Ich habe ja schon einiges bezüglich E85 geschrieben. Deswegen möchte ich hier das Thema mal etwas aus technischer Sicht zusammenfassen. Vielleicht bleibt man dann von Äußerungen mit dem Tenor "Ist ja alles Blödsinn." verschont.
Es gibt einige Umrüster, die normale PKW für den E85-Betrieb umbauen, andererseits wird E85 schon seit über 30 Jahren in Brasilien gefahren und das zum Teil mit geringen und sogar ohne Modifikationen am Fahrzeug. Das war auch letztendlich der Punkt sich mit dem Thema eingehend zu beschäftigen.
E85 ist ein Gemisch aus Bioethanol (85%) und Benzin (15%). Der Brennwert von E85 ist ca. 30% geringer als der von Benzin und deswegen steigt der Verbrauch an. Die Frage ist, lohnt es sich unter dem Strich? Damals rechnete ich so: Der Liter Super kostet 1,55€ und ein Liter E85 0,87€, es könnte sich also lohnen.
Ich tankte also anfangs 50% E85 und 50% Super und fuhr damit. Dabei stellte ich außer einen Mehrverbrauch keine Unterschiede fest. Nach und nach erhöhte ich die Konzentration bis ich letztendlich E85 pur fuhr. Der Verbrauch lag dann bei knapp 15l/100km. Das Kaltstartverhalten war nicht so gut, der Motor sprang eines BMW unwürdig an.

Heute fahre ich E85 und setze etwa 20% Super hinzu. Der Verbrauch liegt stabil bei 13,8l/100km bei meiner Fahrweise im Vergleich zu den 11,9l/100km bei Super (Autobahn und Stadt). Das sind nach aktuellen Preisen 16,50€ im Vergleich zu 19€ auf 100km -> es rechnet sich.
Warum ist das eigentlich so, warum gibt es Umrüster?
Kern ist die Motorelektronik, sie entscheidet aufgrund von Eingabeparametern die bestmögliche Zusammensetzung von Kraftstoff und Luft
(sie regelt auch den Zündzeitpunkt spielt hier aber keine Rolle). Vorrang hat hier eine effiziente Verbrennung unter geringster Umweltbelastung. Die wichtigsten Sensoren sind hier Luftmengenmesser, Lufttemperatursensor, Motortemperatursensor, Lambdasonde. Wenn ein Sensor falsche/unmögliche Werte liefert, dann schaltet die Elektronik in das Notprogramm um den Motor zu schützen.
Im Idealfall wird genau so viel Kraftstoff eingespritzt, dass der gesamte Sauerstoff der in der Luft enthalten ist vollständig reagieren kann. Das Verhältnis zwischen Luft und Kraftstoff wird in einem Quotienten angegeben, dem Lambda. Wenn das optimale Verhältnis erreicht wird, spricht man von Lambda 1. Wenn der Wert kleiner als 1 ist, dann spricht man von einem fetten Gemisch, da mehr Kraftstoff zum vorhandenen Sauerstoff der Luft existiert und wenn der Wert größer als 1 ist, spricht man von einem mageren Gemisch.
In der Theorie ist Lambda 1 perfekt. In der Praxis wird niemals der gesamte Kraftstoff verbrannt, selbst wenn man weniger Kraftstoff einspritzen würde und somit viel mehr Sauerstoff zur Verbrennung existiert. Wenn der Motor zu mager betrieben wird, dann verbrennt er zu heiß und es führt zu Schäden. Letztendlich hat bei Lambda 0,9 der Motor die beste Leistung und etwa bei Lambda 1,2 den geringsten Verbrauch.
Die Motorelektronik kann eigentlich bei der Kraftstoffbereitung nur eins beeinflussen, das ist die Öffnungsdauer der Einspritzventile. Darüber wird die Kraftstoffmenge geregelt. Das liegt an den definierten Druck über der Einspritzbatterie und dem Querschnitt der Düsen selber.
Die Luftmenge, die Lufttemperatur, Motortemperatur kann die Elektronik nicht beeinflussen.
Leider gibt es auch Sonderfälle.
Kaltstart: Der Motor ist kalt, ein Teil des eingespritzten Kraftstoffs kondensiert an den Wänden, es wird weitaus mehr Kraftstoff eingespritzt. Lambda kann nicht ermittelt werden, weil die Sonde erst bei höheren Temperaturen messen kann. Deswegen wird Lambda nicht ausgewertet.
Volllast: Der Motor soll beschleunigen, es wird angefettet. Lambda wird nicht ausgewertet.
Jetzt kommt E85 ins Spiel.
Da E85 einen geringeren Brennwert hat und die Motorelektronik von Benzin ausgeht, hat man verschiedene Effekte.
1.) Der Kaltstart ist schlechter. Der Motor fettet nicht genügend an, der Motor läuft zu mager beim Kaltstart, er springt schlecht an.
2.) Im Teillastbereich wird stur nach Lambda eingespritzt. Der gewünschte Lambda wird nicht erreicht (das muss nicht Lambda 1 sein!) Die Elektronik regelt nach, verlängert die Einspritzzeiten. Das macht sie so lange bis der erforderliche Wert erreicht wird. Wenn der Wert aber bei maximaler Einspritzdauer nicht erreicht wird, schaltet die Elektronik auf Störung, das Notprogramm wird aktiv und die Lambdasonde wird als defekt gemeldet. Notprogramm heißt dann, dass zum Schutz einer zu heißen / mageren Verbrennung die Menge Kraftstoff stark angehoben wird.
3.) Im Volllastbereich wird angefettet, Lambda spielt keine Rolle. Der Grad der Anfettung wird aus aus dem Teillastbreichswerten adaptiert.
Deswegen gibt es E85 Steuergeräte. Diese werden zwischen die Zuleitungen der Einspritzdüsen geschliffen und haben als Eingabeparameter mindestens noch Lambda und Motortemperatur. Diese Steuergeräte verlängern die Einspritzzeiten. Deswegen kommt es nicht zu den Kaltstartschwierigkeiten und auch nicht zum Irrtum einer defekten Lambdasonde im Teillastbereich. Die Anfettung im Volllastbereich stimmt dann auch (, stimmt also nicht nicht). Problematisch wird es, wenn die Einspritzdüsen eine zu geringe Förderleistung haben und das Gemisch nicht wie gefordert anfetten können. Die Düsen sind beim M30 ausreichend.
Theoretisch sollte man auch die Benzindruck anheben können, um ein "normales" Verhalten der Elektronik zu erreichen. Das Problem ist dann jedoch, dass man dann nur E85 tanken kann.
Aus meiner Erfahrung kann man beim M30 mit 80% E85 ohne Steuergerät fahren.
Es wäre schön, wenn man die Elektronik des M30 erweitern könnte, man könnte dann von den Vorteilen von E85 profitieren. Höhere Oktanzahl erlaubt eine weitere Abmagerung als bei Benzin, dazu muss aber in die Zündung eingegriffen werden. Dann wäre auch der effektive Verlußt durch die geringere Energiedichte geringer. Die Motorleistung steigt, der Wirkungsgrad ist höher, der Verbrauch sinkt. Wer hat denn eigentlich den Erich-Chip entworfen -> Das wäre eine Aufgabe!
Der Punkt der mich am nachdenklichsten gemacht hat sind die Gefahren des Ethanols. Durch die Einführung von E10 und damit verbundene Aussage von BMW, dass BMW alle Triebwerke für E10 freigegeben hat wurde das Thema der Korrosion und Zerstörung von Gummiteilen stark entkräftet.
Korrosion
Ein bisschen Chemie. Ethanol hat eine freie Hydroxylgruppe und wie jeder weiß sind freie OH-Gruppen sauer. Diese sehr schwache Säure fördert die Korrosion. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Normales Benzin enthält ebenfalls 5% Ethanol. Die Einführung von E10 wurde bereits Mitte der 90er geplant. Dichtungen und Legierungen sind größtenteils schon auf E10 ausgelegt. In Brasilien ist E24 Usus, also ohne FlexFuel fahren Brasilianer 24% Ethanol.
Wasser im E85
E85 ist hygroskopisch und der Mix aus Benzin, Ethanol und Wasser hat verschieden Effekte. Das Wasser unterbindet eine gute Löslichkeit. Es kommt zur Schichtbildung. Ethanol setzt sich ab. Bei der Verbrennung von E85 mit Wasser zusammen entstehen Essigsäure und Ameisensäure, geringe Anteile lösen sich im Motoröl und das fördert den Verschleiß. Andererseits sind gerade in Motorölen Stoffe um die sauren Bestandteile abzubauen.
Ich persönlich werde E85 im Mix weiter fahren. Erstens ist es günstiger und zweitens verbrauche ich weniger fossile Brennstoffe.
Was soll im schlimmsten Fall passieren? Was kostet eine neue Pumpe oder neue Einspritzdüsen als Gebrauchtteil? Im Zweifel Tauscht man es einfach aus. Wenn ich einen neuen Motor brauche, so teuer ist er auch nicht. Alle 15000km könnte ich neue Maschine einbauen und es wäre +-Null.
Ich würde E85 nicht pur ohne Steuergerät fahren und ich würde E85 nicht zum Einlagern benutzen.