Kategorie: Fahrbericht M-Modell BMW-Modellreihe: E82 07.08.2012
Fahrbericht BMW 1er M Coupè - Ausgeprägte Erregung
von Mario-Roman Lambrecht
Sie kennen das. Jedes Jahr zur Winterzeit flimmern diese ganzen Liebesschnulzen über den Bildschirm. Da dürfen die Lieblingsschwiegersöhne alter und neuer Generationen den Ladys die Köpfe verdrehen. Mich hat es auch erwischt.
Meine Besessenheit entfachte ein bayrischer Automobilhersteller, als er diesen kleinen Racker auf die Gummis stellte. Die Rede ist hier vom BMW 1er M Coupé.
Es mussten leider ein paar Tage vergehen, bevor wir es terminlich endlich schaffen konnten, ein Rendezvous miteinander einzugehen. Kurz vor dem Winteranfang, also passend zur Amore-Zeit im TV, wurde er zwar seiner Sommersocken beraubt, doch das sollte uns nicht hindern, mehr als eine platonische Freundschaft miteinander einzugehen.
Die Optik des 1er M Coupé sorgt für ein eigenständiges Auftreten. Mit 5,5 cm mehr Breite plustert sich der kleine BMW mächtig auf. Jedes Element, das hier verändert wurde, soll auch Sinn ergeben. So sorgen in der Front drei große Lufteinlässe für eine optimale Kühlung. Sogenannte Air Curtains verhindern aerodynamisch ungünstige Verwirbelungen im Bereich der Radhäuser. Die serienmäßigen Bi-Xenonscheinwerfer, die im oberen Bereich mit zwei LED Akzentleuchten besetzt wurden, geben ihm den bösen Blick, der Schleicher zum Wechseln der Fahrbahn auffordern soll.
In der Seitensicht kommen die imposanten Radhäuser besonders gut zum Vorschein. Am vorderen Radhaus prangt das Kiemenelement mit M Signatur und bildet zudem den Ausgangspunkt einer Sickelinie, die bis ins Heck verläuft. Standardmäßig fährt das Coupé auf 19 Zoll M Leichtmetallrädern vor, die schon im Competition Paket des M3 ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben. Die schwarzen, im Windkanal optimierten Seitenspiegel lassen ein Flair von M3 aufblitzen.
Am Heck geben neben den L-förmigen LED Rückleuchten die vier etwas lieblos angebrachten Endrohre den Ton an. Für den nötigen Abtrieb sorgt eine dezente Spoilerlippe auf dem Kofferraumdeckel. Bei der Haut hat der Liebhaber die Wahl zwischen drei Farben: Alpinweiß, Saphirschwarz oder die exklusiv für das 1er M Coupé entwickelte Farbvariante Valencia Orange metallic. Im Innenraum geht es BMW typisch sauber und aufgeräumt zu. Die bequemen Sitze bieten einen sehr guten Seitenhalt. Sämtliche Navigations- und Multimediafunktionen lassen sich bequem über das mittig positionierte iDrive bedienen.
Dessen Befehle werden auf dem ausreichend großen TFT Display in der Mittelkonsole ausgeführt. Neben dem bequemen Lederbezug dominiert Alcantara das Cockpit und gibt dem Innenraum neben den M-typischen Modifizierungen eine eigene Note. Durch orange Ziernähte bekommt der Innenraum noch ein wenig Pepp mit auf den Weg. Auf den Hintersitzen lässt es sich für kurze Stadtrips durchaus aushalten, grundsätzlich sollte dieser Bereich aber eher als zusätzliche Ladezone gebraucht werden. Dafür muss aber der 370 Liter große Kofferraum auch erst mal gefüllt werden. Für einen längeren Trip wurde also vorgesorgt.
Auf der anderen Seite, nämlich unter der langen Motorhaube, produziert ein doppelt aufgeladener Reihensechszylinder mit drei Litern Hubraum satte 340 PS / 250 kW - genug Futter für die Hinterachse. Die 100er Marke wird nach 4,9 Sekunden markiert, Tempo 200 wird in 17,3 Sekunden absolviert. Erst bei Tempo 250 kommt die BMW Tempokastration zum Vorschein. Das ohnehin schon satte Drehmoment von 450 Nm lässt sich kurzfristig mittels Overboost Funktion unter Volllast auf 500 Nm anheben. Bei einem Leistungsgewicht von nur 4,4 kg pro PS übermittelt es dem Fahrer eher den Eindruck, man sitze in einem bärenstarken Diesel mit prächtigem Sound statt in einem Benziner.
Dabei geizt das Coupé auch als Benziner mit dem Sprit, denn dank Efficient Dynamics Maßnahmen wie Bremsenergie-Rückgewinnung und gesteuerter Nebenaggregate liegt der EU- Durchschnittsverbrauch bei 9,6 Litern und ringt den CO2 Wert auf 224 Gramm herunter. In der Realität kamen wir nach knapp 2.500 Kilometern auf elf Liter, was immer noch einen sehr guten Wert darstellt. Wer nun denkt, dass bei diesem Kraftwerk eine quasi unkontrollierbare Fahrmaschine auf die Straße geschickt wurde, der irrt. Trotz des relativ kurzen Radstands ist das sportliche Fahrwerk immer noch komfortabel genug für Langstrecken abgestimmt.
Die kurze, manuelle 6-Gang Schaltung lässt sich dabei butterweich bedienen. Sie wurde speziell für die Kooperation mit drehmomentstarken Motoren konzipiert und wartet mit einem im Vergleich zu herkömmlichen Getrieben deutlich geringeren Gewicht von rund 43 Kilo auf. Das Lenkrad gibt ein straffes Feedback der Straße wieder. Die Abstimmung des famosen, doppelt aufgeladenen Reihensechszylinders ist hervorragend und reagiert auf kleinste Gasstöße. In kaum einer Situation zeigt dieses Aggregat Schwächen, Kraftreserven waren immer ausreichend vorhanden. Einzig leichte Bodenwellen mit hohen Geschwindigkeiten lassen das Heck hier und da ein wenig unruhig wirken und erfordern erhöhte Aufmerksamkeit.
Sollte man dann nach einem kleinen Urlaubstrip mit vollgepacktem Kofferraum zufälligerweise an einem Point of Interest wie dem Nürburgring vorbeikommen, dann lässt es sich das 1er M Coupé nicht nehmen, ein paar Runden den Larry rauszuhängen. Denn hierfür wurde er ja quasi gemacht. Mit aktiviertem M-Modus wird die Kennlinie der Motorsteuerung aggressiver und direkter, um das letzte Quäntchen Power herauszuholen. Wer es sich zutraut, kann die Elektronik auch komplett deaktivieren.
ie Lenkung agiert dabei als präziser Taktstock, dessen Dirigent mit fein dosierten Gasstößen das Orchester animiert. Grazil und scheinbar unbeschwert wieselt das M Coupé in jede noch so kleine Windung. Vollgas auf der Geraden, der Druck zerrt den Fahrer in die Sitze. Kurz vorm Kurveneingang in die Eisen: Die Compund Hochleitungsbremsanlage lässt die Gurte mit der Schulter schmusen. Kurvenausgang: Vollgas! Die variable M Differenzialsperre sorgt für optimale Traktion und baut bei Bedarf ein bis zu 100-prozentiges Drehmoment auf.
Sie reagiert auf Drehzahlunterschiede zwischen rechtem und linkem Hinterrad und leitet das Antriebsmoment in Sekundenbruchteilen um. So soll auch auf rutschigen Fahrbahnen ein Plus an Bodenhaftung erreicht werden. In der Praxis hat sich dies mehr als einmal bestätigt.
Die herrlichen zwei Wochen voll ausgeprägter Erregung mit meinem motorisierten Objekt der Begierde sind leider vorbei. Doch wie schon bei den Liebesschnulzen bestehen wir auf eine Wiederholung zur nächsten Winterzeit. Dafür hat es mich zu doll erwischt.
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