Kategorie: 7er BMW-Modellreihe: E65 18.11.2006
Gastkommentar: Wasserstoffkapriolen gegen den Rest der Welt
Es ist wunderbar, von einer emissionsfreien Autowelt zu träumen, in der
Wasserstoff die Herrschaft übernommen hat. Wasserstoff ist im Weltraum in
unbegrenzten Mengen verfügbar doch niemand weiß, wie man ihn von dort
herunterholt. Trotz des deutschen Papstes haben wir noch immer keine direkte
Verbindung in den Himmel. Also muss Wasserstoff mit "regenerativen Energien"
durch Elektrolyse aus Wasser hergestellt werden. Aber mit welchen
"Regenerativen", die auch noch preiswert sein sollen?
Der geneigte Leser möge sich ansehen, was die Windmüller ("Geldmüller") als
Einspeisungsvergütung für ihren Strom erhalten. Das BMFT (Bundesministerium für
Forschung und Technologie) hatte 1974 errechnet, dass die Umstellung auf eine
"Wasserstoffwirtschaft" die rund sechsfache Kraftwerkskapazität des damaligen
Standes erforderte. Dabei war die Kernenergie vor 32 Jahren noch nicht in
Ungnade gefallen. Heute macht man Wasserstoff vorwiegend aus Erdgas, das ist
viel billiger. Aber war da nicht etwas mit zu Ende gehenden fossilen
Energieträgern? Mit Kostenexplosionen und unsicheren Lieferungen? Und mit
Kohlendioxid, das wir angeblich vermeiden sollen?
BMW Hydrogen 7 mit Wasserstoffantrieb
Solche kleinlichen Bedenken werden von den Verfechtern des
Wasserstoff-Autoantriebs vom Tisch gewischt. Für sie hat die Wasserstoffwelt
schon längst begonnen, obwohl die Forschung nach geeigneten Antrieben den
Kinderschuhen noch längst nicht entwachsen ist. Den einfachsten Weg wählte BMW,
das seinen 6-Liter-V12 für Wasserstoffbetrieb herrichtete und stolz berichtet,
er könne serienmäßig gefertigt werden, was wir gern glauben. Dazu senkte man die
Verdichtung von 11,3:1 auf 9,5:1 und die Leistung von 327 kW (445 PS) auf 191 kW
(260 PS).
Nur zum Vergleich: Der prächtige Dreiliter-Diesel von BMW mit den beiden
Abgasturboladern leistet 200 kW (272 PS). Zusammen mit anderen Maßnahmen konnte
durch Absenken der Verdichtung beim Wasserstoff-V12 die Bildung von Stickoxid
weitgehend vermieden werden. Dass dabei auch der beim Verbrennungsmotor heute
erreichte Wirkungsgrad auf der Strecke bleibt, spielt keine Rolle. Hauptsache
ist, das Fahrzeug kann mit Wasserstoff betrieben werden. Gibt es in der Nähe
keinen, schaltet die Elektronik selbsttätig auf Benzinbetrieb um. Mit dem 74
Liter fassenden Benzintank ist dann "unbegrenzte Mobilität" möglich.
Während die Brennstoffzellenfraktion zurzeit mit auf 700 bar verdichtetem,
gasförmigem Wasserstoff arbeitet, wählte BMW wegen der höheren Energiedichte
flüssigen Wasserstoff, der freilich nur bis minus 254 Grad Celsius flüssig
bleibt, bei steigender Temperatur aber verdampft. BMW weist stolz darauf hin,
dass der vakuumisolierte Wasserstofftank ein Ausdampfen des Wasserstoffs erst
nach 17 Stunden nicht mehr verhindern kann. Ein zur Hälfte gefüllter
Wasserstofftank entleert sich freilich nach 9 Tagen so weit, dass der Wagen noch
20 Kilometer zur nächsten Wasserstofftankstelle, wenn vorhanden, fahren kann.
Aber mit Benzin geht es ja auch. Also keine Furcht davor, rettungslos liegen zu
bleiben, wenn man das Auto 14 Tage lang nicht braucht.
Der
Tank für etwa 7,8 Kilogramm Wasserstoff füllt übrigens den Gepäckraum so weit
aus, dass noch ein nutzbares Volumen von 225 Liter Inhalt übrig bleibt, etwas
weniger als beim VW Polo. Ohne jeden Zweifel ist der von BMW gewählte Weg der
weitaus kürzere und bequemere, wenn es lediglich darum geht, "auch" mit
Wasserstoff fahren zu können. Beim Betrieb "nur" mit Wasserstoff wird es schon
schwieriger, weil dazu nicht nur der Rest des Gepäckraums geopfert werden
müsste, sondern möglicherweise auch ein Teil der Kabine.
Alle übrigen Probleme des Wasserstoffs lassen wir hier unter den Tisch
fallen, denn Wasserstoff als leichtestes Element im Periodensystem ist auch mit
Abstand am schwierigsten zu beherrschen. Das wussten die Verfahrensingenieure
schon vor annähernd 100 Jahren, weil der Stahl ihrer Hochdruckkolonnen für den
Wasserstoff keine entscheidende Behinderung darstellte, ins Freie zu dringen.
Dabei nahm er aus dem Stahl auch gleich den Kohlenstoff mit, sodass der Stahl
versprödete und ausgewechselt werden musste.
Etwas weiter ist man zwar heute durchaus, aber Wasserstoff ist etwa in puncto
Transport und beim täglichen Umgang vom Dieselkraftstoff und seiner Gutmütigkeit
um Welten entfernt, die sich auch durch teuerste Technik nicht überwinden
lassen. Das wissen auch die Wasserstoff-Protagonisten ganz genau, aber sie
wollen ja in den Augen von Öffentlichkeit und unwissenden Politikern als brave
Jungs dastehen, zumal sich die Säcke mit Fördergeldern nur dann öffnen.
Dass es auch andere, weitaus realistischere Aussagen gibt, war kürzlich in
Wolfsburg zu hören. VW-Forscher Wolfgang Steiger hält den Sprung bei der
Abgasentgiftung von den Schadstoffgrenzwerten der Euro 2 zu denen der Euro 3 für
größer als den von der Euro 4 zum Wasserstoffauto. Wenn im Jahr 2020
synthetischer Dieselkraftstoff BTL, GTL, CTL flächendeckend zur Verfügung steht
und sich die homogene Verbrennung praktisch ohne Schadstoffe im Abgas
durchgesetzt hat, wäre es sehr fraglich, ob der Wasserstoffantrieb dagegen eine
Chance hat.
Bei Sunfuel, synthetischem Dieselkraftstoff aus Biomasse (BTL), wäre das
Abgasproblem ohnehin gelöst, weil auch der Kohlendioxid-Kreislauf geschlossen
wird. Dann wird es sich zeigen, welches System preiswerter angeboten werden kann
und die bessere Alltagstauglichkeit besitzt. Vielleicht wäre dann auch das
Elektroauto schon so weit, dass es den Verbrennungsmotor in Teilbereichen
ablösen könnte.
Allerdings müssten die Batterien etwa die dreifache Leistungsdichte heutiger
Lithium-Ionenbatterien aufweisen, die derzeit für die Verwendung im Auto
entwickelt werden. Erst das Elektroauto kann als völlig emissionsfrei bezeichnet
werden wenn eine preiswerte (!), emissionsfreie Herstellung elektrischen Strom
in ausreichenden Mengen zur Verfügung stellt.
Den gleichen Zeitrahmen wie VW für erste kleine Serien von
Brennstoffzellenautos sieht auch Toyota. Auch wenn das Unternehmen derzeit 28
Brennstoffzellenautos zum Teil in Kalifornien, zum anderen in Japan laufen hat,
ist man sich doch der Serienferne voll bewusst. Wichtig ist, dass hier extrem
unterschiedliche Systeme miteinander konkurrieren und niemand sagen kann, was
sich letztlich durchsetzen wird. Die größten Chancen geben wir der Erfindung
Rudolf Diesels, denn die hat noch ein enormes Entwicklungspotenzial und ist
völlig mit der heutigen Infrastruktur der Kraftstoffverteilung zufrieden, wobei
Dieselkraftstoff für den Alltagsgebrauch die höchste Sicherheit und den höchsten
Energiegehalt
bietet.
(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes
PS-Automobilreport)
Quelle: ar vom 18.11.2006
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