Kategorie: Formel1 26.10.2005
BMW Motorsport - Formel 1 Saisonrückblick 2005
Schlussakkord und neuer Anfang
München. Es sollte die Rückkehr in die Erfolgsspur werden, doch das
BMW WilliamsF1 Team wurde überholt. Die deutsch-britische Mannschaft erlebte
2005 ihre zweite schwierige Saison in Folge und fiel auf den fünften Platz in
der Herstellerwertung zurück. Die sechste gemeinsame Saison, mit 19 Grands Prix
die längste in der Geschichte der Formel 1, markierte zugleich das Ende der
Kooperation von BMW und WilliamsF1. BMW hat das Schweizer Team Sauber übernommen
und wird ab 2006
in Eigenregie an den Start gehen.
„In den sechs Jahren haben beide Seiten viel voneinander gelernt und
profitiert“, bilanziert BMW Motorsport Direktor Mario Theissen, „beide Partner
sind heute stärker als zu Beginn unserer Zusammenarbeit. Vier Jahre lang haben
wir unsere Ziele mehr als erfüllt. 2003 haben wir bis zum Finale um den WM-Titel
gekämpft. Doch statt dann den entscheidenden Schritt nach vorn zu machen, haben
wir 2004 und 2005 den Anschluss an die Spitze verpasst.“
Foto: BMW WilliamsF1 Rennwagen in der Saison 2005
Zehn Siege, darunter drei Doppelsiege, insgesamt 45 Podestplätze und 17
Polepositions wurden seit 2000 in 104 gemeinsamen Rennen eingefahren. In der
abgeschlossenen Saison konnte das BMW WilliamsF1 Team keinen Grand Prix
gewinnen. Das hatte es zuvor nur im Premierenjahr 2000 gegeben. Das Team
beendete die Saison mit 66 Punkten auf Platz fünf der Gesamtwertung. Der
Williams BMW FW27 erwies sich trotz permanenter Weiterentwicklung und einer
umfassenden Überarbeitung zur Saisonmitte als nicht konkurrenzfähig.
Saisonhöhepunkte aus Sicht des BMW WilliamsF1 Teams waren die Läufe in Monaco
und auf dem Nürburgring. Im Fürstentum standen der Deutsche Nick Heidfeld (28)
und sein australischer Teamkollege Mark Webber (29) als Zweiter und Dritter des
prestigeträchtigsten Grand Prix gemeinsam auf dem Podium. In der Eifel erzielte
Heidfeld eine Woche später die erste Poleposition seiner F1-Karriere und kam
erneut als Zweiter ins Ziel. Zuvor war Heidfeld in Malaysia auf Platz drei
gefahren. Bei diesen vier Podestplätzen blieb es 2005.
Foto:
Antonio Pizzonia, BMW WilliamsF1 Testfahrer, Mark Webber und Nick Heidfeld, BMW
WilliamsF1 Team-Fahrer in Bahrein
Webber beendete die Saison mit 36 Punkten auf Platz zehn, Heidfeld wurde mit
28 Zählern Elfter. Der Brasilianer Antonio Pizzonia (25), der den verletzten
Heidfeld in den letzten fünf Saisonrennen vertreten hatte, steuerte zwei Punkte
bei.
Nachdem Renault-Pilot Fernando Alonso (24) bereits im 17. von 19 WM-Läufen,
beim Großen Preis von Brasilien, als jüngster Weltmeister der F1-Historie
gefeiert worden war, gewann Renault im Finale in China die Hersteller-Wertung
mit 191 Punkten vor McLaren-Mercedes (182).
Interview mit BMW Motorsport Direktor Mario Theissen.
Wie fällt Ihr Saisonfazit für die Formel-1-Saison 2005 aus?
BMW Motorsport Direktor Mario Theissen: „Unsere sechste Saison seit dem
Wiedereinstieg von BMW zum Jahr 2000 war gleichzeitig unsere schwierigste. Mit
Platz fünf in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft sind BMW und WilliamsF1
selbstverständlich unzufrieden.“
Wo haperte es?
Theissen: „In zu vielen Bereichen, um sie unter der Belastung der
Formel-1-Saison mit den meisten Rennen der Geschichte in den Griff zu bekommen.“
Im Detail?
Foto: Dr. Mario Theissen, BMW Motorsport Direktor
Theissen: „Das Chassis war beim Saisonstart nicht top. Die umfangreiche
Überarbeitung zur Saisonhalbzeit brachte nicht den erhofften Fortschritt,
sondern zunächst einen Rückschritt. In Grove wurde unermüdlich gearbeitet. Der
Fleiß verdient Respekt. Aber bei zu vielen Rennen waren wir von vornherein nicht
schnell genug für Punkte. Hinzu kamen zwei Motorschäden im Rennen, die beide
Nick Heidfeld trafen. Der erste, im Hitzerennen von Bahrain, war auf einen
fehlerhaften Kolben zurückzuführen. Der zweite in Kanada auf eine absehbare
Überhitzung des Motors. Die Ingenieure waren von geringeren Außentemperaturen
ausgegangen, wir sind nicht mit maximalen Kühlluftöffnungen gefahren. Nick fuhr
praktisch das ganze Rennen über dicht hinter einem Konkurrenten her. Das war
unter diesen Umständen thermisch nicht verkraftbar. Neun Mal waren Unfälle dafür
verantwortlich, dass ein Fahrer leer ausging. In Indianapolis konnten wir
aufgrund der bekannten Reifenproblematik nicht antreten. In der Türkei sind wir
an einem hausgemachten Problem gescheitert, das zu Schäden an den Reifenflanken
führte.“
Hat der Vollzug der Trennung von Partner WilliamsF1 das Saisonergebnis
beeinträchtigt?
Theissen: „Nein. Alle Beteiligten haben ihr Bestes gegeben. Auch, um ihrer
jeweils eigenen Zukunft willen. Eine weiterhin gemeinsame Zukunftsorientierung
hätte uns nicht schneller gemacht.“
Wie sind die Vorbereitungen für 2006 angelaufen?
Foto: Mark Webber und Nick Heidfeld in Bahrein
Theissen: „Zunächst einmal haben wir uns auf die laufende Saison mit unserem
Partner WilliamsF1 konzentriert, und zwar mit ungebrochener Intensität bis zum
letzten Rennen. Parallel lief unser neues Projekt an. Wir sind die
Zusammenführung der Standorte München und Hinwil für das neue Team systematisch
angegangen und liegen im Plan. Seit dem Vorstandsbeschluss vom 22. Juni gehen
Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen an beiden Standorten praktisch täglich
ein und aus. Wir haben im ersten Schritt die beiderseitigen Ressourcen in den
verschiedenen Aufgabenfeldern gesichtet. Dann haben wir die entsprechenden Ziele
definiert und die Arbeitsprozesse festgelegt. Seit September werden
Einstellungsgespräche geführt. Oberste Priorität bei der personellen Aufstockung
in Hinwil hat die Aerodynamikabteilung. Wir wollen den hervorragenden Windkanal
schnellstmöglich im Mehrschichtbetrieb nutzen.“
In welchem Rahmen wollen Sie aufstocken?
Theissen: „Gegenwärtig arbeiten in München und in Hinwil je rund 300
Beschäftigte an dem Formel-1-Projekt. Wir planen in Hinwil eine Erhöhung um gut
100 Mitarbeiter. Das Ziel ist eine Personalstärke von insgesamt 700.“
Wie gehen Sie bei der Personalsuche vor?
Theissen: „Sehr gründlich. Im Motorsport gibt es viele Bewerbungen aus
Faszination, die gründlich auf Qualifikation, Leistungsbereitschaft und
Teamfähigkeit zu prüfen sind. Wir setzen auf eine Mischung aus BMW Mitarbeitern,
die zum Motorsport wechseln wollen, Hochschulabsolventen und gestandenen
Spezialisten unterschiedlicher Herkunft.“
Wie weit sind Chassis und Antrieb für 2006 gediehen?
Theissen: „Schon vor dem Saisonende 2005 war die Grundauslegung des 2006er
Chassis definiert, die Aerodynamikabteilung in Hinwil arbeitet seither an der
Optimierung der einzelnen Komponenten. Zeitgleich wurde in München der neue
V8-Motor P86 für die Wintertests weiterentwickelt.“
Worin liegt die Problematik des Umstiegs von V10 auf V8?
Theissen: „Auch wenn der V8 optisch wie ein abgeschnittener V10 mit gleichem
Zylinderwinkel aussieht, ist er technisch ein eigenständiges Konzept. Zündfolge
und Zündabstände unterscheiden sich, was zu einem erheblich anderen
Schwingungsverhalten führt. Beim V10 liegt der kritische Bereich zwischen 12.000
U/min und 14.000 U/min. In dem Bereich fährt man nicht viel. Die längste
Verweildauer liegt in den Spitzendrehzahlen, und da wird es beim V8
problematisch. Die Schwingungen steigen ab 16.000 U/min in kritische Bereiche
und nehmen darüber noch weiter zu. Den besten V8 baut der, der die
Schwingungsproblematik am besten in den Griff bekommt.
Berechnung und Analyse jedes einzelnen Bauteils und Simulation des
Gesamtsystems sind hier die wichtigsten Werkzeuge. Bei der Leistung kann man –
proportional zum Hubraum – von einem Rückgang um 20 Prozent ausgehen. Auch die
Kühler können entsprechend um 20 Prozent kleiner ausfallen. Die Drehzahlen
dürften etwa auf dem gleichen Niveau wie beim V10 liegen. Schwieriger
darstellbar wird eine gute Fahrbarkeit, weil ab 2006 eine fixe Kanallänge für
die Ansaugrohre vorgeschrieben ist. Mit den variablen Ansaugrohren konnten wir
den Drehmomentverlauf optimieren. Man muss einen Kompromiss finden zwischen
maximaler Power und guter Fahrbarkeit. Da spielen auch Faktoren wie die
Streckenführung und sogar das Wetter eine Rolle. Theoretisch braucht man
verschiedene Rohrlängen für verschiedene Bedingungen. Praktisch bleibt
festzuhalten, dass der Umstieg auf V8-Motoren das Ziel der Kostenreduzierung
verfehlt.“
Wie profitiert das Unternehmen BMW von dem Formel-1-Projekt?
Theissen: „Wir beurteilen sowohl die Innen- als auch die Außenwirkung
positiv. Dadurch, dass wir von Anfang an einen ungewöhnlich hohen
Eigenfertigungsanteil bis hin zur Motorelektronik am Standort München umgesetzt
haben, haben wir den Technologietransfer zwischen Serie und Formel 1 bzw.
umgekehrt maximiert. Auch intern hat ein so emotionales Projekt wie die Formel 1
einen hohen Motivationseffekt. Nach außen profitiert BMW laut einer neutralen
Marktstudie von 2005 mehr als jeder andere Hersteller vom Formel-1-Engagement.
Man kann sich den Motorsport ohne BMW genauso wenig vorstellen wie BMW ohne
Motorsport. Das Thema ist praktisch maßgeschneidert für unser Unternehmen – das
betrifft nicht nur die Formel 1, sondern auch Tourenwagensport und die
Nachwuchsserie Formel BMW.“
Quelle: BMW Presse-Information vom 26.10.2005
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