unternehmen erworbene Know-how kann auf direktem Weg
in die Serienentwicklung einfließen. Aus einer Hand und aus einem Guss. Die Gussqualität von Motorblock, Zylinderkopf und Getriebe entscheidet
maßgeblich über Leistungsfähigkeit und Standfestigkeit der Aggregate.
Fortschrittliche Gusstechnologien mit höchst genauer Prozessführung ermöglichen
leichte Bauteile von hoher Steifigkeit. Um dies für Serienfahrzeuge zu
gewährleisten, unterhält BMW eine Gießerei in Landshut. Bereits 2001 wurde ihr eine eigene F1-Gießerei angegliedert. „Beide
Abteilungen“, führt Theissen aus, „arbeiten unter einer gemeinsamen Führung. Das
garantiert den permanenten Austausch.“ Mit dem
gleichen Sandgussverfahren, mit dem der Formel-1-V8 entsteht, werden Ölwannen
für die M-Modelle, die Sauganlage für den Achtzylinder-Dieselmotor sowie die
Prototypen künftiger Motorgenerationen gegossen. Fast zeitgleich mit der Inbetriebnahme der F1-Gießerei wurde nach demselben
Modell eine F1-Teilefertigung an jene für Serienkomponenten angeschlossen. Dort
fertigt das F1-Team unter anderem die Nockenwellen und die Kurbelwellen für die
Formel 1. Elektronik im Rennen und auf der Straße. Die Anforderungen an das Motormanagement eines hoch drehenden
Formel-1-Triebwerks, das aber auch bei niedrigen Drehzahlen problemlos fahrbar
sein muss, sind immens. In jeder Millisekunde müssen Zündzeitpunkt und
Treibstoffzufuhr perfekt aufeinander abgestimmt sein, um optimale Effizienz zu
erreichen – maximale Leistung bei minimalem Kraftstoffverbrauch. Verbrauchsoptimierung bringt sowohl bessere Rundenzeiten als auch mehr
Flexibilität in der Rennstrategie. Neben der Steuerung ist die Bordelektronik
auch verantwortlich für die Überwachung sämtlicher Funktionen.
Mit der Rückendeckung der Elektronik-Experten des FIZ wagte BMW
von Anfang an, auch die Formel-1-Motorsteuerung selbst zu entwickeln, anstatt
auf etablierte Rennsportspezialisten zurückzugreifen. Ingenieure,
die sich sonst mit der Bordelektronik für die M-Modelle befassen, schufen auch
das Motor-Management für die F1-Triebwerke. Ihr dabei erworbenes Wissen fließt
zurück in die Serie. Längst verfügen Spitzenmodelle von
BMW wie der 7er und die M-Serien über zwei neue Mikroprozessor-Typen,
die BMW erstmals in der Formel 1 eingesetzt und erprobt hat. Für den
Internetzugang und das Navigationssystem der BMW 7er Reihe wurde zudem
Speichertechnologie verwendet, die sich zuvor in der F1 bewährt hatte. „Auch bezüglich der Überwachung von Funktionen“, ergänzt Theissen, „lernen wir
für Straßenfahrzeuge. Rechtzeitige Warnungen und automatisierte elektronische
Eingriffe sind auch dort sicherheitsrelevant und schützen vor Schäden.“ Im BMW M3, M5 und M6 hat sich eine weitere Getriebeinnovation aus der Formel 1
bewährt: das „Sequenzielle M Getriebe – SMG mit DRIVELOGIC“. Das Antriebskonzept
SMG bietet F1-Getriebetechnologie für den Alltagsbetrieb. Dabei werden die
Gangwechsel elektrisch per Schaltwippe hinter dem Lenkrad ausgelöst. Wie in der
Formel 1 ersetzt ein elektrohydraulisches System den mechanischen Kupplungs- und
Schaltvorgang, und der SMG-Bediener darf beim Schalten ebenfalls auf dem Gas
bleiben. Materialforschung und Modellbau. Der Wunsch nach möglichst leichtem und gleichzeitig möglichst widerstandsfähigem
Material hat auch unter dem neuen Reglement in der Formel 1
seine Berechtigung. Die Materialforschung des FIZ liefert wichtige Impulse für
die BMW F1-Motoren- und Getriebeentwicklung. Häufig dient die Luft- und
Raumfahrttechnik als Ausgangsbasis. Einige viel versprechende Entwicklungen, die
aus Kostengründen für die Großserie heute noch nicht in Betracht kommen, haben
im Formel-1-Projekt bereits Verwendung gefunden. Diese Einsatzmöglichkeit neuer
Technologien hilft den Ingenieuren, sie zur Serienreife weiterzuentwickeln. Nur mit kurzen Reaktionszeiten sind im erbarmungslosen F1-Rhythmus Fortschritt
und Problembewältigung möglich. Die Zahl der konstruktiven Änderungen am
Formel-1-Motor in einer Saison ist so hoch wie jene
der gesamten Palette der Serienmotoren. Neue Konstruktion, neue Werkzeuge, neues
Teil – das ist der Ablauf. Um diesen abzukürzen, kann die
BMW F1-Mannschaft auf die FIZ-Abteilung Rapid Prototyping/Tooling Technology
zugreifen. Sobald die benötigten Teile auf einem CAD-System konstruiert wurden,
produzieren ebenfalls von Computern gesteuerte Maschinen mittels Laserstrahlen
oder dreidimensionaler Drucktechnik maßgetreue Modelle aus Harz,
Kunststoffpulver, Acrylat, Wachs oder Metall. Damit können kurzfristig
Einbausituationen und Wechselwirkungen simuliert werden, um gegebenenfalls vor
dem endgültigen Herstellungsprozess noch Modifikationen vornehmen zu können.
BMW P86 – technische Daten.
Bauart: |
8-Zylinder-V-Saugmotor |
Bankwinkel: |
90 Grad |
Hubraum: |
2.400 ccm |
Ventile: |
vier pro Zylinder |
Ventiltrieb: |
pneumatisch |
Motorblock: |
Aluminium |
Zylinderkopf: |
Aluminium |
Kurbelwelle: |
Stahl |
Ölsystem: |
Trockensumpfschmierung |
Motorsteuerung: |
BMW |
Gewicht: |
95 kg |
Vollgaskurse und Go-Kart-Strecken. Die Streckencharakteristiken der Grand-Prix-Kurse stellen individuelle
Anforderungen an die Formel-1-Motoren. Mal ist maximale Power
gefragt, mal ist durch eine gute Fahrbarkeit mehr gewonnen. Mal wird
Hitze zur zusätzlichen Belastungsprobe, mal wird Laub zur Gefahr.
Grand Prix |
Volllast-anteil Rennen |
Top- Speed Rennen |
Längste Vollgas-Passage |
besondere Motoren- belastung |
BHR |
61 % |
325,9 km/h |
1007 m |
Feinmaschige Luftfilter zum
Schutz vor Wüstensand |
MYS |
57 % |
315,7 km/h |
804 m |
Wegen Hitze größere bzw. zusätzliche
Kühllufteinlässe u. Austrittsöffnungen |
AUS |
58 % |
317,9 km/h |
689 m |
- |
SMR |
60 % |
312,4 km/h |
629 m |
- |
EUR |
55 % |
317,1 km/h |
726 m |
- |
ESP |
60 % |
327,3 km/h |
982 m |
- |
MCO |
41 % |
302,5 km/h |
502 m |
In der Loews-Haarnadel
fällt die Drehzahl im 1. Gang unter 5.000 U/min |
GBR |
55 % |
322,9 km/h |
876 m |
- |
CAN |
60 % |
334,5 km/h |
995 m |
Kühler werden leicht vom
Laub der umstehenden Bäume verstopft |
USA |
Na |
na |
1820 m |
Auf dem Oval-Abschnitt geben die Piloten über
20 Sekunden lang Vollgas |
FRA |
53 % |
313,8 km/h |
898 m |
- |
DEU |
61 % |
318,0 km/h |
1047 m |
- |
HUN |
48 % |
318,0 km/h |
693 m |
Keine langen Geraden,
häufig Hitzerennen, kaum Kühlluft |
TUR |
60 % |
329,3 km/h |
1190 m |
- |
ITA |
67 % |
369,4 km/h |
1268 m |
Die Motorenstrecke
schlechthin –höchster Volllastanteil im GP-Kalender |
BEL |
60 % |
330,8 km/h |
1821 m |
Steigungen und längste Volllastpassage, wenn
Eau Rouge voll gefahren wird |
CHN |
50 % |
337,8 km/h |
1341 m |
|
JPN |
58 % |
325,4 km/h |
1205 m |
In der 130R-Kurve wirken 6g
Quer-beschleunigung auf den Ölkreislauf |
BRA |
56 % |
322,4 km/h |
1203 m |
Höhenlage (800 m über NN)
kostet alle Motoren ca. 8% Leistung |
Alle Angaben beziehen sich auf in den Rennen 2005 von BMW erfasste Daten Quelle: BMW Presse-Information vom 17.01.2006 |