Hallo,
Das Fahrverhalten des E65 ist sehr von der "Betriebsart" abhängig und natürlich der Fahrsituation.
Da Dynamic Drive in der Lage ist, den Stabilisatoren der Achsen mehr Vorspannung zu geben
wird so ein zusätzliches Moment aufgebaut, das zusammen mit der passiven Federung dem Wankmoment entgegenwirkt.
Das Eigenlenkverhalten des Fahrzeugs wird entsprechend beeinflußt.
Je größer das Aufbaumoment an einer Achse ist, desto weniger Querkräfte kann die Achse übertragen und
desto mehr neigt sie daher um so mehr zum übersteuern.
Wenn also die Hinterachse weniger Querkräfte übertragen kann als Vorderachse übersteuert das Fahrzeug,
es untersteuert im umgekehrten Fall und ist neutral im Eigenlenkverhalten,
wenn beide Achsen die gleichen Querkäfte übertragen können.
Natürlich kann ein Rad umso weniger Querkräfte übertragen, je mehr das Fahrzeug beschleunigt oder verzögert.
Das Fahrwerk des E65 ist ohne Dynamic Drive leicht untersteuernd ausgelegt,
so wie es heutzutage bei Limousinen üblich ist.
Es gibt eigentlich ganz wenig Fahrzeuge, die wirklich neutral oder gar übersteuernd ausgelegt sind.
Selbst Porsche ist zunehmend davon abgekommen.
Grundsätzlich ist ein untersteuerndes Fahrzeug von den meisten Leute leichter zu beherrschen
als ein Übersteurndes. Das gilt um so mehr, je höher die Geschwindigkeiten sind.
Ein BMW hat typischerweise den Anspruch agil und direkt auf den Fahrer zu wirken.
Dies ist dann der Fall wenn die Abstimmung neutral ist.
Deswegen wirkt der Wankausgleich bei niedrigen Geschwindigkeiten und niedrigen Querbeschleunigungen am stärksten
und der E65 ist erstaunlich agil. Das funktioniert wirklich super. Doch Rennwagen ist es eben keiner.
Der Fahrer soll die Annäherung an den Grenzbereich rechtzeitig spüren,
um nicht plötzlich von selbigem überrascht zu werden.
Bei höheren Querbescheunigungen wird das zusätzliche Aufbaumoment zurückgenommen, um dem Fahrer eine bessere Rückmeldung zu geben.
Mit steigender Geschwindigkeit wird das Aufbaumoment weiter zurückgenommen und die Abstimmung der Fahrzeugs
verschiebt sich weiter in Richtung untersteuernd um best mögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Ein E65 mit Serienfahrwerk ist also niemals übersteuernd ausgelegt, sondern höchstens neutral.
Und das auch nur mit Dynamic Drive.
Aber Vorsicht - das hat nix damit zu tun, daß man auch einen E65 prima am driften bringen kann.
DSC ausschalten - einlenken, gscheid Gas geben und schwupps - ein Tritt mit den Hinterpfoten.
Im übrigen kann man auch mit eingeschaltetem DSC kleinere Drifts hinlegen,
Kurvenfahrt und geeignete Lastwechsel vorrausgesetzt.
Der E65 ist eine High End Limousine. So wie auch eine S-Klasse oder ein A8.
Aber sicher kein Sportwagen. Folglich sind Dynamic Drive und EDC auch eher zur Verbesserung Komforts
und weniger zur Erzielung optimaler Rundenzeiten entwickelt worden.
Auch sollte man aus dem AMS Test nicht den voreiligen Schluß ziehen, daß der E65 wegen Dynamic Drive schneller
um die Kurve saust. Beim Slalom- und Wedeltest sind Lastwechselreaktionen ein entscheidender Einflußfaktor,
der vom Dynamic Drive System günstig beeinflußt wird.
Und nicht zu vergessen die Ausweichgasse (sehr wichtig für den Strassenverkehr).
So gelten z.B. bei konstanter Kurvengeschwindigkeit (Ideallinie)ganz andere Bedingungen.
Es stimmt, DSC hilft umso weniger, je stärker das Fahrzeug "quersteht",
weil ein Rad das 100% Querkräfte übertragt eben keine Längskräfte mehr übertragen kann.
In dem Fall ist es also egal ob das Rad gebremst wird oder nicht.
Folglich versucht das DSC möglichst frühzeitig einzugreifen.
Mit dem Traktionsmodus des DSC (DTC) wird im Grunde nur der zulässige Schlupf an den Hinterrädern verändert.
Das bedeutet, daß das Fahrzeug im Traktionsmodus etwas instabiler werden kann zugunsten von mehr Vortrieb.
Der zulässige Schlupf wird aber bei höheren Querbeschleunigungen aus Sicherheitsgründen wiedern deaktiviert.
Eben genau um allzu leichtes Übersteuern beim Gas geben zu vermeiden.
Ach ja - noch ein Wort zu Überschlag.
Unter normalen Bedingungen kann sich ein E65 nicht überschlagen. Auch dann nicht, wenn er "quer" dahin rutscht.
Das könnt ihr alle selber beim Fahrtraining ausprobieren.
Wenn man allerdings beim "quer" rutschen irgendwo hängen bleibt z.B. an besonders hohen Randsteinen
oder im Strassengraben, dann sieht das natürlich anders aus.
Der geschrottete E65 mit dem fahrerseitig eingedrückten Dach, den beiden gebrochenen Achsen
und dem abgerissenen Schweller sieht auf den ersten Blick irgendwie nach "hängengeblieben" aus.
Doch das ist Spekulation - ich weiss nix über diesen Unfall.
usw. usw.
Die Dinge werden richtig kompliziert, wenn man ein wenig genauer hinschaut.
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