Kategorie: Fahrbericht BMW-Modellreihe: F01 26.06.2009
Fahrbericht: BMW xDrive im neuen 7er-BMW (Modell F01/F02)
Er traut es sich fast nicht auszusprechen. "Ich will ja nicht übertreiben, o.
ä." leitet er seine Antwort ein. "Wie gefällt er Ihnen, der neue 7er mit
xDrive?" war die Frage, auf die ein BMW-Entwicklungsingenieur am Abend nach
Testfahrten mit dem 750i xDrive eine Antwort haben wollte. Mit einem funkelnden
Blick antwortete der Journalist von "AutoBild Allrad": "sehr gut!"
Unter südlicher Sonne und bei leichten Mistralwinden hatten an diesem
lauschigen Juni-Abend am Rande der französischen Provence auch die anderen
anwesenden Journalisten nichts zu meckern. Bei einem leckeren Barbecue ließen
sie die xDrive-Testfahren des Tages Revue passieren - und die anwesenden
BMW-Ingenieure lauschten genau wie ich interessiert zu, als die
Motor-Journalisten ihr persönliches Fazit zogen. Sätze wie "das hätte ich nicht
erwartet" oder "das hat eine Menge Spaß gemacht" fielen öfter. Die vielen
positiven Meinungen steigerten meine Vorfreude, denn am folgenden Tag war ich an
der Reihe, den neuen 7er xDrive zu (er-) fahren.
der 750i xDrive lässt seinen Kollegen mit Standard-Heckantrieb regelrecht
im Regen stehen
Am nächsten Morgen (dem 17. Juni 2009) wurde ich von einem Studenten mit einem BMW xDrive-Auto
vom Hotel abgeholt. Der Student wusste nicht, dass der von ihm gelenkte X5 von
einem 3 Liter Dieselmotor angetrieben wird. Aber er wusste, dass er bei BMW einen
tollen Job hat. Das finde ich auch, denn in dieser schönen Gegend mit
attraktiven Autos durch die Gegend zu fahren macht sicher mehr Freude, als die
Arbeit an einem Fließband o. ä. (ich erinnerte mich an einen meiner
Studentenjobs zurück...).
Die Fahrt im X5 zum Testgelände in Miramas (bei Marseille,
Frankreich) war sehr angenehm, denn irgendwie
fährt man wie auf einem Thron, so hoch sitzt man und so leise ist man unterwegs.
War das wirklich ein Diesel? Jedenfalls war es ein mit xDrive ausgestatteter
BMW, wovon allerdings auf dem Weg zum Testgelände wenig zu spüren war. Kein
Wunder, denn die befahrenen Straßen waren griffig und trocken, und wir waren im
normalen Tempo unterwegs.
BMW Testgelände von Miramas
Nach ca. 30 Minuten erreichten wir das Testgelände von BMW in Miramas. Von
außen ist es von einer kilometerlangen, häßlichen Betonmauer umgeben, offenbar
um die auf Testfahrt befindlichen Prototypen vor neugierigen Blicken zu
schützen. An der Einfahrt fühlte man sich gleich wie zuhause. Auf deutsch hieß
es u. a.: "Bitte zeigen Sie
Ihren Werksdienstausweis unaufgefordert vor!" Noch vor der Einfahrt auf das
Gelände wurde die Linse meines Fotohandys zugeklebt - obwohl ich vorher
(leider!) schriftlich erklären musste, keine Fotos und Videos aufzunehmen.
Auf dem Gelände traf ich den Projektleiter der 7er-Reihe, Herrn Kistler
wieder. Es machte auch an diesem Tag Spaß, mit ihm über technische Details der
7er-Reihe zu plaudern. Auf meine Frage, weshalb die viel gelobte
Dynamische Performance Control aus dem BMW X6 nicht auch Einzug in den 7er
xDrive gehalten hat, antwortete er ausweichend: "Im 7er braucht man das im
Gegensatz zum X6 nicht unbedingt." Schade kann man dazu nur sagen! Immerhin wird
im 7er über eine "einfache" Performance Control das jeweils kurveninnere Rad
etwas eingebremst, um das Einlenkverhalten zu verbessern. Wie immer verriet
Kistler leider nur wenig über die weiteren Entwicklungen in der 7er-Reihe.
Privat fährt Kistler übrigens einen 730d und will demnächst auf den
neuen 740d wechseln.
Nach ein paar einleitenden Worten durch Dirk Arnold,
verantwortlich für Produkt-kommunikation bei BMW, konnte es nun endlich losgehen!
Für mich als langjährigen 7er-Fahrer war die Erfahrung Allrad etwas komplett
Neues. So etwas gab es bisher nicht, und ehrlich gesagt habe ich es auch (fast)
nie vermisst. Natürlich gab es in meiner nunmehr 16 Jahre andauernden
7er-Verbundenheit auch mal einen harten Winter, aber auch mit meinem ersten
7er-BMW, einem bis auf das ABS-Bremssystem völlig von Fahrerassistenzsystemen
freien 730i der Modellreihe E32, kam ich mehr oder weniger problemlos durch den
Ruhrgebiets-Winter. Wofür also Allrad?
Auch ohne xDrive meistert der 750i den Anfahrtest
auf µ-split Untergrund - allerdings dauert die Überwindung der Steigung etwas
länger als in den allradgetriebenen Fahrzeugen
Mit jeweils zwei Journalisten besetzt starteten die Testfahrzeuge schließlich
in einen aufregenden Tag. Ich fuhr mit Jim aus Kanada, der für den Toronto Star schreibt,
zunächst in einem 530d xDrive auf das Gelände. Den 5er sollten wir zum Vergleich
auch kennen lernen, um so den Entwicklungsfortschritt des überarbeiteten
xDrive-Systems im direkten Vergleich besser bewerten zu können. Außerdem sollten
wir neben dem 750i xDrive einen 750i mit Standard-Heckantrieb und Allradlenkung
fahren, um so auch den Unterschied zwischen normalen Heck-Antrieb und xDrive
direkt zu erleben. Aus Platzgründen wird das xDrive-System leider nicht in
Kombination mit der Allradlenkung verfügbar sein.
µ-split Normtests
Als erstes fuhren wir auf eine Rampe mit 20% Steigung, die mittig mit einem
Glasbausteinbelag versehen war, der ständig regennass gehalten wurde. Hier ist
der Reibwert in etwa so gering wie auf einer Eisfläche. Rund um diesen
Glasbausteinbelag ist die Rampe normal asphaltiert. Wir kamen mit dem Auto auf
halber Höhe genau so zum stehen, dass die beiden rechten Räder auf dem glatten
Untergrund und die beiden linken auf Asphalt zum Stehen kamen. Nun gab ich
Vollgas - und was passierte? Nach einem kurzen Durchdrehen der Räder setzte sich
der 5er problemlos und fast schnurgerade in Bewegung. Das xDrive System hatte
die Kraft also gekonnt auf die Räder mit Bodenhaftung verteilt. Diesen
Anfahrtest auf diesem so genanntem µ-split Untergrund bewältigten alle drei Testautos
problemlos, wobei der rein heckgetriebene 750i etwas mehr regeln musste und
nicht ganz so gerade startete.
der BMW 750i xDrive meistert den µ-Sprung
problemlos: Vorderräder auf Asphalt, Hinterräder auf einer feuchten
Glasbausteinfläche ohne Grip. Ohne xDrive rutschte der Standard 750i von hier
rückwärts den Berg hinab, wobei der Motor abstarb
Die Behäbigkeit des reinen Hecktrieblers auf µ-split Untergrund an einer
Steigung wurde
besonders deutlich, als wir ein Start-Duell auf der Rampe unternahmen. Der 750i
xDrive gewann den Start deutlich vor dem 750i (siehe erstes Foto oben).
Als nächstes stand auf selber Rampe der so genannten µ-Sprung auf dem
Programm. Hierbei wurde das Auto achsenweise auf Untergrund mit
unterschiedlichen Reibwerten abgestellt und dann angefahren. Die Vorderräder
standen dabei auf Asphalt und die Hinterräder auf glattem Untergrund. Die allradgetriebenen
Autos meisterten diese Übung dank der angetriebenen Vorderachsen anstandslos. Jim
und ich versuchten die Übung - entgegen den Anweisungen der BMW-Ingenieure vor
Ort - auch mit dem 750i mit Standard Heckantrieb. Ohne angetriebene Vorderräder
konnte keine Haftung aufgebaut werden, und so schlitterten wir trotz getretener
Bremse langsam über die
glatten Glassteine die Rampe rückwärts hinunter. Überraschenderweise ging dabei
der Motor aus! Diesen Umstand konnten sich auch die an der Strecke stehenden
Ingenieure zunächst nicht erklären, denn wie sollte man einen Automatikwagen abwürgen? Später hieß es, der
Wagen sei wohl von einer Crash-Situation ausgegangen, und schaltete deshalb den
Motor aus Sicherheitsgründen ab.
Was gleich bei den ersten Testfahrten auffiel: der 7er mit xDrive hat ein
spürbar leichtgängigeres Lenkrad als der 7er ohne xDrive.
Fahrspaß im Grenzbereich auf benässten Handling-Kurs
Nach den normierten Standardtests, in dem der Allrad seine Überlegenheit voll
ausspielen konnte, ging es auf einen Rennstrecken ähnlichen Parcours mit
engen Kurven, um das Handling der Fahrzeuge unter realistischeren Bedingungen zu testen. Nun kam endlich die
BMW-typische Freude am Fahren auf!
Mit abgeschaltetem DSC stellte sich der BMW 750i
auch mal quer. Die Neigung des Fahrzeugs blieb dank DynamicDrive stets gering.
Enge Kurven, freie Strecke -
und selbst wenn man von der Strecke kommen sollte, viel passieren konnte hier
eigentlich nicht. Optimale Bedingungen also, um im Grenzbereich zu fahren. Viele
Teile der Strecke wurden künstlich bewässert, um die Haftung zwischen Auto und
Fahrbahn zu verringern.
Ein "Pace Car", also ein BMW mit geschultem Fahrer fuhr vorweg. Da die
Geschwindigkeit durch die Vorwegfahrenden
quasi vorgegeben war und die Regel-Systeme alle Fahrfehler ausbügelten, war es
schlicht unmöglich von der Strecke abzukommen. Aber man sage niemals nie, denn
bereits in der zweiten Runde landete der Fahrer des 7ers mit xDrive in der Botanik neben der
Strecke. Anschließend machte einer der Journalisten eine außerordentliche
Kaffee-Pause...
Für mich war es überraschend, wie schnell ein zwei Tonnen Gefährt durch eine
bewässerte Kurve bewegt werden kann. Ich werde mich künftig beherrschen müssen,
mit meinem privaten 7er nicht auch mal näher an den Grenzbereich heranzufahren!
Alle Testwagen verhielten sich jederzeit gutmütig, wenngleich
der 5er ein
deutliches Untersteuern aufwies und schwerer zu beherrschen war als die beiden
7er-BMWs. Das neue xDrive im 7er, das eine Verteilung des Antriebsmomentes in Kurven von
bis zu 80% auf der Hinterachse vorsieht, wirkte sich - vor allem im direkten
Vergleich mit seinem Vorgängersystem im 5er - spürbar positiv auf das
Fahrverhalten aus. Der heckgetriebene 7er glänzte mit seiner Allradlenkung, die
das Kurvenfahren harmonischer machte. Subjektiv schneller als im Allradler ging
es deswegen aber nicht voran.
Der kurz vor dem Modellwechsel stehende 5er
machte eine gute Figur, blieb aber vom Handlingverhalten her im Vergleich zum
7er deutlich zurück.
Während wir das Untersteuern im 5er-BMW feststellten, erklärte mir mein
Co-Pilot Jim mit
etwas Witz, wie ein Kanadier Unter- und Übersteuern auseinander hält: "If
the driver gets in trouble, it's understeering, if your co-driver get's in
trouble it is oversteering".
In allen Testwagen fuhren wir immer zunächst eine Einführungsrunde, dann eine
schnelle Runde und zum Abschluss jeweils eine Runde mit eingeschränkten und mit
abgeschalteten DSC. Hierbei wurde deutlich, dass die Allradler weniger Eingriffe
der Regelsysteme benötigen und entsprechend auch mit abgeschaltetem DSC deutlich
länger einfach beherrschbar bleiben, als der rein heckgetriebene 7er.
Landstraßentest
Zum Abschluss der Tests ging es vom Testgelände in Miramas auf ein
ausgewähltes Landstraßenstück. Dabei wurden die
Fahrzeuge gewechselt. Diesmal durften wir das xDrive-System in der Lang-Version
des 750i testen. Das Prototyp-Fahrzeug aus dem September 2008 fiel durch eine
kleinere Änderung im Cockpit auf: die Momentankraftstoff-verbrauchanzeige ging
auch ins Negative! Wurde gebremst, ging der Verbrauch nicht nur auf Null zurück,
sondern es wurde angezeigt, dass die Batterie im Rahmen der EfficientDynamics
aufgeladen wird.
BMW 750i (F01) bei einer Testfahrt auf dem
BMW-Testgelände in Miramas
Auch auf der Landstraße fuhr ein "Pace Car" vorweg, und die drei Testwagen
folgten quasi in einer Art Mini-Konvoi. Wer schon einmal Konvoi gefahren ist,
weiß, dass man hinten oft deutlich schneller fahren muss, um folgen zu können,
wenn sich der Konvoi mal auseinander zieht, weil vorne z. B. mal überholt wird. Und so waren wir stets sehr zügig unterwegs.
Unter realen Bedingungen war es viel schwerer, die Vorteile des Allradsystems
xDrive zu erfahren. Der Unterschied zwischen 750i und 750iL xDrive war für mich
kaum zu spüren. Der erste Eindruck bestätigte sich aber auch hier: die 7er-BMWs
waren einfacher zu fahren als der 5er. Die nicht immer ganz ebenen Straßen
verlangten auch dem Fahrwerk viel ab, und auch hier zeigte sich der 7er
ebenfalls überlegen. Der 5er schien viel schneller in Grenzbereiche vorzustoßen.
Ich hatte das Gefühl, dass der 5er im Gegensatz zum 7er zwischenzeitlich
deutlich schneller an Bodenhaftung verlor.
Die verschiedenen Fahr-Modi der 7er-BMWs (Komfort, Normal, Sport, Sport+)
wurden während der Landstraßenfahrt deutlich spürbar, d. h. in allen Modi waren
deutliche Änderungen im Federungskomfort und in der Schalt-Abstimmung zu
verspüren. Während ich den "Sport"-Modus bevorzugte, wählte mein
Co-Driver den "Sport+"-Modus mit eingeschränktem DSC. Jim ist ein sehr guter
Fahrer und ließ sich auf der Landstraße immer gerne weit zurückfallen, um dann
mal richtig Gas geben zu können. Da kam auch als Beifahrer Freude beim Fahren
auf!
BMW
750i xDrive auf dem Testgelände von Miramas
xDrive im Gelände
Zum Abschluss des Tages wurde den Journalisten das xDrive-System noch einmal
dort präsentiert, wo es zweifelsohne am meisten gebraucht wird: im Gelände. Dazu
wechselten wir in BMW X3 und X5 Fahrzeuge und setzten die Fahrt abseits der Straße
fort. Wie bereits den ganzen Tag fuhr auch hier ein BMW-Team voran und gab
Hinweise zum Fahren.
An steilen Hügeln testeten wir die "Down-Hill-Funktion", mit der unser X5 wie
erwartet ohne zu Bremsen mit etwa 4 km/h den Berg herunterrollte. Diese 4 km/h
waren an vielen Stellen aber noch immer zu schnell, so dass durch die Bremse
geholfen werden musste.
Sprichwörtlich über "Stock und Stein" ging es an vielen Stellen, und unser X5
tat mir an mancher Stelle Leid, als er auf Felsen aufsetzte, oder Steine bei
schneller Fahrt an den Unterboden schleuderten.
Das Fahren im Gelände hat mit den fahrdynamisch positiven Einflüssen des
xDrive-Systems im 7er natürlich nicht viel gemeinsam. Nichts destotrotz war die
Fahrt durch das Gelände ein gelungener Abschluss des Tages in Süd-Frankreich.
Fotos von Testfahrten mit dem BMW X5 im Gelände, nahe des Testgeländes in
Miramas
Fazit
BMW hat nachgelegt. Das xDrive-System im neuen 7er ist spürbar besser als in
der Vor-Generation, die im noch aktuellen 5er verbaut wird. Ein Untersteuern
gibt es im 7er so gut wie gar nicht mehr, wohingegen der 5er auf dem Handling
Kurs deutlich übersteuerte. Das Fahrverhalten im 7er xDrive überzeugt voll und
ganz und verlangt dem 7er-Fahrer weniger Können ab als dem 5er-Fahrer.
Auf trockener Landstraße, also unter realen Bedingungen, fällt es dagegen
schwer, den Vorteil des xDrive-System auszufahren. Wer öfter auf glattem
Untergrund unterwegs ist, dem sei xDrive im 7er empfohlen - ansonsten ist man
mit dem Hecktriebler plus Allradlenkung auch sehr dynamisch und sicher
unterwegs. Ab September 2009 kann xDrive nur in der sinnvollen Kombination mit
DynamicDrive für 5.800 Euro Mehrpreis geordert werden, wobei rechnerisch 2.670
Euro auf das DynamicDrive und 3.130 Euro auf das xDrive entfallen.
Die Amerikaner, Skandinavier und Alpenländer verlangen nach xDrive - und
diesen Markt muss BMW künftig nicht mehr einem Audi A8 quattro oder einer
Mercedes S-Klasse 4matic überlassen. Auch in Deutschland wird der 7er xDrive
seine Anhänger finden.
Weitere Fotos von den Testfahrten in Mirimas:
Text: Christian Schütt; Fahr-Fotos: Bernhard/BMW
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