17.05.2005
BMW nutzt Prinzipien der Bionik zur Entwicklung von Fahrzeugen
ein Joint Venture mit der Natur
München. ,Bionik' ist ein facettenreiches Kunstwort und setzt sich aus
den Begriffen Biologie und Technik zusammen. Sie ist ein interdisziplinärer
Forschungszweig, der sich mit technischen Umsetzungen von Konstruktions-,
Verfahrens- und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme befasst. Im Grunde
ist aber vor allem der Begriff neu, nicht die Verfahrensweise. Schon im 16.
Jahrhundert hat Leonardo da Vinci seine Erkenntnisse über den Vogelflug auf
Experimente mit Schlagflügeln übertragen. Ebenso hat sich Antonio Gaudi an
natürliche Vorbilder bei der Planung und dem Bau der berühmten Sagrada Familia
in Barcelona vor über 120 Jahren angelehnt. Hier standen Baumstrukturen und
Ammoniten Pate für gewaltige Turm- und Säulenkonstruktionen.
BMW Spezialisten nutzen Grundlehren aus der Bionik.
Auch in der Entwicklung von Fahrzeugen bieten Methoden und Denkansätze aus
der Bionik großes Potenzial für Verbesserungen. Deshalb werden Sie von BMW
Spezialisten bei der Gestaltung von Formen oder der Auswahl von Materialien
genutzt. Beispiel Karosseriegestaltung: BMW setzt hier seit Jahren Erkenntnisse
aus der Bionik mit technischer Raffinesse in der Gestaltung und Werkstoffauswahl
um. Denn einen einzigen idealen Universalwerkstoff und die perfekte
Einheitsstruktur gibt es nicht. Die Herausforderung liegt im Finden des "bestgeeignetsten"
Werkstoffmix und der Form, passend zum Charakter des Automobils. Erst eine
perfekt zugeschnittene Lösung samt sicherer Verfahrenstechnik schafft
Präzisionskarosserien, die leicht und zugleich widerstandsfähig sind.
Intelligenter Leichtbau - konstruktiv und materialseitig - ist hier der
Schlüssel für sichere, dynamische Automobile mit effizienter Kraftstoffausbeute.
Prof. Dr. Burkhard Göschel, Mitglied des Vorstands der BMW AG: "Bionische
Denkweisen bereichern und ergänzen klassische Konstruktionsmethoden. Deshalb
nutzen wir sie bei BMW gezielt. Mit ihnen lassen sich Effizienzpotentiale im
Produktentstehungsprozess erschließen. Werkstoffe und Bauteile sind mit Hilfe
evolutionsähnlicher Prinzipien verbesserbar. Die Beispiele hierfür sind
zahlreich: Im Zuge intelligenten Leichtbaus bedeutet weniger Gewicht mehr
Dynamik und weniger Verbrauch. Beim aktuellen BMW 5er und dem neuen BMW 3er
haben wir die Gewichtsspirale durchbrechen können: trotz deutlich mehr Komfort-
und Sicherheitsausstattungen wurde das Gesamtgewicht nicht erhöht, beim BMW 5er
sogar um über 40 Kilogramm reduziert."
"Keine fertigen Blaupausen."
Bionik im heute verwendeten Sinn bedeutet, dass alles, auch komplexeste
Natur-Prinzipien grundsätzlich in die Welt der technischen Forschung und
Entwicklung übertragbar sind. Machte man in den Anfängen dieser Lehre noch den
Fehler, überall in der Natur unmittelbare Bauanleitungen für technische
Fragestellungen zu vermuten, wuchs schnell die Einsicht, dass die Natur keine
fertigen Blaupausen liefert.
Bionik bedeutet nicht ein reines Kopieren der Natur. Es ist vielmehr Lernen
von der Natur und abgeleitetes eigenständiges Gestalten. So gelingt es heute
immer mehr natürliche Prinzipien zu begreifen und sie technisch intelligent
umzusetzen. Der interdisziplinäre Dialog zwischen Ingenieuren und Biologen ist
hierbei ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche und effiziente technische
Realisierung des "Rezepts von Mutter Natur". Dabei werden Evolutionsprinzipien
auch als Grundlage für computergestützte Optimierungsverfahren im Fahrzeug- und
Antriebsbau verwendet.
Immenses Innovationspotential.
Sind die biologischen Anleitungen erkannt und die abstrahierten Prinzipien
verstanden, dann sind mögliche technische Anwendungen vielfältig - eine
Erkenntnis, die auch in den Forschungsabteilungen von Unternehmen immer mehr
Beachtung findet. Beispiel Oberflächen: die Selbstreinigung nach dem Vorbild der
Lotuspflanze (Lotus-Effekt®) kann auf unterschiedlichste Art genutzt werden wie
in Fassadenfarben, auf Dachziegeln oder in Textilien, aber auch eine Nutzung für
Fahrzeug-Oberflächen wird erprobt.
Intelligenter Leichtbau - Natur als Lehrmeister.
Eine universale Patentlösung für konstruktiv und wirtschaftlich effizienten
sowie ökologisch sinnvollen Leichtbau gibt es nicht. Experten untersuchen und
entwickeln deshalb zielgerichtet über mehrere Schritte für jedes Bauteilprojekt
das passende Materialkonzept. Im Mittelpunkt des Interesses der Spezialisten:
Gewichts- und damit Energieeinsparpotenziale, verbunden mit konstruktiven und
funktionalen Vorteilen. Letzteres kommt unmittelbar dem Kunden zu Gute, da
Fahrdynamik, Agilität und Verbrauch des Fahrzeugs durch geeignete
Materialauswahl direkt beeinflusst werden. Öko-Bilanzierungen führen hier
ergänzend zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Werkstoffe und damit
schlüssigen Materialkonzepten.
Die beste Wahl finden - leichte Werkstoffe mit "weniger ist mehr"- Ansatz.
Stahl ist seit der Erfindung des Automobils der metallische Werkstoff Nummer
Eins. Es lässt sich gut verarbeiten und kann fast ohne Qualitätsverlust wieder
verwendet werden. Spezielle Legierungen verfügen über bisher unerreichte
Festigkeit und Härte mit hervorragender Verschleißfestigkeit. Seine hohe Dichte
bedeutet in vielen Anwendungsfällen jedoch ein relativ hohes Gewicht.
Natürliche Hohlstrukturen - mit Hochdruck nachgebaut.
In der Natur finden sich vielerorts gewachsene, hochkomplexe Hohlraumgebilde,
die leicht, flexibel und gleichzeitig widerstandsfähig sind. Das entspricht
genau den Eigenschaften, die auch im Automobilbau gefragt sind. Die Hohlstruktur
von Vogelfederholmen oder die kunstvoll geschwungenen Körperstrukturen von
Krebs- und Spinnentieren sind natürliche Vorbilder mit interessantem
Funktionsprofil. Sie sind robust, leicht und zugleich flexibel. Oft aus einem
Stück "gefertigt", kann hier bei Bedarf viel Energie absorbiert werden. Damit
sind sie ideal auf ihren Einsatzzweck ausgerichtet.
Solche Funktionsprofile haben BMW Spezialisten mit Hilfe der ausgefeilten
Verfahrenstechnik "Innenhochdruck-Umformung" für die Fahrwerksgestaltung
effizient erschlossen. Bei Hinterachsen wird das Innenhochdruck-Umformverfahren
(IHU) angewandt. Dabei werden metallische Rohre zunächst gebogen und
anschließend in ein Umformwerkzeug eingelegt. An beiden Rohrenden wird dann
unter hohem Druck ein Hydraulikfluid oder Luft eingepresst, so dass das Metall
die Kontur des Werkzeugs annimmt. In den Rohren entsteht dabei der enorme Druck
von bis zu 2.400 bar. Diese Fertigungstechnik ermöglicht Bauteilgeometrien, die
den im Unterboden vorhandenen Bauraum hinsichtlich Steifigkeit und Festigkeit
der Achsen optimal nutzt und dabei noch Gewicht spart. IHU-Teile in dieser
komplexen Form werden bisher nur bei BMW gefertigt.
Um weiter Gewicht zu reduzieren, bietet sich Aluminium als Werkstoff an. Es
hat eine geringe Dichte, ist also relativ leicht, verformbar,
korrosionsbeständig und weist eine gute Wärmeleitfähigkeit auf. Deshalb wird
Aluminium heute im Automobilbau an vielen Stellen des Fahrwerks, der Karosserie
sowie im Antriebsbereich eingesetzt. Gegen einen globalen Einsatz von Aluminium
sprechen jedoch der große Energieaufwand bei der Erstgewinnung und die
aufwändige, teure Verfahrenstechnik.
Leichte Knochenstruktur imitieren - metallische Schäume.
Die Ingenieure des Landshuter Innovations- und Technologiezentrums (LITZ) der
BMW Group forschen derzeit an weiteren Einsatzmöglichkeiten von Aluminium. Durch
Schaumstrukturen unterstützte Bauteile verfügen über ein extrem günstiges
Verhältnis von Festigkeit zu Dichte. Die hochporöse Struktur von Aluminiumschaum
kann durch verschiedene Herstellungsverfahren, wie Einblasen von Gas oder
Einbringen chemisch reagierender Granulate in die Aluminiumschmelze erzeugt
werden. Mit seinen guten Eigenschaften Energie zu absorbieren und Schwingungen
wie auch Geräusche zu dämpfen, hat metallischer Schaum im Automobilbau eine
große Zukunft. Die Leichtbau-Spezialisten orientierten sich bei der
Verfahrensentwicklung an der Knochenstruktur von Säugetieren und Vögeln. Der
Clou der Natur ist es, tragendes, massives Material nur an hochbelasteten
Stellen einzusetzen und mit leichten, filigranen Materialaufbauten zu ergänzen.
Die gute Energieabsorption geschäumter Materialien macht sich in der Natur
beispielsweise die Eule zu Nutze. Muss der Nachtvogel tagsüber seinen
Schlafplatz fluchtartig verlassen, hält seine Schädelstruktur auch heftigen
Stößen gegen plötzlich auftauchende Hindernisse spielend stand. Auch der nur
wenige Kilo wiegende Knochenapparat eines Elefantenkopfes zeigt die
Belastungsfähigkeit derartiger Strukturen, kann doch dieses Tier Lasten mit
mehrere hundert Kilogramm spielend mit dem Kopf verschieben.
Ein ebenso erfolgsversprechendes leichtes Material, wenn richtig geformt und
genutzt, ist Magnesium. Es ist im Grunde bis zu 33 Prozent leichter als
Aluminium und bis zu 77 Prozent leichter als Stahl. Die BMW Spezialisten haben
den Werkstoff weiterentwickelt und bisher gültige Einsatzgrenzen im Fahrzeugbau
neu definiert. Mit einer speziellen Legierung und ausgefeilter Prozesstechnik
wird seit kurzem ein Verbundkurbelgehäuse aus Magnesium und Aluminium für den
BMW 6-Zylinder-Motor in Serie eingesetzt. Dieser Materialmix schafft rund 10
Kilogramm an Gewichtsvorteil. Bei der Verbindung von Magnesium und Aluminium
wurden Verrippungsmuster gewählt, die im Grundprinzip den Ankerstrukturen der
Nesselkapseln von Anemonen oder Quallen ähneln - die Natur stand erneut Pate.
Gesamtgewicht versus tragende Struktur - Leichtbau-Profi Pferd.
Die Metall-Experten der BMW Group erforschen derzeit natürliche
Leichtbaustrukturen in der Tierwelt, die im Verlaufe von mehreren hundert
Millionen Jahren über die Evolution ideal gestaltet wurden. Die
Karosserie-Struktur beispielsweise trägt viel andere Teile des Automobils,
ähnlich dem Skelett eines Säugetiers. Interessant ist dabei der Gewichtsanteil
dieses tragenden Gerippes im Vergleich zu seinem Gesamtgewicht.
Beim BMW 3er nimmt die Karosserie rund 20 Prozent des Totalgewichts ein. Das
Skelett eines Menschen schlägt in diesem Verhältnisansatz mit bis zu 18 Prozent
zu Buche. Beim Pferd wurde dieser Quotient perfektioniert: nur zwischen sieben
bis zehn Prozent bezogen auf das Gesamtgewicht sind Knochen, der Rest
überwiegend ,Antrieb und Energiehaushalt'. Nicht zuletzt deshalb werden Pferde
ihrem Ruf als effizientes Arbeits- und Lasttier seit vielen Hunderten von Jahren
gerecht. Das Geheimnis hinter diesem effizienten Gewichtsquotienten liegt in der
Knochenstruktur und Dichte begründet.
Schaum nicht gleich Schaum.
Im Bereich der geschäumten Materialien suchen die Experten deshalb nach
geeigneten Verfahrenstechniken, um das natürliche Vorbild bestmöglich
prozesssicher nachzubilden. Ein erklärtes Ziel: die Schaumstruktur und -dichte
so zu gestalten, dass sie speziell auf verschiedene Lastfälle ausgerichtet ist,
analog zu Knochen. Denn die Materialstruktur prägt fundamental das
Eigenschaftsprofil eines Gebildes. So sind beispielsweise die Waben eines
Bienenstocks isoliert betrachtet hochflexibel, aber verletzlich. Im Verbund
strukturiert hingegen, zeigen sie eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit und
Stabilität bei flexiblen Verformungseigenschaften.
Polymere - leichte Strukturen, die sich gut anfühlen und sicher sind.
Auch in der Welt der Kunststoffe lassen sich über verfahrenstechnische
Umsetzungen Eigenschaften aus der Natur erfolgreich nachbilden. Bei der Auswahl
des Materials für das Armaturenbrett des aktuellen BMW 3er musste ein Werkstoff
gefunden und so verarbeitet werden, dass er gleichzeitig energieabsorbierend,
ergonomisch und ökonomisch ist.
Die BMW Ingenieure des Landshuter Innovations- und Technologiezentrums (LITZ)
nutzten auch hier die Patin Natur und entwickelten eine völlig neue
Verfahrenstechnik, das so genannte Spritzguss-Integralschäumen (SGI). Dabei
werden der Kunststoffschmelze Treibmittel zugesetzt, die bei Hitze definiert Gas
freisetzen, vergleichbar mit der Wirkung von Hefe als Treibmittel im Kuchen.
Wenn die Werkzeugform gefüllt ist und die Oberflächen des Bauteils erstarrt
sind, wird die Form um einen exakt definierten Hub geöffnet.
Der Effekt: der Druck im noch flüssigen Inneren des Bauteils fällt und das Gas
kann die Kunststoffschmelze aufschäumen. Ergebnis: Rund 20 Prozent weniger
Gewicht. Vorbild für die Struktur des Kunststoffschaums ist ebenfalls das
schwammige Innengewebe von Knochen. Der Werkstoff ist leicht, hält hohen
Belastungen stand und fühlt sich durch eine definierte Elastizität angenehm und
natürlich an.
Bauteil-Gestaltung im Motor: gezielte Evolution per Computer.
Das Kurbelgehäuse ist das größte Einzelbauteil eines Motors. Seine Form ist
dann optimal, wenn das Bauteil wiederum leicht ist und gleichzeitig alle hohen
konstruktiven Anforderungen an Thermodynamik, Langzeit-Haltbarkeit und Präzision
erfüllt. Um diese Form zu finden, bedienen sich die BMW Motorenentwickler der so
genannten computergesteuerten Soft Kill Option (SKO). Dabei wird nach und nach
gezielt - in diesem Fall in 15 Schritten - Material sukzessive entfernt, das
nicht belastet ist.
Bei den 15, so genannten "iterativen" Schritten, "trainiert" der Computer
anhand mathematischer Algorithmen das Bauteil, damit mit einer angepassten
Geometrie die Anforderungen erfüllt werden können: Pro Schritt wird das Bauteil
auf seine Belastung hin untersucht. Zonen, die einer niedrigen Beanspruchung
ausgesetzt werden, erfüllen andere Anforderungen als Stellen, die eine hohe
Spannung aushalten müssen. Dadurch lassen sich "leichte" und "schwere"
Materialzonen definieren.
Ziel der Um- und Verformung des Kurbelgehäuses ist die Reduktion des
Gewichts. Hier greift das Bild eines Sportlers, zum Beispiel des
Marathon-Läufers: Einerseits wird Fett abgebaut, andererseits Muskeln aufgebaut.
In der Gesamtbilanz ist der Körper leistungsfähiger und leicht zugleich.
Dr. Peter Nefischer, BMW Motorenentwickler: "Die beschriebene Methode der
Strukturoptimierung wird für eine Vielzahl von kleineren Bauteilen bereits im
Serienentwicklungsprozess eingesetzt. Der Generatorhalter etwa, die
Zylinderkopf-Einlasskanaleinbindung und das Turboladergehäuse von Dieselmotoren
wurden mit numerischen Verfahren wie beispielsweise der Soft Kill Option
"trainiert" und sind nun in optimierter Form bis zu 40 Prozent leichter."
Formen und Gestalten wie nie zuvor - die K 1200 S Motorradfelge.
Ungewöhnliche Formen besitzen oft unerkannte Potenziale, Material und damit
Gewicht bei definierten Anforderungen einzusparen. So ist die unkonventionelle
Form der neu entwickelten Motorradfelge das Ergebnis spezieller
computerunterstützter Optimierungsmaßnahmen: das Bauteil wurde kontinuierlich
auf seine Eigenschaften in unterschiedlichen Fahr- und Belastungssituationen, so
genannten Lastfällen optimiert. Mittels Computer simuliert der Experte die
Belastungen aus Bodenwellen, Torsionswechseln und Bremsmanövern. Die dabei
wirkenden Kräfte werden analysiert und deren Überlagerung betrachtet.
Bei dieser Topologieoptimierung (CAO - Computer Aided Optimization) liegt dem
Computerprogramm der vorhandene Bauraum vor. Als weiteren Parameter verlangt der
Ingenieur zum Beispiel eine Gewichtsreduktion. Der Computer errechnet, welche
Bereiche des Bauteils weggelassen werden können, ohne dass verlangte
Eigenschaften beeinträchtigt werden. Das Ziel: Verhältnis von Gewicht und
Steifigkeit unter den gegebenen Umständen im Bestfall aufzeigen.
Die dafür verwendete Software durchläuft dabei mehrere Iterationen, zieht
mathematisch basiert Schlüsse aus den Zwischenergebnissen und beginnt die
Berechnung mit geänderten Faktoren auf ein Neues.
Letztendlich zeigten natürliche Vorbilder die passende Lösung für die Form
der Motorradfelge. Ähnlich einer Astgabel treten bei den Verstrebungen der Felge
unterschiedlich hohe Spannungen auf. Der Baum verstärkt gewisse Regionen der
Gabelungen, um lokale Belastungsspitzen zu verhindern und die Spannung
gleichmäßig auf das gesamte Bauteil zu verteilen.
Auch die Struktur der neuen Motorradfelge aus Aluminium, die bereits bei der
BMW K 1200 S seit Januar 2005 im Serieneinsatz ist, wurde der Natur, einem
Säugetierknochen, nachempfunden. Bereiche, die hohen Belastungen ausgesetzt
sind, wurden strukturell verstärkt, um beste Festigkeitswerte aufzuweisen.
Strömungsoptimierung im Antriebsbereich - einem Flusslauf nachempfunden.
Die "Air Intake Pipe" ist ein Reinluftrohr, das beim Dieselmotor den
Luftfilter mit dem Abgasturbolader verbindet. Die Luft, die der Motor für die
Verbrennung braucht, wird durch die "Air Intake Pipe" angesaugt. Für die
Leistung des Motors ist es wichtig, dass die Luft schnell, gleichmäßig und in
ausreichender Menge zugeführt wird. Das Ziel der Strömungsoptimierung: Maximaler
und gleichmäßiger Luftstrom mit wenig Verlust des Ansaugunterdrucks, dadurch
lässt sich die Motorleistung steigern.
Das Serienteil kann in den Raumgrenzen so geändert werden, dass sich die
Leistung verbessert. Die Form wird innerhalb des vorhandenen Bauraums solange
variiert und analysiert, bis eine Verbesserung eintritt. Dieser Prozess heißt
evolutionäre Optimierungsstrategie. Analog der natürlichen
"Flusslauf-Gestaltung", bei der sich der Fluss den Weg des geringsten
Widerstandes formt, errechnet der Computer die ideale Struktur für die Air
Intake Pipe und "trainiert" das Bauteil bis hin zum höchsten Leistungspotential.
Der Druckverlust bei einer formoptimierten "Air Intake Pipe" ist bis zu 14
Prozent geringer als bei der jetzigen Serienlösung - eine signifikante
Verbesserung. Diese Erkenntnisse fließen in die nächste Motorengeneration ein.
Fische, Delphine, Pinguine - Strömungsoptimierung.
Mit dem Wasserstoff-Rekordfahrzeug H2R haben die Ingenieure von BMW einen
Meilenstein in der Automobilgeschichte gesetzt. Der Zwölfzylindermotor mit sechs
Litern Hubraum leistet über 210 kW/285 PS im Wasserstoffbetrieb. Damit
beschleunigt der Prototyp in ca. sechs Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und
erreicht eine von der FIA bestätigte Spitzengeschwindigkeit von 300,175 km/h.
Diese Höchstgeschwindigkeit wurde nicht zuletzt durch eine extrem optimierte
Aerodynamik ermöglicht. Der gerundete Bug sowie das stark eingezogene
Fahrzeugheck ermöglichen zusammen mit der äußerst geringen Stirnfläche des
Fahrzeugs einen hervorragenden Luftwiderstandsbeiwert von cw=0.21. Im Vergleich
dazu hat eine aerodynamisch ebenfalls perfektionierte BMW 7er Limousine trotz
großer Abmessungen auch nur einen Luftwiderstandskoeffizienten von cw=0.29, eine
Kugel liegt bereits bei dem enormen Wert von cw=0.5.
Die natürlichen Vorbilder des Rennwagens finden sich in der Tierwelt wieder.
So nähert sich die Form des H2R bewusst dem widerstandsarmen Delphinkörper wie
auch dem Pinguin und der Gestaltung von Flügeln an. Wie bei diesen natürlichen
Meistern der Stromlinienform konnte auch beim H2R ein Abriss der Strömung
verhindert sowie eine wirbelfreie, turbulenzarme Umströmung für die Erreichung
minimalen Widerstands gewährleistet werden.
Gezielte Evolution - Von der Natur lässt sich lernen.
Einige technische Errungenschaften im Mobilitätsbereich können dem Vergleich
mit der Natur im Hinblick auf ihre pure Eigenschaften standhalten. Doch in
vielen Belangen sind biologische Lösungen, entstanden über evolutionäre Prozesse
in Hunderten Millionen Jahren, der Technik weit überlegen. Pflanzen und Tiere
erreichen oft höhere Wirkungsgrade mit ungleich geringerem Materialeinsatz.
Dieses Optimum entwickelten sie in Anpassungszyklen bei sich veränderten
Rahmenbedingungen. Effiziente Lösungen, perfektioniert auf die Rahmenbedingungen
und harmonisch in Kreisläufe integriert, haben sich durchgesetzt und überlebt.
Die Bionik bietet für Ingenieure aller Fachrichtungen mehr denn je
vielversprechende Ansätze das Prinzip "Versuch und Irrtum", das die Natur stets
angewendet hat, im Zeitraffer methodisch und zielgerichtet zu erschließen und zu
nutzen.
In der Gestaltung von Mobilität gilt es verstärkt natürliche Prinzipien auf
technische Herausforderungen heran zu ziehen. BMW Spezialisten lassen sich von
der Natur inspirieren, um klassische Konstruktionsweisen bei Produkten wie
Prozessen über die Bionik zu erweitern und zu verbessern. Nicht nur in der
Materialforschung oder bei der Gestaltung von Strukturen sind die Chancen
vielversprechend.
Das erklärte Ziel: BMW Automobile noch sicherer, leichter und damit
verbrauchsärmer, gleichzeitig aber komfortabel und dynamisch für die "Freude am
Fahren" für morgen zu bauen.
Quelle: BMW Pressemitteilung vom 17.05.05
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