Kategorie: Fahrbericht BMW-Modellreihe: E90 10.09.2008
King of its class – BMW 3er Facelift, Fahrbericht
Von Mario-Roman Lambrecht
Es ist schon hart, wenn man die Wahl hat. Ganz speziell wenn es sich um das
Facelift des neuen 3er BMW handelt. Zur Linken kündigt sich der neue 330d mit
245 PS an. Ein komplett neuer Motor mit Option auf Euro 6. Zur Rechten das
Aggregat, das Männern die freudige Effizienz zweier Aufwärts-Kurven auf die
Lippen bringt, der 335i.
Schweren Herzens geht die Wahl in Richtung des Bi-Turbo Benziners. Und natürlich
nur, weil die Farbe Bluewater metallic nagelneu ist. Wer will schon mit einem
306 PS starken Twin-Turbo durch die kurvigen Bayern-Landstraßen umherziehen?
Knappe Antwort: Ich!
Effizienz − das ist das Wort, das zurzeit häufig mit BMW in Verbindung gebracht
wird, genauer gesagt Efficent Dynamics. Ökologisches Ballern in Zeiten der
CO₂-Verpestung ist in, zumindest soll es das Gewissen beruhigen.
Die unweltschonende Effizienz und meiner Einer stehen allerdings ordentlich auf
Kriegsfuß. Mein Gasfuß beherrscht das konkret dynamische Fahren auf höchst
ineffizienten Level absolut einwandfrei. Was gut klingt, das soll auch gefordert
werden, und zwar brüllend.
Die Konkurrenz schläft nicht
Doch kommen wir erst einmal zu den wichtigsten Fakten. Das neue Facelift lässt
den Dreier frischer denn je ausschauen. Das hatte er auch bitter nötig, so wie
die Konkurrenz derzeit Gas gibt. Mercedes hat mit der aktuellen C-Klasse
ordentlich Bügelfalten in die Karosserie gehämmert und auch der Audi A4 lässt
sich mit aggressiver Kriegsbeleuchtung und gierigem Grillschlund ungern von der
linken Spur schubsen.
Der Dreier wirkt erwachsener und durchtrainierter in seiner Linienform. Von
seinem Vorgänger ist er deutlich zu unterscheiden. In der Frontalen gibt sich
die neue Motohaube durch ihre pfeilförmige Linienführung (BMW-Deutsch:
Charakterlinien) dynamischer denn je. Sie zieht sich durch die niedriger
angesetzte Niere und endet schließlich in der sportlich breit betonten
Frontschürze zum finalen Effizienz-Drang auf der linken Spur.
Die stärker heraus modellierten dynamischen Aufwärtsschwünge, die sich von
unterhalb und oberhalb des mittleren Lufteinlasses bis in die Seiten ziehen,
unterstützen den besonderen Charakter.
Der mittlere Einlass wurde nochmals vergrößert. Die neu akzentuierten
Doppelrund-Scheinwerfer mit ihrem „Augenringe-Corona-Tag- Fahrlicht“ fordern
Linksspur-Blocker auf, unverzüglich die Spur zu wechseln.
Die Seitenlinie trägt einiges zur reiferen Silhouette bei. Die Designelemente
wurden so gesetzt, dass der Dreier wesentlich gestreckter wirkt. Die Motorhaube
erscheint länger gezogen, die Gesamtpräsentation wirkt flacher und sportlicher.
Das Heck wird durch große zweigeteilte LED-Rückleuchten dominiert. Laut
Hersteller sollen sie L-förmig sein. In diesem Fall aber bekenne ich mich gern
zum Analphabeten, denn das L sieht für mich eher wie ein schick designtes V aus.
Der visuelle Weg geht bei den Rückleuchten wieder eindeutig in Richtung des E46
und das darf als großes Lob angesehen werden. Je nach Motorisierung steht auch
eine Spurverbreiterung von bis zu 24 mm an.
Besonders im Zusammenspiel mit den Endrohren des 335i ergibt sich hier ein
symmetrischer Leckerbissen, der zu einem gelungenen Abschluss führt. Wer genau
hinschaut, mag sogar ein kleines hämisches „Fang mich doch“-Grinsen in der
Kofferraumlinie erkennen. Bei soviel Feinarbeit sei es ihm gegönnt.
Das I-Phone singt, das I-Drive flitzt
Auch im Innenraum wurde noch mal aufgewertet, was aufzuwerten geht. Dass sich
die Haptik bei BMW auf höchstem Level bewegt, versteht sich von selbst.
Bedienelemente wurden mit mattiertem Chrom versehen.
Die Chronoskalierung wurde verfeinert, die Mittekonsole mit mehr Stauraum
versehen und „Yippie Yippie Yeah Yippie Yeah“, mein I-Phone wird jetzt auch bei
BMW endlich vollständig und ohne irgendwelches Murren als Telefon und I-Pod
erkannt. Dem Krawall und Remmi Demmi steht somit also nichts mehr im Weg.
Doch das absolute Highlight beherbergt die Mittelkonsole. Das I-Drive wurde
endlich überarbeitet. Wie habe ich es gehasst! Gut und gerne tausend Flüche
wurden allein von mir auf dieses undurchdachte und viel zu langsame „Dreh-und-Drück-Rädchen“
übertragen.
Irgendein Fluch muss gewirkt haben, denn nun gibt es die wichtigsten Funktionen
direkt per Knopfdruck in Fingernähe des Drehknopfs. Zudem sorgt eine
leistungsstärkere Hardware für eine gefühlte Warp-10-Geschwindigkeitssteigerung
auf dem hochauflösenden 8,8 Zoll Display. Danke BMW, das war schon lange nötig.
Per Flatrate zum mobilen Internet-Junkie
Das war aber noch nicht alles. Per Edge-Geschwindigkeit geht es ab ins Internet.
Der Browser lässt sich erstaunlich gut bedienen. Mit etwas technischem Geschick
vergehen keine zwei Minuten bis „Mann“ das System verstanden hat. Eine 80 GB
große Festplatte sorgt für einen schnellen Zugriff auf das digital aufbereitete
Kartenmaterial und lässt sich zudem noch mit Musik bis zum Abwinken füllen.
Bleibt noch zu erwähnen, dass der Spaß geschmeidige 3.970 Euro (Navi
Professional mit Bluetooth Schnittstelle) kostet. Dazu kommt noch eine
monatliche Gebühr für die „Flatrate“. Das ist BMW-Optimismus wie man ihn kennt.
Wer zu denen gehört, die immer noch nicht verstanden haben, warum BMW den Dreier
offen und direkt als Premium-Produkt präsentiert, sollte es nun auch endlich
gecheckt haben.
Kann Reihe Sünde sein?
Über den 225 kW/306 PS starken Reihensechszylinder braucht man eigentlich nicht
mehr viel zu sagen. High Precision Injektion, Aluminium-Kurbelgehäuse und
Twin-Turbo-Aufladung, das hört sich schon ohne direkte Daten herrlich an.
Die „Engine of the Year 2007“ hat nicht einmal ansatzweise ein Problem mit den
1,6 Tonnen Leergewicht der Limousine. Dafür sorgt die Kombination aus drei Liter
Hubraum und zwei Turboladern, die jeweils 3 Zylinder mit komprimierter Luft
versorgen. Das Trägheitsmoment, auch Turboloch genannt, löst sich quasi in Luft
auf.
Und so kommen wir wieder auf die bereits erwähnte Efficient Dynamics zurück. Auf
dem Papier gibt BMW den Verbrauch mit äußerst moderaten 9,1 Litern an. Das
sollte durchaus zu schaffen sein, wenn man mit Feder-Fuß unterwegs ist und sich
brav und penibel an jeden vorgeschlagenen Schaltvorgang im Digitaldisplay hält.
In der Realität gibt sich der Benziner dennoch äußert gelassen beim „Süffeln“.
12 bis 13 Liter sind die Regel und das ist ein Wert, bei dem kaum ein Hersteller
in der gleichen PS-Klasse mithalten kann, schon gar nicht mit einem Twin-Turbo
im Gepäck.
Wenn das Roadbook der Presseveranstaltung eine so spaßträchtige Strecke mit
engen Kurven, Steigungen und schnellen Geraden anbietet, dann muss einfach
geballert werden. Dazu kommt das straffe aber dennoch sehr komfortable Fahrwerk,
das sich kaum Schwächen leistet. Heckgetrieben zaubert der BMW 335i Tempo 100 in
5,6 Sekunden auf den Tacho. Schluss ist erst bei traditionell abgeriegelten 250
km/h.
Die Gänge flutschen zackig und ohne zu murren durch das Getriebe. Die prompte
Gasanahme ist ein Genuss und lässt sich präzise dirigieren. Direkt und mit viel
Feedback gibt die Lenkung die Straße an den Fahrer weiter. Bei forschen
Fahrmanövern oder Lenkfehlern reagiert die Elektronik prompt, aber dennoch
sanft.
Wer mehr Fahrspaß riskieren will, deaktiviert in zwei Stufen die Elektronik.
Auch in diesem Zustand präsentiert sich der Dreier mit einem überaus
spurfreundlichen und neutralen Fahrwerk. Es gehört schon eine gewisse
Provokation dazu, den BMW bewusst zum Wedeln zu bringen.
Insgesamt kann man es nicht anders sagen, BMW hat viel verbessert und leistet
sich dabei kaum eine Schwäche. Dennoch eine kleine Kritik zum Schluss. Die Run
Flat-Reifen rollen spürbar härter ab. Daran gewöhnt man sich zwar sehr schnell,
aber das Abrollgeräusch ist auf älterem Asphalt nicht zu überhören.
Dass der Twin-Turbo viel Sound vom R6 schluckt sind Turbo-Fans gewohnt. Ehrlich,
es fällt einem sehr schwer, hier echte Kritik auf den Tisch zu bringen. Der
vorgestellte 335i bringt alles mit, was Spaß macht.
Fazit: Ein Auto für ewig Junggebliebene
BMW hat mit dem Dreier viele Kundenwünsche erhört. Er ist dynamischer denn je
und gibt sich dabei gewohnt lässig im Alltag. Schwächen lassen sich kaum
ausmachen. Der neue Dreier ist nach wie vor die beste Lösung für einen Mix aus
Alltagstauglichkeit und Freude bringender Fahrdynamik auf höchstem Niveau.
Das I-Drive ist endlich mal gelungen, das Fahrwerk ist ausgewogen und die
Motorenpalette verspricht auch in der kleinsten Motorisierung „Freude am
Fahren“. Somit sollte es BMW trotz der nicht untätigen Konkurrenz gelingen,
weiterhin die Spitzenposition im Premium-Segment für sich zu beanspruchen.
Text + Fotos: Mario-Roman Lambrecht
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