Kategorie: M-Modell Fahrbericht Cabrio BMW-Modellreihe: E64 20.04.2008
Weiße Raubkatze : BMW M6 Cabriolet, Fahrbericht
Ein Bericht von Mario-Roman Lambrecht
Bevor ich mich an diesen Fahrbericht rangesetzt habe, ging mir folgendes
durch den Kopf:
Wie beschreibt man den galaktisch geilen Sound eines V10 Motors auf dem Papier,
wenn der Leser diesen bisher niemals zu hören bekommen hat? Vielleicht schauen
Sie ja gerne Formel 1. Denken Sie mal an die Passagen, wenn Mister Schumacher an
die Box fuhr. Da hätten wir schon mal das Standgeräusch: wwww!!! Reifen druff,
Spritbesäufniss erledigt, der F1 Bolide setzte sich wieder in Bewegung:
wwwwiiiiiiii, wiiiii, wiiiiiauuu.
Haben Sie es wieder? Halten Sie den Gedanken fest. Es geht weiter mit der
phantasievollen Minute in Richtung der straßenzugelassenen Supersportler, vorbei
am brummigen brachialen Lamborghini Gallardo, vorbei am Halleluja kreischenden
Porsche Carrera GT. Ok, jetzt stellen Sie sich dieses Geräusch noch ein paar
Nuancen dezenter in der Karosserie eines Grand Tourismo der Oberklasse vor. Da
haben wir es, das BMW M6 Cabriolet bei seiner Arbeit. Wir drücken gleich den
Startknopf, also Sound weiterhin im Kopf behalten.
Bei BMW gibt es für mich ja immer eine Art Zwiespalt. Einerseits habe ich
mittlerweile das dumpfe Gefühl, dass die BMW 3er Modelle schon in der
Produktionsphase in Richtung Mekka gerichtet werden, andererseits kommen dann
doch wieder so phantastische Fahrzeuge wie dieser Lausbub zustande. Am Design
gibt es nichts zu meckern. Die Kombination aus weißem Lack, roten Ledersitzen
und schwarzem Pianolack auf den Armaturen lässt dieses Auto keinen Augenblick
lang übertrieben aussehen. Es passt einfach.
Die Front vermittelt mit der lang gezogenen Motorhaube eine angenehme Mischung
aus Kraft und Aggressivität. Die Spielerei mit den in den Frontscheinwerfern
integrierten Lichtringen kommt hier ganz besonders gut zur Geltung. Auch an der
Karosserie sitzt jede noch so kleine Falte perfekt. Einen wahrhaft glänzenden
Abschluss bildet das kantige Heck, das sich mit vier verchromten Endrohren von
Möchtegerndränglern verabschiedet. Es kristallisiert sich heraus; hier steht ein
Bodybuilder im Designeranzug.
Das Problem mit einem Bodybuilder ist allerdings folgendes. Ordentlich
durchgeführt kommt ein ästhetisches Kunstwerk zustande, eine Symbiose aus Kraft
und visuellem Muskelerzeugniss. Doch wer zuviel des Posens für sich beansprucht,
der legt auch ordentlich an Masse zu. Ein Blick in den Fahrzeugschein macht
klar: Hier steht nicht nur ein Kraftpaket, nein hier steht auch ein kleines
Gewichtspummelchen von knapp zwei Tonnen.
Doch BMW hat einen Leitspruch, der da heißt: Freude am Fahren. Was machen die
schlauen Jungs also? In die hübsche Karosserie mit dem ganzen „Luxus-Krims-Krams“
wird ein dicker fetter 507 PS starker V10 verpflanzt. Der ist gnadenlos auf
Vortrieb getrimmt und lässt die Reifen bei 520 NM ordentlich bluten. Hinzu kommt
ein individuell anpassbares Fahrwerk, das sich über ein paar Knöpfe in der
Mittelkonsole in sechs Stufen vom Cruiser zum harten Sportler entwickelt. Wer
seine optimale Einstellung gefunden hat, speichert sich das jeweilige Programm
auf die M-Taste am Lenkrad ab. So wird der M6 in Sekundenbruchteilen von der
Mieze mit gedämpften 400 PS im Normalmodus zum brachialen Raubkätzchen mit
Jagddrang.
Doch nun starten wir die kleine Mieze erstmal. Ein kurzes Surren und Wrrrrrrr.
Da ist er, der V10 Sound. Wrrrr, Wrrrrrrrriiii. Sorry, das Gaspedal-Spiel musste
gerade sein. Irgendwie klingt mir das aber noch zu dumpf. Also, weg mit der
Mütze und lass die Sonne rein. Innerhalb von 25 Sekunden verschwindet das
Verdeck im Heck. Das klappt zur Not auch bei bis zu 30 km/H. So nun nochmal.
Wrrrr, Wrrrrrriii, Wraaaauuu. Ich drücke die M-Modus-Taste, wähle mit dem
Schaltpedal hinter dem Lenkrad den 1. Gang und trete das Gaspedal in Richtung
Mondumlaufbahn.
Die Hinterräder geben sich ordentlich Mühe, Traktion zu finden. Aber nicht doch,
ich will Rauch sehen, und so knallt das Gaspedal noch weiter in Richtung des
Fußraumbodens. Erst bei knapp 8.000 U/min zeige ich mich gewillt, den nächsten
Gang einzulegen, um die Reifen weiter zu quälen. Woooohaaa – in 4,8 Sekunden
sind 100 km/H erreicht und von Schwäche keine Spur zu sehen. Baby, du hast einen
neuen Fan gefunden, der dir wohl jede Menge neuer Schuhe kaufen muss, wenn du
immer so abgehst.
Das M6 Cabriolet lässt sich so gut wie nie aus der Ruhe bringen. Jede noch so
kurvige Landstraße wird problemlos mit ordentlichem Speedüberschuß gemeistert.
Hart gefahrene Kurven werden hier und da mal mit einem kleinen Wedeln über die
Hinterräder beantwortet, dennoch ist das Fahrwerk darauf so gut abgestimmt, das
sich das Heck auch wieder schnell einfangen lässt. Lediglich wenn die Bremse mal
härter gefordert wird, und hart zubeißen muss, wird das hohe Gewicht spürbar.
Bei solchen Autos kriege ich in Hamburg aufgrund nicht vorhandener Rennstrecken
jedes Mal Dauerdepressionen.
So sehr das Spiel mit den Schaltpaddels auch Spaß macht, im Automatik-Modus
entwickelt sich das 7-Gang-SMG-Getriebe zu einem eher nervigen Akt. Die
Schaltvorgänge sind teilweise zu ruckelig und unharmonisch gestaltet worden. Der
manuelle Modus über die Schaltpedals ist besonders im Stadtverkehr um einiges
positiver ausgefallen. Und wo ich gerade so schön am Meckern bin: Das I-Drive
ist nach wie vor eine Schnarchnummer und das Menu nach wie vor viel zu
umständlich in etliche Unterordner unterlegt.
Seine kompromisslose Kraft führt der V10 gerne vor. Auf der A7 kommt es zu einem
interessanten Duell zwischen einem Porsche 911 GT3 und unserem Musterschüler aus
München. Die Gedankengänge der beiden könnten in etwa so gedeutet worden sein:
Porsche GT3: „Hoho, Herr Poser-BMW möchte einen auf dick Welle machen. Na dann
komm doch mal.“
BMW M6: „Da bekomm I ma was ordentliches zum Naschen!!!“
Das Duell beginnt. Der leichtfüßige GT3 schießt wie vom Blitz getroffen im
unteren Bereich bis knapp über 220 trotz Minderleistung los, der BMW hält gut
mit. Doch dann ändert sich das Kräfteverhältnis. Der vermeintlich schneller
geglaubte GT3 wirkt immer angestrengter, der M6 hört gar nicht auf an Schubkraft
zu gewinnen. Seine bösen Augenringe bohren sich schon geradezu in das Kultheck
des 911ers. Das ist schon keine Jagd mehr, das geht mittlerweile in die
Vergewaltigung über. Doch bevor die Beute erlegt werden kann, wird der weiße
Jäger laut Herstellerangaben bei 250 km/h an die Leine gelegt. Das Head Up
Display spricht allerdings eine andere Sprache und hört erst bei 275 mit dem
Vorwärtsdrang auf. Mit vom Lack abperlendem Angstschweiß schießt der GT3 noch
ein leicht zitterndes „Looser“ aus dem Auspuff bevor er in die Region der 300
verschwindet.
Leider wurde diesem Auto keine Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h spendiert. Ist
ja auch logisch, warum sollten die Hochgeschwindigkeitsreifen ihren Job tun
können ohne dass man noch mal ein paar Taler rüber wachsen lassen muss. Für einen
Preis von etwa 2.000 Euro wird die Vmax auf 305 km/H angehoben. Zusätzlich
bekommt man noch ein kleines Fahrertraining vor die Nase gesetzt. Macht Sinn,
denn bei 250 km/h ohne Fahrsicherheitstraining einen Unfall zu bauen, ist
wesentlich sicherer als bei 300 Sachen mit Fahrsicherheitstraining irgendwo
reinzuballern.
Und überhaupt kommt man sich als Kunde von BMW doch ziemlich vereimert vor, wenn
einem der Riegel für die Porschehatz vorgelegt wird als wäre man ein Kleinkind.
„Liebes BMW-Team: Das dürft Ihr gerne weiter bei Euren Limousinen tun, aber doch
nicht bei einem vor Kraft strotzenden 120.000 Euro Sportwagen!!!“
Eins ist sicher. Mit diesem Auto helfen Sie Vater Staat, die Kassen zu füllen.
Sobald das Gaspedal Arbeit bekommt, nuckelt das weiße Riesenbaby ohne Reue
genüsslich Liter für Liter aus dem Tank, und schert sich einen Scheißdreck um
die Rekordpreise an den Zapfsäulen. Diesem Auto darf ohne zu zögern die „Staatsdiener“-Plakette
auf den Hintern geklebt werden. Co2-Diskussionen dürfen mit den Besitzern eines
M6 einfach nicht geführt werden, denn warum so ein Auto unbedingt sein muss, ist
aus der ökologischen Sicht wohl nie zu verstehen.
BMW hat hier einen „fast“ perfekten Sportwagen mit Rasse geschaffen. Er bietet
Fahrspaß in fast jeder Situation, glänzt mit einem satten Sound und ist
hochwertig verarbeitet. Und so wollen wir das auch haben. Basta!
Datenblatt: BMW M6 Cabriolet | Heckantrieb | V10 | Hubraum: 4.999 cm³ | 373 kw
(507 PS) bei 7.750 U/min | 520 Nm bei 6100 U/min| Vmax: 250 km/H (abgeriegelt) |
Beschleunigung 0- 100 km/h in 4,8 s | Co2 Emission g/km: 366 g | Preis: ab
120.500,00 EUR inkl. MwSt.
Text und Fotos: Mario-Roman Lambrecht
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