22.10.2005
Service: Aquaplaning - wenn das Auto schwimmen geht
Das Regenwasser spritzt laut an den Unterboden, die Scheibenwischer haben
Mühe, das Wasser von der Frontscheibe zu bringen. Wer jetzt mit dem Tempo nicht
heruntergeht, geht höchstes Risiko. Verlieren die Reifen erst einmal den Kontakt
zur Fahrbahn, wird es schnell brenzlig, das Auto unter Umständen zum
unkontrollierbaren Geschoss. Experten sprechen von Aquaplaning.
Viele Autofahrer unterschätzen das Unfallrisiko durch Aquaplaning, hat eine
Untersuchung des Unfallforschers Dieter Ellinghaus ergeben. Denn Aquaplaning
trifft nicht nur Raser, die selbst bei Wolkenbrüchen mit 160 km/h über die linke
Spur pflügen. Schon bei wesentlich niedrigeren Geschwindigkeiten schwimmen die
Reifen auf.
In drei Phasen unterteilen die Experten von Reifenhersteller Uniroyal den
Ablauf des Aquaplanings.
Beim BMW Fahrertraining werden auch Aquaplaning-Situationen geübt
Phase 1: Bei niedriger Geschwindigkeit drückt sich das Reifenprofil
durch den Wasserfilm fest auf die Straße. Die Profilrillen führen das Wasser
nach vorne, nach hinten und zur Seite ab. Noch ist der Bodenkontakt völlig
vorhanden.
Phase 2: Nimmt die Geschwindigkeit zu oder steht mehr Wasser auf der
Straße, füllen sich die Profilrillen völlig. Da nun kein Wasser mehr aufgenommen
werden kann, bildet sich vor dem Reifen eine regelrechte Bugwelle. Reduziert der
Fahrer vorsichtig die Geschwindigkeit, kann er Aquaplaning gerade noch
verhindern.
Phase 3: Noch mehr Wasser oder noch höhere Geschwindigkeiten führen
dazu, dass der Wasserkeil den Reifen von der Fahrbahn trennt. Er schiebt sich
immer weiter zwischen Asphalt und Pneu und hebt die gesamte Lauffläche des
Reifens von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug schwimmt auf, fährt regelrecht
Wasserski. Lenken oder Bremsen ist nicht mehr möglich.
Nicht nur die Geschwindigkeit und die Menge des Regens auf der Straße
entscheidet darüber, ob es zum Aquaplaning kommt. Ganz wichtig ist auch, dass
die Autoreifen genügend Profil haben. Reifen können nämlich nur bis zu einem
gewissen Grad das Wasser zwischen Straße und Reifen wegschaffen. Voraussetzung
dafür: viel Profil. Ein VW Golf, mit neuen Reifen ausgerüstet, geriet in einem
Versuch von Uniroyal bei 78 km/h ins Schwimmen. Unter gleichen
Versuchsbedingungen, jedoch mit einem Restprofil von 1,6 Millimetern, schwamm
der Golf schon bei 62 km/h unlenkbar auf der Straße. Wohlgemerkt: Bei 1,6
Millimeter Profiltiefe handelt es sich noch nicht um abgefahrene Reifen,
jedenfalls nicht in den Augen des Gesetzgeber.
Übrigens verstärken abgenutzte Stoßdämpfer den Aufschwimmeffekt erheblich.
Bis zu 16 km/h früher als mit funktionstüchtigen Stoßdämpfern verlieren die
Reifen den Kontakt zur Fahrbahn.
Fuß vom Gas heißt eine eiserne Regel bei Regen. Die zweite: Behalten Sie die
Straße genau im Auge. Aquaplaning-Fallen lassen sich nämlich erkennen: In
Vertiefungen in der Fahrbahn steht das Wasser ebenso wie in Spurrillen.
Gefährlich sind auch besonders breite Straßen, auf denen das Wasser lange
braucht, um abzulaufen. Ebenso lauert erhöhtes Aquaplaning-Risiko in S-Kurven im
Bereich des Übergangs zwischen den beiden Kurven.
Es gibt jedoch noch weitere Indizien für zuviel Wasser auf der Straße: das
Autolicht reflektiert bei Nacht kaum. Auch wenn ein vorausfahrendes Auto keine
Spuren hinterlässt, herrscht Alarmstufe. Denn dies bedeutet: die Spuren laufen
blitzschnell mit Wasser voll.
Wenn folgende Anzeichen auftreten, ist schon fast alles zu spät: Bei einem
frontgetriebenen Auto heult der Motor plötzlich auf, ohne dass der Fahrer mehr
Gas gegeben hat. Die Vorderräder haben den Fahrbahnkontakt verloren und drehen
wie auf Glatteis durch. Bei an den Hinterräder angetriebenen Fahrzeuge sind die
ersten Anzeichen schwerer zu erkennen, denn die nicht angetriebenen Vorderräder
werden sozusagen in die Wasserfalle geschoben. Ein verändertes Abrollgeräusch
sowie ein Ziehen und Zerren am Lenkrad sind die einzigen Hinweise auf die
drohende Gefahr.
Wenn Sie in die Wasserfalle hingefahren sind, hilft nur eins: Sofort runter
vom Gas, die Kupplung treten, sanft abbremsen. Und vor allem: die Lenkung in
Geradeausstellung festhalten. Auf keinen Fall wild am Lenkrad herumkurbeln; denn
sonst stellt sich das Fahrzeug in dem Moment quer, wenn die Reifen wieder
Kontakt zur Fahrbahn bekommen, und gerät möglicherweise ins Schleudern. Einen
Vorteil haben alle die Fahrer, deren Auto mit ESP ausgerüstet ist: Das
Elektronische Stabilitäts-Programm bremst von sich aus das Fahrzeug sanft
herunter, wenn die Reifen durchdrehen.
Ein Tipp für alle Autofahrer, deren Reifen unterschiedlich stark abgefahren
sind: Spätestens dann, wenn sich das Profil der Vier-Millimeter-Grenze nähert,
gehören die Reifen mit dem besten Profil immer an die Hinterachse. Unabhängig
davon, ob es sich um einen Front- oder einen Hecktriebler handelt. Grund:
Während sich der Verlust der Bodenhaftung an der Vorderachse vom Fahrer mit
einiger Übung noch abfangen lässt, hat er praktisch keine Chance mehr, wenn die
Hinterräder den Kontakt zur Fahrbahn verloren haben. Die setzen dann nämlich
recht schnell zum Überholen an.
Von Klaus Justen
Quelle: ar
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