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09.06.2007
Gastkommentar: Zulieferer in Not
Die Zulieferer der Automobilindustrie haben große
Probleme. Galten sie vor Jahrzehnten noch als wahre Gewinner des automobilen
Aufschwungs, stehen viele von ihnen heute nach zahlreichen Sparrunden der
Automobilhersteller finanziell ziemlich blank da. Schlechte Eigenkapitaldecke,
minimale Margen stehen steigenden Qualitätserwartungen, Innovationspflicht und
Lieferdruck gegenüber. Dass selbst ehemals große und starke Unternehmen wie
Delphi in die Insolvenz rutschen, obwohl Delphi als ehemalige Tochter von
General Motors auch nach der Abspaltung 1999 langfristige Lieferverträge bekam,
zeigt das dünne Eis, auf dem die Branche steht.
Jüngster Fall in Deutschland sind die
Zahlungsschwierigkeiten der Firma GDX, die in Grafrath vor allem Gummidichtungen
für Fenster und Dichtungen liefert. Liefern soll. Denn die Firma hat die
Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter eingestellt. Um die Produktion nicht zu
gefährden, sind mehrere Hersteller dazu übergegangen, die Zahlungen an die
Mitarbeiter des Zulieferers selbst zu übernehmen. Dass GDX ein
Tochterunternehmen des Hedgefonds Cerberus ist, der gerade Chrysler kauft,
dürfte nichts helfen. Denn dort will man sich die Profite nicht von einem
untergehenden Zulieferer aus der Familie abschmelzen bzw. belasten lassen.
Was so symptomatisch für die Branche ist, hatte einst
mit Kostenkiller Lopez begonnen. Viele Einkäufer auch renommierter Firmen
betrachten die Zulieferer als willfähriges Betätigungsfeld für endlose
Rotstift-Orgien. Obwohl sie selbst die Preise für ihre Produkte Jahr für Jahr
anheben, muten sie den Zulieferern zu, jedes Jahr ein paar Prozent billiger zu
liefern. Dabei auch noch steigende Qualität zu erwarten, ist ganz schön
vermessen.
Dass die Investmentbranche dennoch ausgerechnet an
Zulieferbetrieben großes Interesse zeigt, ist kaum ein Lichtblick für die
betroffenen Unternehmen. Das mutet zuweilen an, als würde sich ein
Bestattungsunternehmen am Krankenpflegedienst beteiligen. Verdient wird immer.
Kaum ein Unternehmen aus dem Kreis der "Heuschrecken" dürfte sein Engagement an
Firmen wirklich als Herzensangelegenheit verstehen. Wenn die Zahlen nicht
stimmen, wird das Investment ziemlich schnell wieder zu Geld gemacht. Und wenn
die Zahlen wieder stimmen, dann meistens auch. Es ist eine andere
Unternehmens(un)kultur entstanden, die nicht mehr unternehmerisches und
nachhaltiges Handeln zur Richtschnur macht, sondern handelt, wie es kurzfristig
der Aktienkurs und die Gewinnmarge vorgeben.
Zurück zu den Zulieferern in Not. Es ist schade, dass
die Autoindustrie erst jetzt zu begreifen scheint, wie wichtig sie auch als
strategischer Partner ist. Natürlich haben das manche Automobilunternehmen schon
immer so gesehen. Die Rotstift-Orgien mancher haben aber in der Branche
insgesamt schwere Schäden angerichtet. Es wird übrigens auch eine zentrale
Aufgabe und Herausforderung des neuen VDA-Präsidenten Matthias Wissmann sein,
das Klima zwischen Herstellern und Zulieferern wieder deutlich aufzuhellen. Es
ist ja nun wahrlich kein normaler Vorgang, wenn die Hersteller erst bei dem
Zulieferer die Preise drücken, um dann die Zahlungen für die Mitarbeiter
übernehmen zu müssen, damit, wie bei GDX, die Autoproduktion weitergehen kann.
Bleibt zu hoffen, dass die Einkäufer der Autoindustrie diese Zusammenhänge nicht
nur verstehen, sondern auch danach handeln.
(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des
Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport)
Von Hans-U. Wiersch
Quelle: ar, 09.06.2007
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