Kategorie: Formel1 07.08.2009
Gastkommentar BMW Formel 1 Ausstieg: Kluge Entscheidung
Diese Nachricht hätte niemand erwartet. Nicht einmal die Betroffenen im
Formel-1-Rennstall von BMW Sauber. Die Entscheidung zum Ausstieg hat viele
Ursachen, viel mehr jedenfalls als die eindimensionale Begründung einer neuen
strategischen Ausrichtung des Konzerns, denn BMW hat sich mit EfficientDynamics
und der Modellpolitik schon lange auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Diese
Begründung hätte vielleicht vor drei Jahren ihre Berechtigung gehabt. Jetzt
wirkt das Argument nicht wie eine Begründung, sondern klingt eher wie eine
Erklärung, mit der alle leben können, ohne das Gesicht zu verlieren.
Ganz klar: Der Ausstieg von BMW ist eine kluge Entscheidung. Und wenn jetzt
das Wehklagen der FIA und der Funktionäre noch so groß ist: Sie haben mit Schuld
an dieser Entwicklung. Das Gerangel um Regeln, Limitierungen und Kostendämpfung
hat genervt. Die Herren Funktionäre haben ihre teils kleinkarierte Machtpolitik
für wichtiger gehalten als den Sport. Wahrscheinlich musste BMW-Teamchef Mario
Theissen jeden Tag seinen Vorstand anrufen und von neuen Entwicklungen
berichten. Das Gezerre und die Manpower, die damit vergeudet wurde, kosteten
ebenfalls Zeit und Geld. Und vor allem Nerven.
Dazu kam, dass BMW auf den Rennstrecken einen Durchhänger hat. Das allein
hätte aber sicher nicht zum Ausstieg geführt, wären nicht die Querelen rund um
die Formel 1 dermaßen in den Vordergrund gerückt. Neben der Abarbeitung des
politischen Hickhacks auch noch Rennwagen zu entwickeln, ist eine
Herkulesaufgabe, die kaum zu bewältigen ist. Es ist kein Zufall, dass jene Teams
jetzt vorne fahren, die sich aus der Politik ziemlich herausgehalten und den
Funktionären gegenüber keinen oder kaum Widerstand geleistet haben.
Wie soll ein Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern Sparprogramme
durchsetzen, seinen Aktionären die Dividende kürzen und dem Aufsichtsrat
gegenüber vertreten, dass Formel-1-Millionen nötig sind, um die Marke
voranzubringen? Das ist auf Dauer schlicht nicht vermittelbar. Dazu kommt das
nachlassende Interesse an der Formel 1, die Einschaltquoten im Fernsehen sind in
Deutschland nach Schumachers (erstem Abschied) in den Keller gegangen und haben
sich nicht wieder erholt. Also auch der Werbewert der Formel 1 lässt die hohen
Ausgaben nicht mehr als richtig erscheinen. BMW hat die Konsequenzen aus allen
Parametern gezogen und ist für sich zur Entscheidung des Ausstiegs gekommen. Das
muss man nicht nur respektieren, sondern bei allem Bedauern sogar als mutig
bezeichnen.
Was werden die anderen Rennställe machen? – Auch dort werden mit Sicherheit
Ausstiegsszenarien durchgerechnet. Mercedes hätte sich längst verabschiedet,
wäre von die FIA vor ein paar Monaten wegen der sogenannten Lügenaffäre eine
hohe Strafe gegen das Team ausgesprochen worden. Auch das Mercedes-Team steht
unter Erfolgsdruck und der Mercedes-Vorstand unter dem Druck der Kosten – und
des Betriebsrates, der einen Ausstieg fordert. Wie lange Dieter Zetsche das
durchhalten kann, wird sicher auch vom Fortgang der Saison bestimmt, die mit dem
Sieg Hamiltons im letzten Rennen durchaus erfolgreich verlaufen kann.
Und grundsätzlich kann sich Mercedes einen Ausstieg aus der Formel 1 weniger
leisten als alle anderen Teams. Zu glorreich ist die Vergangenheit der
Silberpfeile, und immerhin ist ein Mercedes-Fahrer aktueller Weltmeister in der
Formel 1. So gesehen hätte Mercedes nach dem Ende der letzten Saison aussteigen
müssen. Insofern ist Mercedes nicht eindeutig mit BMW vergleichbar. Auch Toyota
bekräftigt, weiter Formel 1 fahren zu wollen. Wie es in den anderen Rennställen
aussieht, lässt sich grundsätzlich auf einen Nenner bringen: Die
Wirtschaftskrise zeigt ihre Spuren, Sponsoren zeigen ihr Desinteresse, Geld wird
immer knapper. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Formel 1 neu zu
erfinden.
Quelle: ar/automobilreport.com/Hans-U. Wiersch
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