23.05.2005
Rennfahrer-Legende Ernst Jakob Henne verstorben
München. In der Nacht zum Montag verstarb in seinem Wohnort auf Cran
Canaria der ehemalige BMW Werksfahrer Ernst Jakob Henne im Alter von 101 Jahren.
Auf zwei Rädern fuhr er in den 20er und 30er Jahren reihenweise Siege,
Meisterschaften und Geschwindigkeitsrekorde ein. Auch auf vier Rädern konnte er
sich in die Siegerliste internationaler Rennen eintragen.
Foto: 100. Geburtstag E. J. Henne (rechts) Lapp /
BMW Group Mobile Tradition
Holger Lapp, Leiter der BMW Mobile Tradition, zeigte sich vom Tod Ernst
Hennes auch persönlich betroffen: "Ernst Jakob Henne war nicht nur ein
vielseitiger und erfolgreicher Rennfahrer, der sich durch seine sportlichen
Erfolge den Respekt der Konkurrenz und die Bewunderung der Fans erwarb. Er war
auch ein außerordentlich fairer Sportsmann, der sich auch durch sein Verhalten
abseits der Rennstrecke viele Sympathien erwarb. Ich bin froh, diese
außergewöhnliche Persönlichkeit der BMW Geschichte noch persönlich kennen
gelernt zu haben."
Ernst Jakob Henne wurde am 22.02.1904 als viertes Kind eines Sattlermeisters
in Weiler bei Wangen im Allgäu geboren. 1919 begann er eine Lehre zum
Kraftfahrzeugmechaniker und machte sich als Zweiradmechaniker selbstständig. Am
1. Juli 1923 startete er eher zufällig bei einem Motorradrennen in Mühldorf und
belegte bei seinem ersten Start auf Anhieb den dritten Platz in seiner Klasse.
Im Herbst 1925 hatte er beim Großen Preis von Monza seinen ersten großen
internationalen Auftritt, bei dem er in der 350-ccm-Klasse den sechsten Rang
belegte.
Nach diesem Erfolg unterschrieb er einen Vertrag bei BMW als Werksfahrer.
1926 übernahm er auch die offizielle Vertretung von BMW Motorrädern, ab 1929
wurde er zudem BMW Automobilvertreter der ersten Stunde. Seinen ersten Sieg für
BMW konnte Ernst Henne am 2. Mai 1926 beim Karlsruher Wildparkrennen erringen.
Beim Eifelrennen in diesem Jahr belegte er den Ersten Platz und gewann damit
auch die Deutsche Meisterschaft, die in jenen Jahren noch in einem Rennen
entschieden wurde.
Henne reihte Erfolg an Erfolg. Ende der 20er Jahre galt er als einer der
besten und vielseitigsten Motorradfahrer in Deutschland. Er hatte bei seinen
Renneinsätzen bewiesen, dass er von der Kurz- bis zur Langstrecke, vom Asphalt
bis zur Schotterpiste alle Disziplinen beherrschte. Auf der Suche nach neuen
Herausforderungen nahm er Anfang der 30er Jahre an den Internationalen
Sechstagefahrten teil. 1933, 1934 und 1935 gewann er mit der Nationalmannschaft,
ein reines BMW Team, die Mannschaftswertung.
Foto:
Ernst Jakob Henne auf seiner BMW R 80 G/S, April 1981
Aber Ernst Jakob Henne, dessen sportlicher Ehrgeiz ihn immer wieder an seine
Grenzen trieb, hatte sich noch ein Ziel gesetzt: Er wollte den absoluten
Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder nach Deutschland holen. Als der BMW
Vorstand grünes Licht gab, wurde ein bereits begonnener Kompressormotor fertig
entwickelt. Das Fahrgestell und die Verkleidung entstanden in Hennes eigener
Werkstatt.
Am 19. September 1929 war es soweit: Ernst Henne ging mit einer
750-ccm-Kompressor BMW zum ersten Mal auf die Jagd nach dem Rekord. Der Versuch
glückte auf Anhieb: Acht Weltrekorde überbot Ernst Henne an diesem Tag. Nicht
alle wurden offiziell anerkannt, aber der spektakulärste blieb: Mit über 216
km/h war Ernst Henne der bis dahin schnellste Motorradfahrer der Welt.
Es entbrannte ein Wettstreit mit anderen Fahrern, die Geschwindigkeiten
wurden immer höher. 1932 erreichte Henne in Ungarn 246 km/h, 1935 auf der neuen
Autobahn bei Frankfurt 256 km/h, ein Jahr später mit vollverkleideter Maschine
272 km/h. Wegen der charakteristischen Form taufte der Volksmund Fahrer und
Motorrad bald auf "Henne und das Ei".
1936 schrieb der Rennfahrer auch im Automobilsektor Renngeschichte. Beim
Eifelrennen pilotiert er den ersten BMW 328 Prototyp und gewann nicht nur die
Zwei-Liter-Klasse ohne Kompressor, mit einem Schnitt von 101,5 Kilometern
erzielte er die beste Zeit aller gestarteten Sportwagen.Er gewinnt mit dem BMW
328 noch den belgischen Grand Prix des Frontières in Chimay und den Großen Preis
von Bukarest.
Am Morgen des 28. November 1937 schließlich setzte Henne den Schluss- und
Höhepunkt seiner Karriere: Über den fliegenden Kilometer erreichte er mit dem
"Ei" 279 km/h, auf der Rückfahrt 280 km/h. Danach beendete Ernst Henne seine
Rekordjagd, seine Bestmarke hielt bis 1951.
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Ernst Henne eine Vertragswerkstatt für
Mercedes-Benz Fahrzeuge auf und wurde einer der größten Händler Deutschlands.
Sein Unternehmen ging 1997 in der DaimlerChrysler AG auf. 1991 gründete er zudem
mit einem beträchtlichen Teil seines Vermögens die Ernst-Jakob-Henne-Stiftung.
Aufgabe der Stiftung ist die Unterstützung von Menschen, die schuldlos in Not
geraten sind. Ernst Jakob Henne, der sich in den letzten Jahren immer mehr aus
dem öffentlichen Leben zurückzog, lebte seit 1996 mit seiner zweiten Frau auf
den Kanarischen Inseln, wo er am 22. Februar seinen einhundertsten Geburtstag
feiern konnte.
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