Kategorie: Fahrbericht Cabrio BMW-Modellreihe: E89 23.04.2009
Auf der Überholspur - BMW Z4 sDrive35i, Fahrbericht
Es gibt viele verschieden Autogattungen. Wer jedoch den wahren Fahrspaß
erhaschen will, der greift zu einem Sportwagen, und wer das ganze auch noch
ehrlich erleben will, nimmt ihn gleich als Roadster mit nach Hause. Und hier
wartet BMW mit einer kleinen Überraschung auf. Denn der neue Z4 ersetzt nämlich
gleichermaßen den alten Roadster als auch das Coupé. Im spanischen Alicante
bekam ich die Gelegenheit mir einen ersten Eindruck vom rassigen Zweisitzer zu
machen.
Die Optik? Operation Gelungen! Verschämt versuche ich mir den Sabber am Kinn
wegzuwischen. Da hat BMW endlich wieder eine optische Sahneschnitte auf die
Straße gebracht. Die Bayern streckten die Außenhülle um 25 cm in der Länge und
10 cm in der Breite. Man hat sich sichtlich Mühe gegeben, die alten Tugenden
eines echten Roadsters zu realisieren.
Die Front gibt sich mit geteilter Niere und typischem BMW Gesicht
selbstbewusst. Die Seitenlinie und das Interieur versprühen einen Touch Z8. Die
Motorhaube scheint schier endlos lang und wird durch die raffinierte
Linienführung optisch nochmals gestreckt. Der Fahrer sitzt nahe der Hinterachse.
Der ansehnliche Prachthintern erinnert dank seiner LED-Rückleuchten an die 6er
Baureihe.
Und nun müssen Liebhaber der alten Z-Reihen einmal kurz durchatmen. Denn der
neue Z4 teilt sich nun mit dem aktuellen 3er BMW eine Gemeinsamkeit: das
Stahlklappdach. Endlich erfüllt das Klappdach den eigentlichen Hintergedanken
der Designer: nämlich zwei Autos in einer Karosserie zu vereinen. Geschlossen
kommt ein prachtvolles Coupé zum Vorschein, das sich nicht vor seinem Vorgänger
verstecken zu braucht. Somit hat der Z4 dem 3er etwas voraus, denn geschlossen
kommt er nicht an den Vorgänger E46 dran.
Per Funkfernbedienung oder Schalter im Cockpit verschwindet das Top innerhalb
von 20 Sekunden im Kofferraum und gibt einen rassig ausschauenden
Oben-Ohne-Sportler für Männer preis. Leider darf dies nur im Stehen passieren,
da die Bremsleuchte im fahrenden Zustand immer sichtbar zu sein hat. Und eben
diese wird beim Faltvorgang verdeckt sobald die Kofferraum-Klappe nach oben
schwenkt. So will es der Gesetzgeber, der olle Spaßverderber. In diesem Fall
geht der Punkt einwandfrei an das 1er Cabriolet, das sich auch während der Fahrt
öffnen und schließen lässt.
Wer ein unansehnliches Pummelheck im Stile des Peugeot 207 befürchtet darf
beruhigt sein. Das Heck fügt sich nahtlos in die kraftvolle Silhouette ein. Der
Mercedes SLK ist als Hauptkonkurrent zwar auch nicht hässlich geraten, wirkt
aber im direkten Vergleich auf einmal veraltet und kraftlos. Da müssen die
Schwaben noch mal kräftig die Pinsel schwingen, um an diese Federführung ran zu
reichen. Anderseits gab es auch durchaus schon Stimmen, die das Design des neuen
Z4 zu verspielt fanden. Letzten Endes entscheidet der Geschmack, und der würde
bei mir eindeutig zu Gunsten des Z4 ausfallen.
Und noch eine große Überraschung. Der Kofferraum des Z4 . In Zahlen
ausgedrückt: 310 Liter im geschlossenen, respektable 180 Liter im offenen
Zustand. Mit passendem Gepäck sollte einem Urlaubstrip zu zweit nichts im Wege
stehen. Dank der Durchlade lässt sich auch Golfgepäck im Kofferraum verstauen.
Und spätestens hier wird auch der letzte Roadster Fan verstanden haben, der Z4
ist jetzt erwachsen geworden.
Sound-Fetischisten dürfen sich beruhigt zurück lehnen. Der derzeit bei
Autoherstellern als „Downsizing“ bekannte Virus ließ die Ingenieure kalt und hat
den Z4 nicht befallen. Somit röhrt der neue Z4 zur Markteinführung mit dem BMW
typischen Reihensechszylinder in drei Varianten umher. Als Basis dient der
sDrive23i mit 150 kW/204 PS. Der sDrive30i entfaltet 190 kW/265 PS und mit dem
sDrive35i (225 kW/306 PS) liefert BMW die derzeitige Topmotorisierung. Und genau
diese Prachtmotorisierung galt es zu testen.
Der erste Ausflug ins Innere des Z4 verwöhnt mit exzellenter Haptik und
Verarbeitung. Die sehr bequemen Ledersitze lassen sich optional in jeder
erdenklichen Art und Weise auf den Fahrer abstimmen. Ein hin und her rutschen
bei der hastigen Kurvenhatz wird somit ausgeschlossen. Auch bei geschlossenem
Zustand gibt das Dach ausreichend Freiraum über dem Kopf her. Das I-Drive ist
seit seiner Überarbeitung wirklich gelungen und lässt sich quasi blind bedienen.
Nach dem das I-Phone in der Mittelkonsole mit dem Roadster verbunden wurde
bleibt nur noch der Druck auf den Startknopf.
Kaum erwacht der bassig-sonore Sechszylinder zum Leben geht’s auch schon weg
vom Strand in das Jagdgebiet des Z4, die kurvigen Berge. Und genau hier lässt er
selbst dem skeptischsten Fahrer nichts anderes übrig als Stunden später mit
einem Grinsmuskelkater auszusteigen. Trotz des Mehrgewichts von 185 Kilogramm
gibt sich der bayrische Sportler leichtfüßig wie eine Katze. Bei einem
Leistungsgewicht von 6,8 kg pro kW ist dies auch nicht weiter verwunderlich.
Gerade aus der Ortschaft raus knutscht das Gaspedal den Fußboden des
Roadsters. In nur 5,1 Sekunden spult der Hecktriebler die 100 ab. Gierig
schnellt die Temponadel immer höher und wird dann schlussendlich bei Tempo 250
mit einem Würgehalsband gestoppt.. Es gibt sicherlich wichtigeres im Leben, aber
irgendwie wurmt es den vortriebverwöhnten Fahrer dann doch wenn er zwar mit
einem SLK 350 gleichzieht aber vom Boxster S frech fröhlich rechts überholt
wird.
Die rallyeerprobten Landstraßen bei Alicante sind gerade zu ideal zum
Kurvenräubern. Und der Z4 dürfte sich nicht BMW nennen wenn er das nicht mit
Lässigkeit durchstehen würde. Und das macht er mit permanentem Druck. Ein
Drehmoment von knackigen 400 Nm wird im Bereich zwischen 1.300 und 5.000
Umdrehungen auf die Hinterachse gefeuert. Schwächeln ist nicht die Tugend des Z4
sDrive35i.
Das optionale M-Fahrwerk bietet jedem Fahrer eine individuelle Härte- und
Traktionsabstimmung. Der Normal Modus ist im Gegensatz zum Vorgänger ungewohnt
komfortabel und reisetauglich abgestimmt. Das ist durchaus positiv gemeint.
Ehe jetzt fies gezüngelt wird, der Z4 sei zum Weichei mutiert…es geht auch
anders. Im Modus „Sport“ geht es straffer, lauter und sportlicher zu, bei Sport+
ist es vorbei mit der Gemütlichkeit, auch dank der dynamischen
Traktionskontrolle. Alternativ wäre „D“ wie Drecksau ein passender Begriff
gewesen, denn hier gibt sich der Z4 freiheitsliebend und gewährt dem Fahrer den
einen oder anderen Power Slide.
Allerdings taugt dieser Modus mehr für den Trip auf der Rennstrecke oder gut
ausgebauten Landstraßen. Viel zu zappelig und unruhig bewegte sich der
Hecktriebler auf den welligen Gebirgskurven Spaniens. Persönliche
Favoriteneinstellung war der Sport-Modus mit abgeschalteter Traktionskontrolle.
In diesem Modus zuckt und zickt das Heck gerne mal im Rückspiegel und wirft
erst sehr spät den Sicherheitsanker. Der berühmte „Popometer“ keimt dank
Heckantrieb und der tiefen Sitzpositionierung zu Höchstleistungen auf. Jedes
noch so kleine Wedeln wird direkt an den Fahrer übermittelt. Man „fühlt“ den
Wagen in jeder Kurve.
Auch die Lenkung gibt präzise jede noch so kleine Fingerbewegung an die
Vorderräder weiter. Aber nicht nur diese Fingerbewegung darf freudig registriert
werden. Nachdem mich das optionale Direktkupplungsgetriebe von BMW als
Schalterfan bisher nur bedingt begeistern konnte, entpuppte sich eben dieses
Getriebe im Z4 als gescheite Alternativlösung zum Handschalter. Mit 9 Litern
Durchschnittsverbrauch liegt das DKG zudem knapp einen halben Liter unter der
handgeschalteten Version.
Im Z4 bekam das DKG gefühlt die bisher beste Abstimmung verpasst. Ob nun
gemütliches Cruisen am Strand, rasante Beschleunigungsfahrten im S-Modus oder
spaßbringende Kurvenräuberei in Verbindung mit den Schaltwippen, auf 700 km war
das DKG immer sofort präsent. Als kleinen Bonus gibt es dann hier und da beim
Zwischenschalten noch ein rotziges Zwischengasgebell. Eben dieses Gebell
entweicht dem 225 kW/306 PS starken Reihensechszylinder. Der ist eigentlich nur
mit einem Wort zu beschreiben: Sahne. High Precision Injektion,
Aluminium-Kurbelgehäuse und Twin-Turbo-Aufladung, das hört sich schon ohne
direkte Daten herrlich an. Drei Liter Hubraum geben die Basis.
Zwei Turbolader, die jeweils drei Zylinder mit komprimierter Luft versorgen
bringen die „Engine of the Year 2007“ förmlich zum Tanzen. Eine perfekte Kombi.
Dadurch kommt der sDrive35i auf eine Leistung von 75,5 kW pro Liter Hubraum. Das
Trägheitsmoment, auch Turboloch genannt, löst sich quasi in Luft auf. Zudem
erfüllt der Motor problemlos die Euro 5 Norm.
Die Luftverwirbelungen halten sich erstaunlicherweise selbst ohne Windschott
in Grenzen. Bis Tempo 120 ist kaum mehr als ein müdes Lüftchen zu spüren. Erst
danach kommt im Cockpit ein kleiner Wirbelsturm auf. Ist das Windschott
angebracht ist auch Tempo 200 kein Problem mehr.
Großes Lob bekommt das Navigationsdisplay. Selbst bei ungünstigen
Lichtverhältnissen wie direktem Sonneneinfall von hinten, bleibt das Display
immer exzellent ablesbar. Besonders stolz ist BMW auch auf seine neue Art der
Routenplanung.
Wer zu den disziplinierten Vorplanern gehört kann sich zum Beispiel mittels
Google Maps seine individuelle Route am PC erstellen. Diese wird dann per
USB-Stick in das Navigationssystem integriert und kann fortan als Reiseroute
genutzt werden. Genauso leicht können sich BMW Freunde gegenseitig mit ihren
Routen austauschen. BMW hat hier noch weiteres vor. In der Zukunft sollen BMW
Freunde in einer Community untereinander Routen austauschen können. Das Internet
ist nun endgültig mobil geworden.
Selbstbewusst soll sich auch der neue Z4 von den anderen Baureihen abgrenzen.
Von anderen Modellen abheben. Und so dachte sich BMW einen ganz besonderen Clou
aus. Entgegen der sonstigen Tradition von BMW, alle paar Jahre große Künstler
wie Frank Stella, Roy Lichtenstein oder Andy Warhol heranzuholen um einen
Sportwagen von BMW bepinseln zu lassen wurde umgedacht. Den neuen Z4 hält BMW
für so einen großen Wurf, dass sie diesen selbst zum Künstler werden ließen.
In einem riesigen Hangar durfte sich der kleine richtig austoben. Heraus kam
ein überdimensionales Gemälde in farbiger Reifenpracht. Darauf ist auch die
künftige Werbekampagne ausgelegt. Ein Automobil als künstlerisches
Zeichenwerkzeug, sowas verrücktes hätte man wohl eher den Franzosen zugeordnet.
Wer jetzt neugierig geworden ist kann die gesamte Aktion in folgender Meldung
nachlesen und per Video auch nachverfolgen:
Z4-Werbspot.
Fazit: Der Z4 ist erwachsen geworden. Die zickigen Allüren sind ihm
weitestgehend ausgetrieben worden, die neuen Proportionen stehen ihm
unwahrscheinlich gut. Das optionale M-Fahrwerk sollte bei jedermann absolute
Priorität in der Optionsliste genießen. Rangtechnisch ordnet sich der Z4 wie
schon zuvor zwischen SLK und Porsche Boxster ein, wobei die neue Version
deutlich alltagstauglicher geworden ist.
An die verspielte Perfektion eines Porsche Boxster S kommt er dennoch nicht
ran und das ist vielleicht auch sogar so gewollt. Außerdem sollte noch ein wenig
Luft für die M-Version übrig bleiben. Interessant wäre es gewesen einen
aktuellen Z4 ohne das optionale M-Fahrwerk testen zu können. Ob sich der Z4 im
deutschen Alltag bei Wind und Regenwetter genauso gut macht wird sich in einem
regionalen und längeren Test erst noch rausstellen müssen.
Zu guter letzt darf man noch den Designern des Z4 gratulieren für ihre
wunderbare Interpretation eines markant männlichen Roadsters in der Neuzeit. Und
genau dieser männliche Roadster hat noch ein Geheimnis: Er wurde von zwei Frauen
designt. Im wahrsten Sinne des Wortes also ein echter Lady Lover.
Note 1
Datenblatt BMW Z4 sDrive35i (DKG)
Hubraum: 2.979 cm³ | 225 kw (306 PS) bei 5.800 U/min | 400 Nm bei 1.300 – 5.000
U/min | Vmax: 250 km/H (abgeriegelt) | Beschleunigung 0- 100 km/h in 5,1 s | Co2
Emission g/km: 210 g | Durchschnittsverbrauch: 9,0 l/100 km | Preis: ab 47.450,
00 EUR inkl. MwSt.
Quelle:
Text: Mario-Roman Lambrecht,
Fotos: Mario-Roman Lambrecht
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