Kategorie: Formel1 13.06.2007
Interview mit BMW Motorsport Direktor Mario Theissen
- Was haben Sie an der Boxenmauer am Sonntag empfunden, als Sie den Unfall
von Robert Kubica sahen?
BMW Motorsport Direktor Mario Theissen: "Bei den ersten Fernsehbildern konnte
ich die Schwere des Unfalls noch nicht einschätzen. Erst als in der Wiederholung
auch der erste Aufprall gezeigt wurde, haben wir alle einen Riesenschreck
bekommen. Ich habe die Rettungsarbeiten am Bildschirm abgewartet und bin dann
ins Medical Center gegangen, um Robert zu sehen. Nachdem dort bereits klar war,
dass er keine erheblichen Verletzungen erlitten hat, bin ich mit dieser
Information zurück zum Team gegangen und habe den Rest des Rennens von der
Boxenmauer aus verfolgt."
- Mit dem Abstand von etwas mehr als zwei Tagen: Wie stolz sind Sie auf Nick
Heidfelds zweiten Platz und die Leistung des Teams?
Theissen: "Ich bin wirklich stolz auf diese Mannschaft. Nick hat diesen
zweiten Platz ja nicht abgestaubt. Alles, was Sonntag passiert ist, ist hinter
ihm passiert. Er ist aus eigener Kraft auf Platz zwei gefahren. Er war einfach
schneller als ein McLaren und schneller als beide Ferrari."
- Podiumsplätze aus eigener Kraft waren das erklärte Saisonziel. Haken Sie
das jetzt ab?
Theissen: "In der Tat zeigt unsere Formkurve nach oben. Nach sechs Rennen
haben wir schon zwei Punkte mehr gesammelt als in der gesamten Saison 2006. Wir
haben unser Saisonziel in Montréal erstmals erreicht. Es war das bisher beste
Einzelresultat für unser Team. Aber es soll nicht der letzte Podiumsplatz
bleiben."
-
Robert Kubica hat schon am Montag klar gesagt, dass er am Wochenende in
Indianapolis fahren will. Was halten Sie davon?
Theissen: "Es ist schön, dass er sich dazu bereit fühlt und keine
Nachwirkungen des Unfalls spürt. Das letzte Wort hat der Chief Medical Officer
nach der Untersuchung am Donnerstag in Indianapolis. Falls Robert nicht fahren
kann, sind wir gerüstet. Aber wir wünschen uns natürlich alle, dass er zum
Einsatz kommt. Am liebsten wäre mir, das Unfallerlebnis verblasst für uns alle
ganz schnell hinter einem guten Rennen."
- Nach dem Grand Prix in Kanada kamen Diskussionen auf, inwieweit die
offensichtlich rettende Sicherheitstechnik aus der Formel 1 in Straßenfahrzeuge
transferiert werden könnte. Gibt es da Ansätze?
Theissen: "Die Anforderungen in der Serie sind anders und auch die
verwendeten Materialien. Aber das Ziel ist das gleiche: Es geht darum, eine
strapazierfähige Passagierzelle zu erzeugen, die von Crash-Elementen umgeben
ist, die gezielt Aufprallenergie abbauen. Bei Serienfahrzeugen spielen
Alltagstauglichkeit, Komfort und Herstellkosten eine Rolle. In der Formel 1 tun
wir das, was technisch möglich ist. Die Fahrgastzelle und Rückhaltesysteme sind
maßgeschneidert auf eine Person. In einem Serienfahrzeug geht es um vier, fünf
oder sogar mehr Personen. Ein Straßenfahrzeug wird in der Regel aus Stahl oder
Aluminium gebaut, das F1-Monocoque besteht aus Kohlefaser. Während
Straßenfahrzeuge eine Knautschzone besitzen, ist die von Crash-Elementen
umgebene Passagierzelle eines Formelfahrzeugs darauf ausgelegt, die im Falle
eines Aufpralles extremen Kräfte zu absorbieren. Formel-1-Fahrzeuge müssen immer
anspruchsvoller werdende Tests der FIA bestehen. Und auch Serienfahrzeuge müssen
eine Vielzahl an Tests überstehen, bevor eine Produktion anläuft."
- Was geschieht jetzt eigentlich mit dem Wrack von Kubicas F1.07?
Theissen: "Das Chassis wird in Hinwil untersucht. Wir versuchen, möglichst
viel vom Unfall nachzuvollziehen. Wir schauen uns das Schadensbild auch genau
auf mögliche Risse im Material an, die tiefer liegen. Solch schwere Einschläge
wie die in Kanada sind kaum zu simulieren. Aber das vorhandene Schadensbild gibt
uns Informationen, um unsere Berechnungen weiter zu verfeinern und künftige
Monocoque-Konstruktionen weiter zu verbessern. Auf jeden Fall ist der Schaden an
Chassis F1.07-07 so groß, dass es nicht mehr im Fahrbetrieb eingesetzt wird.
Falls es überhaupt reparabel ist, dann werden wir es auf dem Prüfstand
verwenden. Wenn es völlig irreparabel ist, wird es verschrottet."
- Und wo bekommt Robert Kubica nun ein neues Auto her?
Theissen: "Wir hatten in Montréal neben dem T-Car noch ein weiteres
Ersatzchassis dabei. Dieses Chassis F1.07-03 wird nun das zweite Rennchassis.
Wir haben mit dem Fahrzeugaufbau bereits am Sonntag in Kanada begonnen, das Auto
wird in Indianapolis fertig gestellt."
Quelle: BMW Presse-Miteilung 13.06.2007
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