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BMW Sauber F1 Team 2006. Fahrer: Jacques Villeneufe.
Mit Speed, Charme und Sandale.
Er kam als Goldjunge in die Formel 1: In seinem allerersten Qualifying in der
Königsklasse stellte Jacques Villeneuve 1996 in Australien seinen
Williams-Renault auf die Poleposition. Im ersten Anlauf den ersten Startplatz zu
holen, das war vor ihm nur Mario Andretti und Carlos Reutemann gelungen. Als
Neuling kämpfte Villeneuve in jenem Jahr sofort um die Weltmeisterschaft und
wurde der härteste Konkurrent seines Teamkollegen Damon Hill. Nur eine
fehlerhaft montierte Ölleitung vermochte den jungen Kanadier davon abzuhalten,
damals in Melbourne seinen allerersten Formel-1-Grand-Prix als Sieger zu
beenden.
Foto:
Jacques Villenneuve, BMW Sauber F1 Team-Fahrer 2006
Im vierten Anlauf gelang der erste Sieg. Drei weitere folgten in der Saison
1996, außerdem zwei weitere Polepositions und sechs schnellste Rennrunden. Nur
ein Jahr später wurde Jacques Villeneuve Weltmeister.
Die Art und Weise, wie er Michael Schumacher 1997 im portugiesischen Estoril
in der letzten Kurven auf der Außenbahn überholte und das Manöver, das in „Dry
Sack“, der Kurve 6 in Jerez, zu der umstrittenen Kollision führte und Villeneuve
zum Meister machte, zählen zu den berühmtesten und am heißesten diskutierten
Aktionen der jüngeren Grand-Prix-Geschichte.
Vater und Sohn.
Jacques Villeneuve hat sich um Angepasstheit nie geschert. Schon zu seiner
Formel-3-Zeit gab er außerhalb des Cockpits nicht den smarten Athleten. Er trug
einen langen Pferdeschwanz, Nickelbrille, Sandalen und einen verschmitzten
Charme. Der Medienrummel in der Formel 1 brachte unvermeidlich die häufig
wiederkehrenden Fragen nach seinem berühmten Vater mit sich. Ob er denn in die
Fußstapfen der Lichtgestalt Gilles Villeneuve treten wolle, jenes
Ferrari-Piloten der späten 70er und frühen 80er Jahre, der im Mai 1982 im
Training zum Großen Preis von Belgien in Zolder tödlich verunglückt war. Doch
der junge Villeneuve diktierte nicht die begehrten glorifizierenden und
romantischen Sätze in die Notizbücher, die entsprechend enttäuscht weggepackt
wurden.
Stattdessen sagte er mit verblüffender Direktheit exakt das, was er dachte.
Diese kompromisslose Aufrichtigkeit hat ihm mehr als einmal Ärger eingebrockt.
Vor allem dann, wenn er bezüglich der Sporthoheit FIA kein Blatt vor den Mund
nahm. Vor dem Großen Preis von Kanada 1997 wurde er aus der Heimat zur FIA nach
Paris zitiert – kurz vor dem Rennen auf jener Strecke in Montréal, die den Namen
seines Vaters trägt und wo auch der junge Villeneuve eine große Anhängerschaft
hat. In Montréal im Staate Quebec wird überzeugt Französisch gesprochen. Dass
Villeneuve bei der Namensgebung seines Restaurants, ein In-Lokal in der
quirligen Innenstadt, ausgerechnet die englische Übersetzung „New Town“ wählte,
wirkte wie Rebellion.
Villeneuve kratzt so etwas nicht: „Ich habe immer meine Meinung gehabt und
gesagt. Ich bin einfach so erzogen worden, zu sagen, was ich fühle. Weshalb
sollte ich mich anders verhalten?”
Ehrlichkeit und Ehre sind ihm wichtig, zwei Säulen seines Charakters.
Oft wird er als Außenseiter beschrieben. Aber wer einmal verstanden hat, was
ihm wichtig ist, erhält ein stimmiges Bild. Abgesehen von seiner freien
Meinungsäußerung pflegt er im Sport auch ethische Werte, auf die sein Vater wohl
stolz gewesen wäre. Für beide, Vater und Sohn, schien die Art und Weise, wie man
in einem Rennen kämpft, oft wichtiger als das Resultat.
Und wie sein Vater war auch für Jacques Villeneuve immer ein zentrales Thema,
wie man seine Position im Rennen verteidigt. Korrektheit und Fairness gehören zu
seinem Selbstverständnis als Rennfahrer. Man wird in seiner langen Karriere mit
elf Siegen und einem Weltmeistertitel schwerlich eine unsportliche Attacke gegen
einen Konkurrenten finden.
Ebenso klare Vorstellungen hat er davon, wie sein Auto abgestimmt zu sein
hat. Er arbeitet gern und eng mit den Ingenieuren zusammen. In seiner Zeit bei
Williams eckte er mit seinen Ideen an. Aber er war unbestreitbar schnell und
stark, wenn er seinen Willen durchgesetzt hatte.
Mut zum Wechsel.
Ende 1998 verließ Villeneuve Williams. Es zog ihn zu dem gerade auf dem alten
Fundament des Tyrrell-Teams gegründeten Team BAR. Seine Kritiker sagten, er habe
das nur des Geldes wegen getan. Für Villeneuve spielte die Loyalität zu seinem
langjährigen Freund und Manager Craig Pollock die größere Rolle. Er glaubte an
Pollocks Traum und war mutig genug, ihm zu folgen. Chancen zu ergreifen, etwas
Neues zu wagen und auszuprobieren, das liegt ihm.
Foto:
BMW Sauber F1 Team-Fahrer Nick Heidfeld und Jacques Villeneuve
Mit dieser Courage hatte er sich bereits in den US-Rennsport gestürzt und
1995 die 500 Meilen von Indianapolis sowie den Titel in der CART IndyCar-Serie
gewonnen. So fährt er Ski, und selbst die Vielfältigkeit der Musik, die er hört,
reflektiert die Offenheit für Unterschiedliches und Neues.
Villeneuves Zeit bei BAR war wenig befriedigend. Das junge Team hatte noch
viele Formel-1-Lektionen zu lernen. Es gab ein paar Podiumsplätze, aber mehr
Enttäuschungen für einen Rennfahrer, der bewiesen hatte, dass er das Zeug zum
Champion hat. Die größte Frustration kam zum Schluss. Ende 2003, noch vor dem
Finale in Japan, hatte Villeneuve das Team verlassen. Danach setzte endlich der
ersehnte Fortschritt ein.
Nachdem er fast die gesamte Saison 2004 Zuschauer gewesen war, fuhr er noch
die letzten drei Rennen als Teamkollege von Fernando Alonso bei Renault. Zuvor
hatte er einen Zweijahresvertrag bei Peter Sauber ab 2005 unterschrieben, der
ihn 2006 zu BMW führte.
Steiniges Comeback.
Auch ein ehemaliger Weltmeister steckt eine Auszeit nicht einfach so weg.
2005 wurde vor allem die erste Saisonhälfte schwierig. Die Weiterentwicklung des
C24 brauchte ihre Zeit, oftmals verschleierten auch unterschiedliche
Tankstrategien für Villeneuve und seinen jungen Teamkollegen Felipe Massa in
Qualifying und Rennen den direkten Vergleich. Aber Villeneuve war nicht daran
gelegen, persönliche Defizite zu verbergen. „Das Herz vergisst, wie man mit dem
hohen Speed umgeht“, erklärte er, als er nach seiner Fitness gefragt wurde.
„Wenn man wieder richtig schnell fährt, geht der Puls anfangs um 20 Schläge oder
mehr nach oben. Erst mit der Gewöhnung pendelt er sich wieder auf eine gute
Frequenz ein.“
Es folgten harte Kritik in den Medien und Gerüchte, er würde seinen Platz
verlieren, noch ehe die Saison vorbei sei. Villeneuve verkraftete beides
mühelos. „Das ist in Ordnung“, sagte er, „ich habe in diesen Dingen jahrelanges
Training. Man lernt, nicht zu lesen, was über einen geschrieben wird. Es ist
viel besser, es nicht zu tun. Wenn ich es nicht gesehen habe, kann ich mich auch
nicht darüber aufregen. Solange ich hart arbeite und es intern keine Probleme
gibt, interessiert mich nicht besonders, was in der Zeitung steht. Ich fahre
Rennen, weil ich den Rennsport und den Wettbewerb liebe. Ich mag nicht
hinterherfahren, also arbeite ich immer so hart wie ich kann, um weiter nach
vorn zu kommen.“
Foto:
Helm von Jacques Villeneuve
Wenn man ihn fragt, woher die Unterlegenheit 2005 kam, sagt er: „Ich denke,
wir sind einfach zu wenig gefahren. Die Testfahrten im Winter waren nicht sehr
aufschlussreich, weil wir zu wenige Kilometer zurückgelegt haben. Und der Test,
bei dem wir uns auf die Abstimmung konzentrieren wollten, versank im Schnee.
Hinzu kam die Regel, dass ein Motor zwei GP-Wochenenden halten musste und unser
Budget nicht zuließ, freitags ein drittes Auto einzusetzen. Man ist weder
Freitag noch Samstag viel gefahren. Es war bloß das Minimum an Runden, um Reifen
auswählen zu können. Für die Abstimmung blieb zu wenig Zeit.“
Für 2006 sieht Villeneuve bessere Perspektiven. BMW investiert in das Team.
Jacques Villeneuve ist überzeugt, dass er noch das Zeug dazu hat, um in dem
Sport, den er liebt, vorn zu sein. „Wenn ich das nicht fühlen würde“, sagt er,
„würde ich zuhause bleiben.“
Interview.
Fragen an Jacques Villeneuve:
Nein, das sehe ich anders. Ein Rebell zu sein, bedeutet sich einfach gegen
das Establishment aufzulehnen, um dagegen zu sein und nicht, weil man eigene
Ideen hat. Ich war manchmal nicht einverstanden mit dem Establishment, aber
deshalb, weil ich meine eigenen Ideen hatte. Das ist ein Unterschied zum Rebell,
der hat normalerweise keinen richtigen Grund.
Es geht darum, morgens aufzustehen und das zu tun, wozu man Lust hat. Es geht
um persönliche Zufriedenheit, und das muss ein Teil des Lebens sein. Das ist
sehr wichtig. Bei den Europarennen haben Sie stets Ihr eigenes Motorhome dabei.
Sie unterscheiden sich damit von fast allen Rennfahrern.
Mit dem Motorhome bin ich einfach näher an der Strecke und bei dem Team, mit
dem ich arbeite. Das ist das Entscheidende. An den Rennwochenenden verbringt man
sowieso nie Zeit mit den anderen Fahrern. Auch nicht, wenn man im Hotel schläft.
Man geht zur Strecke und arbeitet mit den Leuten, und dann geht man ins Zimmer
zum Schlafen. Ein soziales Leben außerhalb der Rennstrecke findet nicht statt.
Im Alter von zwölf bis 17 war ich in der Schweiz im Internat. Und ich bin
jedes Jahr wieder hingefahren, einmal im Sommer und einmal im Winter.
Schließlich bin ich ganz dorthin gezogen, wo ich zur Schule gegangen bin. Als
Kanadier habe ich den Schnee immer geliebt, den Winter und das Ländliche. Die
Schweiz mit ihren Bergen erinnert etwas an Kanada.
Ich bevorzuge ein neutrales Fahrverhalten, aber ich hasse untersteuern mehr
als übersteuern. Ein übersteuerndes Auto kann ich fahren, aber mit einem
untersteuernden klarzukommen, finde ich schwierig. Untersteuern ist eine
Einschränkung. Das schnellste Auto ist immer ein sich neutral verhaltendes. Es
gibt auch kein Auto, dass per se über- oder untersteuert. Das hängt mit dem
Fahrstil zusammen. Ein untersteuerndes Auto kann mit einem anderen Fahrer ein
übersteuerndes werden und umgekehrt.
Das waren zwei: die Indy 500 1995 und Jerez 1997.
Meine Overalls sind nicht zu groß. Die von allen anderen sind zu eng.
Lebenslauf.
Jacques Villeneuve.
Geburtstag/-ort |
9. April 1971/St-Jean-sur-Richelieu, Québec
(CAN) |
Nationalität: |
Kanadier |
Wohnort: |
Villars, Schweiz |
Website: |
www.jv-world.com |
Familienstand: |
ledig |
Größe: |
1,71 m |
Gewicht: |
67 kg |
Hobbys: |
Eishockey, Ski fahren, Golf, Musik, Lesen,
Schreiben |
Lieblingsessen: |
Fleisch |
Lieblingsgetränk: |
Frisch gepresster Orangensaft |
Lieblingsrennstrecke: |
Suzuka |
Erste Autofahrt: |
1976 auf dem Schoß des Vaters |
Erstes Rennen: |
September 1988, italienische
Tourenwagen-Meisterschaft |
Erster Sieg: |
1992 in Japan, japanische
Formel-3-Meisterschaft |
Karriere-Highlights.
1990 |
14. Platz Italienische Formel-3-Meisterschaft. |
1991 |
6. Platz Italienische Formel-3-Meisterschaft. |
1992 |
2. Platz Japanische Formel-3-Meisterschaft. |
1993 |
3. Platz Formel Atlantic. |
1994 |
6. Platz und „Rookie of the Year“
IndyCar-Meisterschaft,
2. Platz 500 Meilen von Indianapolis. |
1995 |
1. Platz IndyCar-Meisterschaft,
1. Platz 500 Meilen von Indianapolis. |
1996 |
2. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft
(Williams Renault), vier Siege. |
1997 |
1. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft
(Williams Renault), sieben Siege. |
1998 |
5. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft
(Williams Mecachrome). |
1999 |
Formel-1-Weltmeisterschaft (BAR Supertech),
keine Punkte. |
2000 |
7. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft (BAR Honda). |
2001 |
8. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft (BAR Honda). |
2002 |
12. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft (BAR
Honda). |
2003 |
16. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft (BAR
Honda). |
2004 |
Formel-1-Weltmeisterschaft (Renault),
keine Punkte. |
2005 |
14. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft
(Sauber Petronas). |
Formel 1 Statistik
erster Grand Prix |
GP Australien, Melbourne 1996 |
GP-Starts |
152 |
Polepositions |
13 GP Australien 1996 GP Belgien 1996
GP Japan 1996 GP Australien 1997 GP Brasilien 1997 GP Argentinien
1997 GP San Marino 1997 GP Spanien 1997 GP Großbritannien 1997
GP Belgien 1997 GP Österreich 1997 GP Japan 1997 GP Europa 1997 |
Siege |
11 GP Europa 1996 GP Großbritannien
1996 GP Ungarn 1996 GP Portugal 1996 GP Brasilien 1997 GP
Argentinien 1997 GP Spanien 1997 GP Großbritannien 1997 GP Ungarn
1997 GP Österreich 1997 GP Luxembourg 1997 |
WM-Punkte |
228 1996: 78 / 1997: 87 / 1998: 21 / 2000:
17 / 2001: 12 / 2002: 4 / 2003: 6 / 2005: 9 |
Quelle: BMW Presse-Information vom 17.01.2006 Nachtrag: Im
August 2006 trennte sich das BMW Sauber in beiderseitigem Einvernehmen von
Jacques Villeneuve als Team-Fahrer (mehr
Infos). Es folgte im Robert Kubica nach. |
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