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Kategorie: Wirtschaft 28.08.2008
Gastkommentar: Hintergrund BMW - Fehlzündungen im „Vierzylinder“
von Peter Schwerdtmann
Ergebniswarnung, Risikovorsorge für schlechte Preise, gestrichene Projekte,
Sparprogramme, Reduzierung und Verlagerung von Fertigung und jetzt auch noch der
Alarmruf des Betriebsrats wegen sinkender Produktion und hoher Lagerbestände bei
Händlern in Deutschland: Das sind die Stichworte, mit denen BMW in der jüngsten
Zeit in die Schlagzeilen gerät. Was ist los beim bayerischen
Vorzeigeunternehmen? Stimmt der Eindruck, dass wir aus der „Vierzylinder“
genannten Konzernzentrale am Münchner Petuelring nur noch Fehlzündungen hören?
Zumindest die Absatzzahlen passen nicht zu dieser Einschätzung; denn der
Konzern meldete erst kürzlich mal wieder Rekordzahlen. Mit mehr als 413 000
Fahrzeugen wurden in den ersten beiden Quartalen vier Prozent mehr ausgeliefert
als im gleichen Zeitraum 2007. Doch das Ergebnis nach Steuern verringerte sich
um fast ein Drittel, und die Voraussagen des Managements fürs Gesamtjahr und für
2009 klangen nicht eben ermutigend: Im operativen Geschäft sei man immer noch
gut, aber der Euro-Kurs und die Rohstoffpreise und so weiter… Begründungen und
Ausreden finden sich.
Auch für BMW hat der steigende Kraftstoffpreis die Welt nachdrücklich
verändert. Dazu kommt im Heimatmarkt Deutschland die politisierte Debatte um den
Einfluss des Autos auf das Klima. Gerade die deutschen Premiumhersteller mit
ihren großen und leistungsstarken Fahrzeugen werden hierzulande gern und völlig
undifferenziert als „Klimaschweine“ an den Pranger gestellt.
Hatte man uns denn bisher nicht immer wieder versichert, dass Premiummarken
von solchen Effekten nicht betroffen seien? Die Marken sollten doch so
unüberwindlich stark sein, dass sie auch solche Krisen unbeschadet überstehen -
hier oder anderswo. Offenbar haben sich die Zeiten geändert. Oder haben sich die
Marken verändert?
Erinnern wir uns an die Zeiten, als BMW noch ein deutsch-bayerisches
Unternehmen mit hohen Exportraten war und sich noch nicht als weiß-blauer Global
Player gerierte. Herbert Quandt hatte BMW 1959 vor der Übernahme durch die
Deutsche Bank bewahrt, die die Bayern an Mercedes-Benz durchreichen wollte.
Quandt umgab sich mit Männern, von denen er strategisches Denken, innere
Größe, Stil und Konsequenz erwartete, an der Spitze Hans Graf von der Goltz,
Eberhard von Heusinger und der langjährige (1970 bis 1993).und damit besonders
prägende Vorsitzende des Vorstands der BMW AG Eberhard von Kuenheim. Diese drei
Herren umgaben sich mit exzellenten Mitarbeitern oder Beratern. So wandelte sich
BMW zu einem Unternehmen von hohem Anspruch.
Es war also kein Wunder, dass in der Ära von Kuenheim das Corporate Design zu
einer für Deutschland und Europa ungewohnten Perfektion entwickelt wurde. Dabei
war das Corporate Design nur dar für alle sichtbare Ausdruck einer starken
Unternehmenskultur und einer extrem starken Marke, was untrennbar zusammen
gehört. Ein klares Markenbild mit drei Kernwerten entstand, an denen sich jedes
Produkt und jede Maßnahme messen lassen mussten: Dynamik, Ästhetik und
Technologie.
An dieser Marken-Welt änderte sich wenig, bis unter dem Nachfolger-Duo
Pischetsrieder/Reitzle der erste große Sündenfall geschah. Rover und Rolls Royce
passten nicht zur Münchner Kultur. Trotz des Rover-Debakels konnte BMW noch
lange in sich selbst ruhen; denn das Publikum verzieh den Ausflug in eine
Globalisierungsstrategie. Doch starke Marken verleiten zur Arroganz. Angesichts
eines Stuttgarter Modellprogramm, das in dieser Zeit zum Einschlafen war und des
später dazu kommenden Qualitätsproblem kamen die Münchner nicht auf die Idee,
sich selbst in Frage zu stellen. Auch für Audi hatte man in dieser Phase nur ein
müdes Lächeln übrig. Die würden auch mit noch so viel Motorsport ihr
Hosenträger-Image nicht loswerden, glaubte man.
Der Blick in die Vergangenheit von BMW zeigt, wie schnell Größe scheinbar
unmerklich in Selbstüberschätzung umschlagen kann. Man hat’s nicht mehr nötig,
das Image zu pflegen. Das überlässt man der Werbeabteilung. Dann tauscht man
gern unbequem insistierende, vormals richtungweisende Manager aus und streicht
das Budget für die Außendarstellung zusammen. So wandelt sich vorbildliche
Corporate scheinbar unmerklich zu Corporate Desperation - zum Schaden an der
Marke.
BMW gelang auch ein markentechnisches Bravourstück: Mini hat große
Eigenständigkeit erreicht, obwohl die Marke die Nähe zu BMW nie verlassen hat.
Auf der anderen Seite hat die Marke Mini die Marke BMW nicht heruntergezogen,
und gemeinsam können sich beide an den guten Mini-Verkaufszahlen erfreuen.
Aus der heutigen Sicht erwies sich das englische Abenteuer nicht nur als
teuer, sondern auch als Beginn eines Schlingerkurses. Beispielsweise hatte noch
Wolfgang Reitzle Chris Bangle als Designer zu BMW geholt. Er sollte ein
Fahrzeugdesign entwickeln, dem alle anderen anschließend nur noch
hinterherhecheln sollten. Chris Bangle schuf sein Design mit einer für das Auge
des Betrachters gewöhnungsbedürftigen Formenvielfalt. Heute werden die Modelle
wieder „entbanglet“.
Beim Wasserstoff griffen die Münchner auf eine längst bekannte Technologie
zurück: Sie wollten das Gas im Ottomotor verbrennen und sich nicht der
Brennstoffzelle bedienen. Dabei mussten sie Akzeptieren; dass der Wirkungsgrad
eines solchen Motors sinkt, wenn man Stickoxide vermeiden will. So entschied man
sich beim Wasserstoff-7er „Hydrogen“ für eine ganz und gar BMW-untypische
Leistungseinbuße. Inzwischen hat BMW seine Wasserstofftankstelle am Münchner
Flughafen klammheimlich wieder abgebaut. Es wäre interessant zu wissen, was
inzwischen mit den 100 Hydrogen geworden ist, von denen man viele an Prominenz
aller Couleur übergeben hatte.
Bei Produktnamen versucht man auch heute noch, sich mit eigenen
dreibuchstabigen Abkürzungen vom Wettbewerb zu differenzieren. So entschied sich
zunächst nur BMW für einen anderen Namen des Elektronischen
Stabilitätsprogramms. Aus ESP wurde DSC, und der Kunde musste wieder eine neue
Vokabel lernen. Ähnliches Trotzverhalten attestierten Beobachter BMW auch, als
die Münchner sich der Diesel-Allianz von Audi, Mercedes-Benz und Volkswagen für
die USA entzogen.
Auf dem Genfer Salon dieses Jahres war der BMW-Stand nahezu komplett dem
Thema „Efficient Dynamics“ gewidmet. Ganz anders bei der kurz darauf laufenden
New York International Autoshow. Dort blieb die „Efficient Dynamics“-Modelle im
Hintergrund, und die M-Modelle standen ganz vorn. Wie der Markt es befiehlt?
Kraftstoffverbrauch ist sicher keiner der Kernwerte der Marke BMW, denn jeder
Käufer geht ohnehin davon aus, dass sein Premiumanbieter ihn mit dem jeweils
effizientesten Antrieb bedient. Der Presse hat „Efficient Dynamics“ gefallen,
Markenexperten weniger.
Bei den Produkten herrscht ebenfalls Verwirrung. Da wird ein neues großes
Sports Utility Vehicle mit dem Arbeitstitel BMW X7 angekündigt und verschwindet
bald schon ebenso in der Versenkung wie der geplante große Sportwagen. Da wird
eine Pracht-Niederlassung für 80 Millionen Euro in Berlin geplant und offenbar
kurz nach dem Start „auf den Prüfstand gestellt“. Nun soll sie doch gebaut
werden, aber später.
Mittendrin erlebt BMW einen Generationswechsel. Auch der Chef der
Öffentlichkeitsarbeit, der PR-Guru Richard Gaul, ging in den Ruhestand und
sofort auf Distanz zu seiner alten Firma. Die führenden Rollen haben jetzt
Manager inne, die nicht aus der Automobil-Szene stammen - was an sich nichts
Schlechtes sein muss. Sie sind zumindest bemerkenswert rührig beim
Kultursponsoring, mit Vorliebe bei exotischen und elitären Projekten. Dafür
halten sie sich bei der klassischen Pressearbeit auffällig zurück.
Zum Schlingerkurs kommen noch zahlreiche Ungeschicklichkeiten. So
kommunizierte BMW den Abbau von 8100 Stellen, nicht ohne den Hinweis, 5000 davon
seien nur Leiharbeiter. Das kam draußen als Zynismus gegenüber den sowieso schon
in aller Regel schlecht bezahlten Leihkulis an.
Dann kündigte Reithofer an, er werde das Budget für Forschung und Entwicklung
in den nächsten Jahren um jeweils einen Prozentpunkt verringern. Was für eine
richtungweisende Botschaft für ein HighTech-Unternehmen! Da lässt sich der
Schaden für die Marke auch mit dem Hinweis nicht verhindern, dass man Synergien
suchen werde, um die Effektivität zu steigern.
Zur Zeit laufen die verschiedensten Kooperations-Gespräche. Jeder will mit
jedem. Sogar mit Mercedes-Benz spricht man heutzutage. Mit General Motor und
Fiat arbeitet man schon, und den Mini treiben PSA-Motoren an. Die Aussage dazu
lautete bisher immer, man suche bei den Kooperationen die größere Stückzahl und
damit den kleineren Preis. Auf jeden Fall werde man nicht die Teile mit anderen
entwickeln, die den Charakter der Produkte bestimmen, und alles werde von BMW
extra abgestimmt.
Jetzt sieht es so aus, als könne in Zukunft ein gemeinsamer Motor von
Mercedes-Benz und BMW die Wettbewerber Rolls Royce und Maybach sowie den großen
7er und die S-Klasse antreiben. Wie sagte doch jetzt bei der Vorstellung des
2009er Jahrgangs des BMW 3: „Das M im Namen BMW bedeutet höchste
Motorenkompetenz.“
Motorradmotoren und wer weiß welche Teile noch werden inzwischen schon in
China gefertigt. Auch das passt nicht zum Premium-Image, mit dem die Bayern
Premium-Preise erzielen wollen. Selbst ein Sparprogramm wie „Strategy One“
schadet dem Image. Wenn erst einmal alle Welt weiß, dass man in München den
Mitarbeitern und auch den eigenen Händler, erst recht aber den Lieferanten die
Pistole auf die Brust setzt, schadet das. Man erinnert sich ja noch an Lopez und
Opel und die Folgen für die Qualität.
Das neue Flaggschiff - den 7er - erlebt seine Messepremiere nicht etwa auf
dem Pariser Salon, sondern bezeichnender Weise in diesen Tagen in Moskau. Nahe
am Markt, aber fern von Deutschlands Medien. Das könnte sich als ein weiterer
Ausschlag im Schlingerkurs erweisen.
Die Welt liebt deutsche Autos, weil sie starke Marken führen. Die starke Marke
entsteht aber nicht in Moskau, sondern zunächst durch das Zusammenspiel mit den
Medien in Deutschland. Danach erfolgt der Export des Produkts wie des Images.
Der Erfolg eines Autos, aber auch der eines Unternehmens beginnt mit der
Spiegelung beider in den Medien. BMW sollte sich darauf besinnen, wenn die
Münchner wieder einen klaren, sauberen Kurs steuern.
Quelle: ar, 28.08.2008
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