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Robert Kubica. Der Selfmademan.
Robert Kubica ist erst 22 Jahre alt, blickt aber auf bereits 18 Jahre
Rennsporterfahrung zurück. Vier Lenze zählte er, als er im Schaufenster eines
Kaufhauses in seiner Heimatstadt Krakau ein kleines Offroad-Gefährt sah.
Robert Kubica, BMW Sauber F1-Fahrer
Er bettelte so lange, bis seine Mutter Anna nachgab. Hartnäckigkeit ist
typisch für Robert. Vater Artur markierte auf einem Parkplatz einen Parcours aus
Plastikflaschen, auf dem Klein-Robert seine Runden drehte. Das Gefährt hatte
vier PS, und weil nur eines der beiden Hinterräder angetrieben war, verhielt es
sich in Linkskurven anders als in Rechtskurven. Der Vater registrierte, wie
schnell sich der Kleine auf diese Eigenart einstellen konnte. Tagelang drehte er
seine Runden. Bald hielt das Vier-PS-Vehikel seinem Können nicht mehr stand.
Der Papa kaufte ihm einen kleinen Modell-Porsche mit Hinterradantrieb, der es
auf bis zu 80 km/h brachte. Nicht ganz ohne für einen Knirps, aber für diesen
Fünfjährigen ein Kinderspiel. Allerdings fuhr der Filius so quer, dass die
Lebensdauer der Hinterreifen zum finanziellen Problem wurde.
Vater Artur verkaufte den Porsche und erstand ein Kart. Doch für die
Teilnahme an offiziellen Kart-Rennen gilt in Polen ein Mindestalter von zehn
Jahren. Vater und Sohn fuhren ein bis zwei Mal pro Woche zur nächstgelegenen
Kart-Bahn. Nächstgelegen bedeutete eine Entfernung von 150 Kilometern. Mit zehn
Jahren wurde Robert für die polnische Kart-Meisterschaft zugelassen. Er holte in
drei Jahren sechs Titel in zwei Kategorien.
Alles oder nichts.
Die Kubicas standen am Scheideweg. In Polen hatte Robert alles gewonnen, aber
das brachte ihn nicht weiter. Der Vater entschied sich für ein hohes Risiko und
nahm einen Bankkredit auf, um seinem Sohn eine Karriere in der hart umkämpften
italienischen Meisterschaft zu ermöglichen.
Während die Konkurrenz in perfekt eingerichteten Trucks anreiste, zurrten die
Kubicas das Kart aufs Pkw-Dach. Der BMW war Vaters Stolz. Mit ein paar
Ersatzteilen im Kofferraum traten Vater und Sohn die rund 1.500 Kilometer lange
Reise zum ersten Rennen an. Die Erfolge waren durchschlagend, aber das Geld nach
wenigen Rennen aufgebraucht. Robert erhielt einen rettenden Vertrag beim
Kart-Hersteller CRG. Im Alter von 13 Jahren zog er nach Italien in ein Zimmer
bei seinem Arbeitgeber. Sein Leben drehte sich jetzt um Rundenzeiten, und er
lernte Italienisch. Noch im gleichen Jahr, 1998, gewann er als erster Ausländer
die italienische Kart-Meisterschaft.
Helm von Robert Kubica
Die EM schloss er als Zweiter ab. Obendrein gewann er den prestigeträchtigen
Monaco Kart Cup. Ein Jahr später wiederholte er seinen Sieg in der italienischen
Meisterschaft, fügte den Titel in Deutschland hinzu, gewann erneut den Monaco
Kart Cup, das Elf Master sowie die angesehene Margutti Trophy.
Nach einem weiteren Jahr im Kartsport nahm ihn Fahrermanager Daniele Morelli
unter Vertrag und ermöglichte ihm einen Test in einen Formel Renault 2000.
Morelli war es auch, der die Sponsoren für eine Saison in der italienischen
Formel Renault an Land holte. Im ersten Jahr gelang Kubica eine Poleposition,
und er fand Aufnahme ins Förderprogramm von Renault.
Mit Links zum Sieg.
2003 war es Zeit für den nächsten Schritt. Kubica testete im Winter einen
Formel 3, doch sein Aufstieg erhielt einen jähen Dämpfer: Kurz vor Saisonstart
wurde er als Beifahrer in einen Straßenunfall verwickelt und zog sich dabei
komplizierte Brüche am rechten Arm zu. Die Ärzte sagten ihm eine Rekonvaleszenz
von bis zu sechs Monaten voraus. „Das Schlimmste daran war, dass ich nicht
wusste, ob diese Verletzung negative Auswirkungen auf meine weitere Karriere
haben würde“, beschreibt der Pole seine Ängste.
Gut fünf Wochen nach dem Unfall saß Kubica wieder im Rennauto, beim Lauf zur
Formel 3 Euro Serie am Norisring. Seine rechte Hand wurde durch eine
Kunststoffmanschette geschützt und sein Arm von 18 Titanschrauben gehalten. Er
gewann das Rennen trotzdem. Was für ein Einstand!
Bei Wintertestfahrten beeindruckte Kubica das Team Epsilon Euskadi nachhaltig
und wurde für die World Series by Renault 2005 unter Vertrag genommen. Dort
gewann er vier Rennen und stand bereits drei Läufe vor Schluss als Champion
fest. Ein wichtiger Erfolg, denn die Belohnung für den Sieger war ein Test in
einem Renault Formel 1, der Anfang Dezember 2005 in Jerez stattfand. Kubica
konnte zwar nur rund drei Stunden fahren, hinterließ aber beeindruckende
Rundenzeiten. Drei Wochen später verpflichtete ihn BMW Motorsport Direktor Mario
Theissen, der Kubicas erfolgreichen Einsatz beim F3-Grand-Prix in Macau im
November persönlich verfolgt hatte, als Test- und Ersatzfahrer des BMW Sauber F1
Teams, ohne ihn getestet zu haben. Zweifelsohne ein gewisses Risiko, aber im
Januar bereits abgehakt. Kubica fuhr gute Rundenzeiten, zeigte Konstanz und ein
verblüffend gutes technisches Feedback. Der gerade 21-jährige Pole verrichtete
seine Arbeit mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er nie etwas anderes
gemacht.
Einfach raus und volle Pulle.
Bei seinem ersten Einsatz als Freitagsfahrer beim Saisonauftakt in Bahrain,
einer für ihn neuen Strecke, erschien sein Name nach wenigen Runden zuoberst auf
der Zeitenliste. „Ich schaue mir Onboard-Bilder an und gehe die Strecke zu Fuß
ab, um zu sehen, wo es Bodenwellen gibt. Das ist alles“, spielt er seine
Qualität herunter. Während er selbst seinen F1-Einstieg gelassen nahm, brach in
Polen die Kubica-Mania aus. Über Nacht wurde er zum Superstar und zum beliebten
Sujet für Titelbilder. Mit dem GP Ungarn verschärfte sich die Situation: Kubica
wurde zum Einsatzfahrer befördert.
Ein schwierigeres Rennen hätte man sich für ein Debüt kaum aussuchen können.
Trotz chaotischer Wetterbedingungen fuhr Kubica als Siebter ins Ziel. Ein
technisches Missgeschick war Schuld daran, dass ihm seine ersten WM-Punkte
verwehrt blieben. Die holte er zwei Grands Prix später in Monza – und zwar
gleich mit einem Podiumsplatz. Dass sich an diesem Tag, an dem Michael
Schumacher seinen Rücktritt verkündete, alles um den siebenmaligen Weltmeister
drehte, war Kubica nicht unangenehm: „Dann stehe ich weniger im Mittelpunkt.
Wichtig ist meine Leistung und nicht der Rummel um meine Person.“ Auch das ist
typisch für ihn.
Kubica ist ein Typ mit Bodenhaftung. Seine Jugendjahre in Italien und die
Rückschläge in seiner Karriere haben ihn geprägt. Er kann sehr gut unterscheiden
zwischen wichtig und unwichtig, und er hat nicht vergessen, wer ihn unterstützt
hat. Neben Rennen, Tests und Sponsorenterminen blieb ihm kaum Freizeit, aber
auch das störte ihn nicht: „Ich mache das, was mir am meisten Spaß macht. So
gesehen habe ich das ganze Jahr über Ferien.“
Interview.
Fragen an Robert Kubica:
- Wer hat Ihnen zum Anfang Ihrer Laufbahn am meisten geholfen?
Das waren natürlich meine Eltern. Ich bin sehr stolz auf sie und dankbar für
das, was sie für mich getan haben. Wenn man so jung ist, kann man noch nicht
enfach so selbst entscheiden, sondern ist auf Eltern angewiesen.
Mein Vater und meine Mutter haben immer akzeptiert und unterstützt, was ich tat.
Im Alter von acht bis zehn habe ich sehr viel trainiert. In Krakau gab
es keine Kartbahn, wir mussten immer 150 Kilometer fahren. Das hat meinen Vater
viel Zeit und Geld gekostet.
- Wie war das, als 13-Jähriger allein nach Italien umzusiedeln?
Ich hatte in Polen keine Gegner mehr, und die italienische war zu dieser Zeit
die härteste Kartmeisterschaft. Wir wollten sehen, ob ich gegen die besten
Fahrer Europas eine Chance habe. Zuvor haben das ein paar andere polnische
Fahrer versucht, aber es nie ins Finale der besten 20 geschafft. Also war
das unser Ziel. Aber dann habe ich die Poleposition geholt und bin beim ersten
Renneinsatz zwei Mal als Zweiter ins Ziel gekommen. Das war auch für meinen
Vater eine wichtige Bestätigung. Es lief gut, aber es gab auch sehr schlechte
Zeiten, weil meinem Vater das Geld ausging. Auch wenn man 1998 für polnische
Verhältnisse recht gut situiert war, war das im Ausland nichts. Heute noch ist
der Einkommensdurchschnitt in Deutschland oder Italien um das sechs- bis
siebenfache höher als in Polen. Als wir uns gerade noch ein Rennen zur
Europameisterschaft leisten konnten, bekam ich zum Glück den Vertrag bei CRG.
Anfangs habe ich bei der Familie des Besitzers gelebt,
ab 16 dann allein. Meine Eltern konnten sich keine häufigen Besuche leisten. In
so einer Situation muss man schnell viel über das Leben lernen. Man wird rasch
erwachsen.
- Was war Ihr schlechtestes Erlebnis?
Ganz sicher mein Autounfall, als ich als Beifahrer verletzt wurde. Mein Arm
war so kaputt, dass man von sechs Monaten Rehabilitation ausging. Später von
drei Monaten. Aber ich bin nach einem Monat und zehn Tagen mein allererstes
Formel-3-Rennen gefahren und habe es gewonnen. Ich wollte so schnell wie irgend
möglich wieder zurück ins Auto. Der Unfall ist in Polen passiert, und ich wurde
dann nach Italien gebracht. Den Ärzten dort bin ich sehr dankbar, sie haben mich
hervorragend betreut.
- Was war der beste Moment in Ihrer Laufbahn?
Das war wohl dieses Formel-3-Rennen auf dem Norisring. Ich konnte den einen Arm
nur zu 70 Prozent belasten, den anderen brauchte ich zum Schalten. Der Norisring
hat keine schnellen Kurven, das hat natürlich geholfen. Aber dieser Sieg in der
Euro Serie war wirklich toll für mich.
- Hatten Sie sich die Formel 1 zum Ziel gesetzt?
Die Formel 1 war ein Traum, aber kein Ziel für mich. Meine Ziele waren
realistischer. Um in diese Welt eintreten zu können, braucht man eine Portion
Glück. Zumal, wenn man kein Geld hat. Das Glück hatte ich, als mich
Mario Theissen anrief und mir im Dezember 2005 den Job als Testfahrer anbot.
- Sie sind 1,84 Meter groß – macht das Probleme im Auto?
Das Cockpit des F1.06 war für kleinere Fahrer ausgelegt. Das war nicht
ganz einfach für mich. Ich wäre gerne ein paar Zentimeter kleiner. Ehe ich den
Vertrag unterschreiben konnte, haben Mario Theissen und Peter Sauber verlangt,
dass ich ins Auto steige, um zu sehen, ob das klappt. Ich habe natürlich alles
getan, um das hinzukriegen und gesagt, dass ich da ganz prima reinpasse. So eine
Chance kann man unmöglich wegwerfen. Kurz vor Ende der Saison 2006 habe ich dann
ein neues Chassis mit einem etwas größeren Cockpit bekommen.
Im Kopf. Ich bin mental ziemlich stark. Ich habe gelernt, dass mindestens
50 Prozent des Erfolgs aus dem Kopf und aus mentaler Vorbereitung kommen.
Lebenslauf.
Robert Kubica (gesprochen: „Kubiza“).
Geburtstag/-ort: |
7. Dezember 1984/Krakau (POL) |
Nationalität: |
Pole |
Wohnort: |
Krakau |
Website: |
www.kubica.pl |
Familienstand: |
ledig |
Größe: |
1,84 m |
Gewicht: |
73 kg |
Hobbys: |
Bowling, Computerspiele, Indoor-Karting |
Lieblingsessen: |
Pasta |
Lieblingsgetränk: |
Orangensaft |
Lieblingsrennstrecke: |
Macau |
Erstes Rennen: |
Lauf zur polnischen Kartmeisterschaft in Poznan 1995 |
Erster Sieg: |
im ersten Rennen |
Karriere-Highlights.
1995–1997 |
sechs Mal polnischer Kartmeister (Junioren) |
1998 |
1. Platz italienische Kartmeisterschaft (Junioren),
2. Platz Kart-Europameisterschaft (Junioren),
1. Platz Monaco Kart-Pokal |
1999 |
1. Platz italienische Kartmeisterschaft (Junioren),
1. Platz Deutsche Kartmeisterschaft (Junioren),
1. Platz Monaco Kart-Pokal,
Gewinn Margutti-Pokal. |
2000 |
4. Platz Kart-Europameisterschaft (Formel A),
4. Platz Kart-Weltmeisterschaft (Formel A) |
2001 |
Erste Rennen italienische Formel Renault 2000. |
2002 |
2. Platz italienische Formel Renault 2000, vier Siege. |
2003 |
Erste Rennen Formel-3-Euroserie, ein Sieg;
1. Platz Formel-3-Masters in Sardinien. |
2004 |
7. Platz Formel-3-Euroserie;
2. Platz Formel-3-Grand-Prix Macau. |
2005 |
1. Platz World Series by Renault, vier Siege;
2. Platz Formel-3-Grand-Prix Macau. |
2006 |
16. Platz Formel-1-Weltmeisterschaft
(BMW Sauber F1 Team – 12 Einsätze als Testfahrer am Freitag, 6 Renneinsätze) |
Formel-1-Statistik vor 2007.
Erster Grand Prix |
GP Ungarn, Budapest, 2006 |
GP gestartet |
6 |
Davon Disqualifikationen |
1 (GP Ungarn 2006) |
Polepositions |
- |
Siege |
- |
Podiumsplatzierungen |
1
3. Platz GP Italien 2006 |
WM-Punkte |
6 |
Schnellste Runden |
- |
Quelle: BMW Presse-Information vom
16.01.2007
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