Kategorie: Wirtschaft Werk Vorstand 13.05.2005
Eröffnung BMW Werk Leipzig: Rede von Dr. Panke
Pressekonferenz Leipzig, 13. Mai 2005
- Es gilt das gesprochene Wort -
Meine sehr verehrten Damen,
meine Herren,
ich darf Sie hier in unserem neuen Werk in Leipzig ganz herzlich begrüßen.
Es mag heute eher ungewöhnlich sein, dass ein deutsches Unternehmen ein neues
Automobilwerk errichtet. Erst recht mag es heute ungewöhnlich sein, dass ein
deutscher Hersteller dies hier am Standort Deutschland tut.
Ich möchte mich daher auf zwei Aspekte konzentrieren:
1. Warum baut die BMW Group ein neues Werk?
und
2. Warum baut die BMW Group ein neues Werk hier in Leipzig?
Direkt zur ersten Frage:
Die naheliegende Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit dieses neuen
Werkes lautet: Die BMW Group baut ein neues Werk, weil sie neue
Produktionskapazitäten benötigt, um die international steigende Nachfrage nach
Automobilen der Marke BMW zu bedienen.
Das klingt ganz kurz und plausibel, aber das neue Werk in Leipzig ist
Baustein einer langfristig ausgerichteten Unternehmensstrategie.
Die BMW Group hat eine Produkt- und Marktoffensive gestartet mit dem
Zwischenziel, den Absatz des Unternehmens bis zum Jahr 2008 deutlich auf 1,4
Millionen Automobile zu steigern. Dieses Ziel haben wir bereits im Jahr 2003
kommuniziert.
Dr.
Helmut Panke, BMW Group, Vorsitzender des Vorstandes der BMW AG bei der
Eröffnung des BMW Werks in Leipzig.
Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss die BMW Group rechtzeitig und
langfristig planen. Nur um Ihnen einen Eindruck davon zu geben, in welchen
Dimensionen wir dabei zu denken haben:
Kein Hersteller kann ein Automobil über Nacht entwickeln. Und er produziert
auch nicht Automobile dafür, dass sie nur für kurze Zeit auf dem Markt sind. In
der Regel dauert allein die Serienentwicklung eines neuen Fahrzeugs rund 30
Monate. Anschließend wird ein Automobil rund sieben Jahre auf den Märkten
verkauft. Und selbst danach ist es noch viele Jahre auf den Straßen anzutreffen.
Ähnlich sieht es bei Produktionsstrukturen und Prozessen aus: Unternehmen
müssen lange im Vorfeld planen, wo sie wie viele Automobile produzieren wollen.
Natürlich kann man dabei seine Strukturen sehr flexibel gestalten. Nur:
Unternehmen können ihre Produktionskapazitäten nicht von einem Tag auf den
anderen verdoppeln.
Denken Sie in diesem Zusammenhang allein daran, dass es knapp vier Jahre von
der Entscheidung bis zur Fertigstellung dauert, ein neues Werk wie dieses hier
in Leipzig aufzubauen und dass hohe Investitionen damit verbunden sind. Und
denken Sie vor allem daran, für welche Laufzeit ein solches Werk geplant wird.
Wir sprechen hier über Jahrzehnte.
Unser klares Bekenntnis lautet: Das neue BMW Werk hier in Leipzig spielt in
unserer langfristig angelegten Produkt- und Marktoffensive eine wichtige Rolle.
Wir treffen Entscheidungen von dieser Tragweite nicht aus kurzfristigen
Erwägungen heraus. Wenn wir uns wie in diesem Fall für Leipzig entscheiden, dann
tun wir das ganz bewusst und sehen das auch als Verpflichtung.
Schließlich hat die BMW Group ihre Wurzeln in Deutschland. Rund drei Viertel
unserer Mitarbeiter arbeiten hier, mehr als die Hälfte unseres Einkaufsvolumens
stammt aus Deutschland. Rechnet man die zentral eingekauften Umfänge für
Produktionsmaterial, Ausrüstungsgegenstände und Dienstleistungen zusammen, so
kauft die BMW Group in Deutschland jährlich alles in allem Waren und
Dienstleistungen für rund 15 Milliarden Euro ein. Dieses ist weitaus mehr als
der Umsatz, den wir in Deutschland erzielen.
Meine Damen und Herren,
damit zur zweiten Frage: Warum baut die BMW Group dieses Werk hier in
Leipzig?
Wir hatten insgesamt rund 250 sehr gute Angebote aus ganz Europa - unter
anderem auch aus anderen deutschen Bundesländern. Es war nicht leicht, am Ende
eine Entscheidung zu treffen.
Zu den wichtigsten Kriterien der Standortauswahl zählten:
- Die Wirtschaftlichkeit und die Flexibilität.
- Die ideale Beschaffenheit und Lage des zukünftigen Werksgeländes.
- Die Verfügbarkeit qualifizierten Fachpersonals.
- Die Nutzung vorhandener Strukturen hinsichtlich bestehender Werke, Zulieferer und Logistik.
- Die Infrastruktur für Verkehr, Versorgung und Entsorgung.
- Die Anbindung an unser Vertriebsnetz und unsere Kunden.
- Der Prozess der Umsetzung.
Leipzig hat nicht bei allen diesen sieben Kriterien - aber in Summe - am
besten abgeschnitten. Speziell die Nähe zu den bayerischen Automobilwerken der
BMW Group, welche die Region Leipzig/Halle bietet, ist hier ein starkes
Argument. Damit in engem Zusammenhang steht die hohe Dichte an erstklassigen
Zulieferern im süd- und mitteldeutschen Raum. Auch die große Zahl an
hochqualifizierten Arbeitskräften hat für einen Standort in Deutschland
gesprochen. Es gibt wenige Standorte weltweit, die uns diese Vorteile in dieser
Ausprägung bieten können.
Pointiert möchte ich sagen: Der Standort Deutschland hat nach wie vor die
Voraussetzungen für Erfolg im internationalen Wettbewerb.
Wir müssen daran arbeiten - hart daran arbeiten - dass dies so bleibt, dass
diese Position weiter gestärkt wird. Denn es ist unbestreitbar, dass wir im
internationalen Vergleich mit hohen Kosten zu kämpfen haben, und dass dieser
Standort teilweise überreguliert ist.
Darüber hinaus gewinnen wir manchmal den Eindruck, dass in der öffentlichen
Diskussion, leichtfertig sowie aus nicht-sachlichen und nicht nachvollziehbaren
Überlegungen heraus, wichtigen Industriezweigen wie der Automobilindustrie und
dem Standort Deutschland insgesamt aus kurzfristig-populistischen Überlegungen
Schaden zugefügt wird.
Es wäre aus meiner Sicht wesentlich sinnvoller, zu einer sachlichen
Auseinandersetzung zurückzukehren, als ideologische Debatten zu führen. Wir
müssen gemeinsam daran arbeiten, dass wir die internationale Wettbewerbsposition
der Automobilindustrie wie auch der deutschen Industrie insgesamt nicht nur
schützen und erhalten, sondern weiter stärken.
Dazu gehört aus unserer Sicht in Deutschland ein Höchstmaß an Flexibilität der
Arbeitsbedingungen, die gerade in unserer Industrie für den Erfolg entscheidend
ist. Ein sehr gutes Beispiel sehen wir hier in Leipzig: Mit ausschlaggebend für
die Entscheidung zugunsten dieses Standorts war es, dass die
Arbeitnehmervertreter und die Unternehmensleitung in konstruktiver
Zusammenarbeit die "BMW Formel für Arbeit" vereinbart haben.
Diese Formel erlaubt - je nach Produktionsvolumen und Kundennachfrage - eine
Betriebsnutzungszeit von 60 bis 140 Stunden pro Woche. Verschiedene aufeinander
abgestimmte Arbeitszeitmodelle entkoppeln die persönliche Arbeitszeit der
Mitarbeiter von den Maschinenlaufzeiten des Werkes. Damit können wir die Nutzung
der installierten Kapazitäten bei Bedarf um bis zu 40 Prozent erhöhen. Das
ermöglicht uns wiederum ein Höchstmaß an Flexibilität und trägt wesentlich dazu
bei, dass wir trotz der bestehenden Standortnachteile in Leipzig eine
wettbewerbsfähige Produktivität erreichen.
Die Tatsache, dass wir dieses Werk hier und heute in Leipzig eröffnen, ist auch
ein klares Signal dafür, dass am Standort Deutschland mit einer hohen
Flexibilität sehr viel bewegt werden kann.
Ja, die BMW Group hat für dieses Werk in Leipzig auch Fördermittel erhalten.
Dies zeigt, dass sich die Europäische Union darüber im Klaren ist, dass im Sinne
einer ausgewogenen Wirtschaftsstruktur in der EU auch am Standort Deutschland
vorhandene Nachteile ausgeglichen werden dürfen.
Selten sind solche Fördermittel besser angelegt: Wir haben hier in Leipzig nicht
nur ein Montagewerk errichtet, sondern ein vollständiges Werk mit allen
Kerntechnologien der Automobilproduktion. Wir haben in dieses Werk Leipzig als
Anfangsinvestition 1,3 Milliarden Euro investiert. Dies ist jedoch nicht alles:
Mit jedem Modellwechsel werden weitere Investitionen folgen, die über die
Laufzeit des Werkes summiert deutlich höher sein werden als diese
Anfangsinvestition.
Darüber hinaus haben wir parallel zum Bau des neuen Werkes unser bestehendes
Produktionsnetzwerk weiter ausgebaut und auf dem höchsten technischen Stand
gehalten. So haben wir seit 2001 - dem Jahr der Entscheidung für Leipzig - 4
Milliarden Euro in den Ausbau unserer bestehenden Werke in Deutschland
investiert. Wohlgemerkt: Unsere Investition in Leipzig ist hier noch nicht
enthalten. Und auch unsere Investitionen in unsere ausländischen Werke sind hier
noch nicht mit eingerechnet.
Meine Damen und Herren,
im Jahr 1973 eröffneten wir unser Werk in Dingolfing und viele dachten, damit
wäre das letzte Automobilwerk in Europa entstanden. 1986 kam das Werk Regensburg
hinzu mit einer ähnlichen Resonanz aus der Öffentlichkeit. Als wir dann 1994 ein
Werk in Spartanburg, in den USA eröffneten, fanden sich viele bestätigt, die
immer schon sagten, dass die Produktion in Europa schon am oberen Limit und ein
Wachstum nur noch im Ausland möglich sei.
Dabei muss man sagen: Seit der Inbetriebnahme unseres Werkes in Spartanburg
haben wir unseren US-Absatz mehr als verfünffacht. Die Steigerung der
Absatzzahlen in den USA betrifft dabei vor allem in Deutschland gebaute BMW
Modelle wie zum Beispiel 5er und 7er. Dies belegt: Unsere starke Position im
Ausland sichert und schafft über zusätzliche Nachfrage Arbeitsplätze zu Hause.
Doch für uns war auch mit Spartanburg die Entwicklung nicht abgeschlossen.
Hier am Standort Leipzig eröffnet die BMW Group heute ein weiteres komplettes
Produktionswerk und bekennt sich zu einer langfristigen Partnerschaft. Wir
schaffen hier auf dem Werksgelände - bei Vollauslastung - 5.500 neue
Arbeitsplätze und sorgen darüber hinaus auch im Umfeld für weitere
Beschäftigung.
Und wir widerlegen damit diejenigen, die immer wieder skeptisch auf unsere
Branche geblickt haben. Die Automobilindustrie hat unverändert Zukunft - bei
einem Höchstmaß an Flexibilität auch hier am Standort Deutschland.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle: BMW Pressemitteilung vom 13.05.05
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