Kategorie: Connected 08.09.2009
BMW Group + TUM = CAR@TUM.
München. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft
stellt eine Win-Win-Situation dar, d. h. sie bietet beiden Seiten Vorteile.
Unternehmen erhoffen sich „frischen Wind“ durch den Einsatz von Jungakademikern.
Für die Doktoranden bietet sich dadurch eine wertvolle Möglichkeit,
Praxiserfahrung zu sammeln. Auch die Technische Universität München und die BMW
Group arbeiten bereits seit Jahrzehnten eng zusammen.
CAR@TUM – Vernetzung par excellence.
Mit CAR@TUM, kurz für „Munich Centre of Automotive Research“, erhielt das
gemeinsame Wirken der BMW Group und der TU München im Mai 2007 eine feste
Struktur. In der Allianz potenzieren Unternehmen und Universität ihre
Kompetenzen in gemeinsamen Forschungsprojekten, die einen Bogen von der
ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenforschung bis hin zum Produktprototypen
spannen. Im Mittelpunkt der Kooperation steht das Ziel, die individuelle und
nachhaltige Mobilität langfristig zu sichern.
Fahrsimulator des Lehrstuhls für Ergonomie
Die Laufzeiten der Projekte sind so angelegt, dass die Doktoranden an der TU
München die Möglichkeit haben, parallel zu den Forschungsarbeiten am Lehrstuhl
ihre Dissertationen durchzuführen. Zudem konzentrieren sich die gemeinsamen
Tätigkeiten nicht auf einen einzelnen Lehrstuhl, sondern erhalten durch die
Vernetzung verschiedenster Institute und Fachbereiche eine interdisziplinäre
Sichtweise. Gelenkt wird die operative Zusammenarbeit von einem Steuerkreis, dem
je vier Vertreter der Technischen Universität München und der BMW Group
angehören. Den Vorsitz führen Dr. Klaus Draeger, Mitglied des Vorstands der BMW
AG für den Bereich Entwicklung, sowie der Präsident der TU München, Professor
Dr. Wolfgang A. Herrmann. „CAR@TUM ist die thematische Neuordnung einer
langfristigen Allianz zum beiderseitigen Vorteil von Wissenschaft und Industrie,
und nicht zuletzt des High-Tech-Standorts Bayern. Angesichts der gewachsenen und
vertrauensvollen Zusammenarbeit ist die BMW Group ein Partner of Excellence
unserer Universität.“, sagt Herrmann.
Aktuell arbeiten rund 45 Doktoranden an 25 Lehrstühlen mit Partnern der BMW
Group an sieben verschiedenen Projekten zu den unterschiedlichsten
Themenschwerpunkten: Mechatronik, Mensch-Maschine-Interaktion, IT-Architekturen
im Fahrzeug, Software-Entwicklungsprozesse, Interaktion Aerodynamik/Fahrdynamik,
Leichtbau und Energiemanagement.Die Forschungsansätze in den Arbeitsgruppen
stammen überwiegend aus den Fakultäten für Maschinenwesen, Elektrotechnik und
Informationstechnik, Informatik, Mathematik und Physik. Ergänzt werden sie
jedoch auch um vermeintlich artfremde Disziplinen wie etwa Psychologie. Für die
Koordination der einzelnen Projekte stehen jeweils ein von Unternehmensseite
gestellter Projektleiter und ein von der TU München benannter Sprecher in
ständigem Austausch. Ein Mentor der BMW Group überprüft die Ergebnisse im
Hinblick auf einen schnellen Einsatz innerhalb der Serienentwicklung. Die enge,
aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Universität
gewährleistet, dass sowohl innovative Technologien als auch hochqualifizierte
Absolventen ihren Weg in die Zukunftsmärkte finden.
Prototyp einer völlig neu konzipierten
Fahrzeugelektronik auf IP-Basis
CAR@TUM umfasst nicht nur bayerisch-bilaterale Projekte zwischen Unternehmen
und Universität, sondern ist zudem ein Eckpfeiler eines multinationalen
Forschungsnetzwerks. Mit Eurécom, einem intereuropäischen Institut für Forschung
und Lehre mit derzeit neun internationalen Industriepartnern, kooperieren sowohl
die BMW Group Forschung und Technik als auch die TU München. Die
Forschungstochter der BMW Group fördert und bündelt dabei die interdisziplinäre
und faktultätsübergreifende Zusammenarbeit in Teams aus Wirtschaft und
Wissenschaft. „Mit CAR@TUM geben wir unserer traditionellen Kooperation einen
festen Rahmen und verleihen dem fruchtbaren Austausch zwischen Wirtschaft und
Wissenschaft über Instituts- und Ländergrenzen hinweg neue Schlagkraft. Zusammen
mit der TU München möchten wir ein Stück Zukunft aktiv mit gestalten.“, so Dr.
Klaus Draeger anlässlich der konstituierenden Steuerkreissitzung zur
Vertragsunterzeichnung der Kooperation.
Mitten auf dem Campuszentrum in Garching errichtet die BMW Group derzeit für
insgesamt zehn Millionen Euro das Headquarter des „Institute for Advanced Study“
(IAS). Hier sollen Spitzenforscher aller Generationen und Nationen, aus
Hochschule und Industrie den Auftrag der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in
den Spitzentechnologien erfüllen.
Unter dem Vorstandsvorsitz von Eberhard von Kuenheim beteiligte sich die BMW
Group auch schon früher am Bau des Campus in Garching. Das Unternehmen brachte
hier seine Ideen für eine kommunikative Architektur maßgeblich ein: Stahl, Glas
und Beton als Fundament geistiger Mobilität. Für die Architektur der Fakultät
für Maschinenwesen stand das Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) der BMW
Group im Münchner Norden Pate. Mittlerweile beherbergt das im Jahr 1997
eingeweihte Gebäude über 4.000 Studenten und Forscher.
Professor Raymond Freymann, Geschäftsführer der BMW Forschung und Technik
GmbH sowie Mitglied im CAR@TUM Steuerkreis, zeigt sich beeindruckt von dem
bisherigen Verlauf der Kooperation: „Zukunft kommt von allein, Fortschritt
nicht. Durch die Forschungsarbeiten und das sich daraus entwickelnde
hervorragende Knowhow ist es uns nicht nur möglich, auf dem Gebiet der
Grundlagenforschung neue Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch gezielt
Nachwuchs zu fördern, den wir später für unser Unternehmen rekrutieren können.“
Professor Udo Lindemann, Leiter des Lehrstuhls für Produktentwicklung,
schwört auf die gute Zusammenarbeit: "Das Schöne an der Projektarbeit für unsere
Doktoranden ist, dass sie über die Tätigkeit am Lehrstuhl hinaus mit einem
Unternehmen wie BMW auch Praxisbezug und somit Industrienähe haben, die es in
der reinen universitären Forschung nur bedingt gibt."
Technologietransfer von der Forschung in die Serie.
Mit einem Industrieroboter wurden alle möglichen
Konzepte für das Öffnen einer Fahrzeugtür durchgespielt
Erste Ergebnisse der CAR@TUM Projekte sind bei der BMW Group bereits in die
Serie eingeflossen. So betrieb eine Arbeitsgruppe im Forschungsprojekt „TUMMIC (Thoroughly
User-Oriented Man-Machine Interface in Cars)“ beispielsweise Grundlagenforschung
für Anzeige- und Bedienkonzepte, die zu Gestaltungshinweisen für die zweite
Generation des BMW iDrive geführt haben. Die neue Generation des BMW iDrive
wurde im Herbst 2008 mit einer noch einfacheren Bedienung in der neuen BMW 7er
und der neuen BMW 3er Reihe vorgestellt. Parallel dazu hielt das neue iDrive
auch in der BMW 6er, der BMW 5er und der BMW 1er Reihe, sowie im BMW Z4 Einzug.
Dieses multifunktionales Anzeige- und Bedienkonzept ermöglicht die Steuerung
wesentlicher Fahrzeug-, Entertainment-, Navigations- und
Telekommunikationsfunktionen über einen zentralen Controller auf der
Mittelkonsole und ein multifunktionales Control Display in der Armaturentafel.
Es ersetzt so eine Vielzahl von Schaltern, Tasten und Anzeigen.
Drei High-Tech-Forschungsprojekte stellen sich vor:
Mechatronik.
Die momentanen Forschungsaktivitäten im Projekt „Mechatronik“ zielen auf
Methoden, Werkzeuge und Prozesse zur Entwicklung anspruchsvoller mechatronischer
Systeme. Als Beispielanwendung dient ein System zur Unterstützung des Ein- und
Ausstiegvorgangs im Fahrzeug, denn gerade in engen Parksituationen stoßen
konventionelle Fahrzeugtürkonzepte sowohl in ihrer Bedienbarkeit als auch unter
ergonomischen Gesichtspunkten schnell an ihre Grenzen. Bedingt durch den
geringen Freiraum kann eine normale Fahrzeugtüre oft nur unzureichend geöffnet
werden, zum anderen sinkt der Komfort während des Ein- bzw. des Ausstiegvorgangs
enorm. Ziele dieses Projektes sind daher die Konzeption und Entwicklung einer
variablen Sitzkinematik zur Unterstützung der Ein- und Ausstiegsbewegung und die
Entwicklung innovativer, multikinematischer Türkonzepte, die den Komfort gerade
in sehr engen Parklücken erhöhen und die Türbedienung erleichtern sollen.
Die intelligente Autotür erkennt drohende
Kollisionen
Die Entwicklung des Systems erfolgte in einem mehrstufigen,
interdisziplinären Prozess zwischen wissenschaftlichen Mitarbeitern der
beteiligten Lehrstühle der TU München gemeinsam mit Forschern der BMW Group. Im
ersten Schritt wurden am Lehrstuhl für Ergonomie mit Hilfe von Ein- und
Ausstiegsversuchen die ergonomischen Anforderungen an ein multikinematisches
Türkonzept ermittelt. Daraus generierten die Mitarbeiter des Lehrstuhls für
Mikrotechnik und Medizingerätetechnik am Kinematik-Entwicklungsarbeitsplatz
mehrere Vorschläge für Türkinematiken, die am Versuchsstand für Virtuelle
Realität des Lehrstuhls für Steuerungs- und Regelungstechnik haptisch und
visuell simuliert und bewertet wurden. Die Kinematik des besten Türkonzepts
wurde anschließend weiterentwickelt und als Prototyp aufgebaut.
Das realisierte Türkonzept besitzt mehr als einen Bewegungsfreiheitsgrad,
ist elektrisch angetrieben und kann daher auf seine Umgebung reagieren. Die
dafür notwendigen Umgebungsinformationen werden von sogenannten
omnidirektionalen Kamerasensoren erfasst, die über einen kegelförmigen Spiegel
einen sehr weiten (360°) Detektionsbereich besitzen. Mit Hilfe einer Toolbox vom
Lehrstuhl für Realzeit-Computersysteme zur Kalibrierung und Bildentzerrung
können Standard-Bildverarbeitungsalgorithmen zur Objekterkennung auf den
Rohdaten dieser Kameras angewendet werden. Die Lage der erkannten Objekte wird
von der Türsteuerung ausgewertet, die vom Lehrstuhl für Steuerungs- und
Regelungstechnik entwickelt wurde. Im vollautomatischen Modus berechnet sie
einen Ausweichpfad für die Türbewegung und stoppt diese rechtzeitig vor einer
Kollision beim Öffnen und verhindert ein Einklemmen beim Schließen. Im manuellen
Modus erzeugt die Tür spürbare Gegenkräfte und informiert somit den Bediener
über eine drohende Kollision oder Einklemmsituation.
Eine kleine Kamera erfasst mögliche
Gefahrensituationen
Als zweite wesentliche Komponente des mechatronischen Ein- und
Ausstiegssystems wurde eine variable Sitzkinematik entwickelt, die durch eine
Kipp- und Schwenkbewegung des Sitzes den Fahrer beim Ein- und Aussteigen
unterstützt. Auch hierfür wurden zunächst die ergonomischen Anforderungen
bestimmt. Dazu führten Doktoranden des Lehrstuhls für Ergonomie Ein- und
Ausstiegsversuche mit wechselnden geometrischen Parametern durch und zeichneten
diese auf. Aus den digitalisieren Aufzeichnungen wurden über das virtuelle
Menschmodell (RAMSIS) und das dynamische Diskomfortmodell die Belastungen und
der Diskomfort während der Ein- und Ausstiegsbewegung berechnet. Anhand dieser
Daten konnte die ideale Bewegungsbahn für den Sitz ermittelt werden. Sie erhöht
spürbar den Komfort des Nutzers. Für diese Bahn wurde am Lehrstuhl für
Mikrotechnik und Medizingerätetechnik eine Kinematik entwickelt, aufgebaut und
in den Prototypen integriert. Der dargestellte Entwicklungsprozess diente als
Beispielanwendung für das neuartige integrierte Produkt- und Prozessmodell für
mechatronische Systeme, das vom Lehrstuhl für Produktentwicklung erarbeitet
wurde. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein sogenannter „Mock-up“, der aus
einer angetriebenen Zweigelenktür mit situationsangepasster Öffnungsbewegung und
variabler angetriebener Sitzkinematik besteht. Dieser kann dem Fahrer in Zukunft
das Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug deutlich erleichtern.
Mensch-Maschine-Interaktion.
Fahrerassistenz- und Fahrerinformationsysteme haben die grundsätzliche
Aufgabe, den Fahrer in unangenehmen oder potenziell gefährlichen Situationen –
etwa im Stau oder bei unübersichtlicher Verkehrsführung – zu entlasten und zu
unterstützen. Sie helfen bei der Einschätzung der Verkehrslage und fördern die
Souveränität bei anspruchsvollen Fahrmanövern. Im Forschungsbereich
Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) konzentriert sich die gemeinsame Tätigkeit im
Rahmen von BMW ConnectedDrive auf die Auslegung von intuitiv benutzbaren
Anzeige- und Bedienkonzepten im Fahrzeug. Ein Schwerpunkt ist die Forschung zur
ergonomischen Mensch-Maschine-Interaktion, so dass möglichst alle menschlichen
Sinne angesprochen werden. Darunter versteht man eine computergestützte
Erweiterung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. „In unserem
MMI-Projekt spielt die interdisziplinäre Arbeitsweise eine besonders wichtige
Rolle“, erläutert Professor Dr. Klaus Bengler, Leiter des Lehrstuhls für
Ergonomie an der TU München. „Neben Informatikern und Elektrotechnikern gibt es
in unserem Forschungsteam auch Psychologen, die eine
kognitiv-verhaltenswissenschaftliche Sichtweise in unsere Arbeit einbringen“, so
Bengler weiter. Dadurch gewinnt die Gruppe Erkenntnisse, wie Menschen
verschiedenste Dinge im Automobil wahrnehmen und benutzen, um daraus ein
optimiertes Bedienkonzept im Fahrzeug abzuleiten. Parallel dazu arbeiten die
technisch geprägten Teammitglieder daran, ob und inwieweit die psychologischen
Erkenntnisse erlebbar in die Realität umgesetzt werden können.
Kleine Kameras und Sensoren liefern
Zusatzinformationen für das sichere, vorausschauende Fahren
Seit 2003 wurden zwei MMI-Projekte in Zusammenarbeit mit verschiedenen
Lehrstühlen der TU München, aber auch mit der Ludwig-Maximilians-Universität
München und der Universität Regensburg durchgeführt. Ziel des aktuellen Projekts
„ISPA (Intelligent Support for Prospective Action)“ ist die Ermittlung von
Grundlagen für vorausschauendes Fahren und darauf basierend die Entwicklung von
MMI-Konzepten, die für effizientes und sicheres Fahren stehen. Um neben der
bloßen Unfallfreiheit auch die Effizienz und Souveränität einer Fahrweise
bewerten zu können, werden von den Psychologen Methoden zur Messung der
Antizipationsleistung im Straßenverkehr sowie zur Quantifizierung von
vorausschauendem Fahren entwickelt. Bei „Antizipation“ geht es ausschließlich um
die kognitive Fähigkeit zur Vorhersage der Entwicklung einer Verkehrssituation
über einen Zeitraum. Bei „vorausschauendem Fahren“ stehen hingegen Zeitpunkt und
Art der Handlung (Reaktion auf antizipationsrelevante Merkmale) im Fokus der
Aufmerksamkeit. Mit diesen Methoden wird sowohl die Verteilung von
Antizipations- bzw. Handlungszeitpunkten in verschiedenen Fahrsituationen ohne
zusätzliche Assistenz ermittelt, als auch der Nutzen und die Akzeptanz von
Anzeigen zur Unterstützung einer vorausschauenden Fahrweise bewertet. Neue
Technologien wie Car2X-Kommunikation sowie detaillierte digitale Karten schaffen
die technische Grundlage, um den normalen Vorausschauhorizont des Fahrers zu
erweitern. So kann man dem Fahrer etwa gezielte Informationen darüber geben,
wann er vom Gas gehen soll, um effizient zu verzögern, weil sich vor ihm
beispielsweise ein momentan noch nicht sichtbares Hindernis befindet. Die
Herausforderung: den Fahrer über Hindernisse zu informieren, auf die er schon
reagieren könnte, obwohl sie für ihn noch nicht sichtbar sind. Geeignete
Visualisierungen, etwa im Kombiinstrument oder im Head-Up Display, sollen den
Fahrer dazu bewegen, seine Geschwindigkeit intuitiv entsprechend zu reduzieren.
Ein Ansatz, um die Aufmerksamkeit des Fahrers auf verdeckte bzw. weit entfernte
antizipationsrelevante Objekte zu lenken, ist die schematische Darstellung der
Fahrsituation aus der Bird-View-Perspektive. Zentrale Fragestellungen, die im
Projekt „ISPA“ bearbeitet werden, sind die Auswahl des besten perspektivischen
Darstellungswinkels, der angemessene Realitätsgrad der Darstellung und wie die
Aufmerksamkeit des Fahrers auf die Visualisierung gelenkt werden kann, ohne ihn
dabei abzulenken.
Touchscreen mit Annäherungserkennung
Im Rahmen des Vorgängerprojekts „TUMMIC“ erarbeiteten Institute der TU
München (Lehrstuhl für Ergonomie, Fachbereich für Augmented Reality, Lehrstuhl
für Mensch-Maschine-Kommunikation und Lehrstuhl für Software- und
System-Engineering), das Institut für Phonetik und Sprachliche Kommunikation der
Ludwig-Maximilians-Universität München, der Lehrstuhl für Allgemeine und
Angewandte Psychologie der Universität Regensburg u. a. ein integriertes
multimodales Bedienkonzept für Fahrerinformationssysteme. Hierfür wurde ein
Touchscreen mit Annäherungserkennung entwickelt. Anders als bei einem
traditionellen Touchscreen registriert dieser die Präsenz einer Hand oder eines
Fingers vor der eigentlichen Berührung. Der Fingerabstand wird ausgewertet, was
die Menünavigation, Preview- und Vergrößerungseffekte, FishEye-Listen und
alphanumerische Eingaben unterstützt oder erst ermöglicht. Weiterhin werden in
dem Bedienkonzept Berührungs- und Spracheingabe kombiniert. Die herkömmliche
Touchscreenbedienung stellt häufig hohe Anforderungen an die Koordination von
Augen- und Handbewegung, da eine sehr genaue Positionierung des Fingers auf dem
Touchscreen erforderlich ist. Damit sind auch hohe visuelle Anforderungen an und
damit mögliche Ablenkung für den Fahrer verbunden. Das multimodale Bedienkonzept
mit Annäherungserkennung und der Möglichkeit der Spracheingabe entschärft diese
Anforderungen, da es ungenaue Handbewegungen erlaubt. Gleichzeitig werden die
Vorteile eines Touchscreenkonzepts - mehrere Funktionen im direkten Zugriff
sowie intuitive Bedienung – beibehalten.
Prototyp einer völlig neu konzipierten
Fahrzeugelektronik auf IP-Basis
„Innovationen wie diese wären ohne die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen
und Forschungseinrichtungen kaum möglich“, betont Dr. Bernhard Niedermaier,
Teamleiter Mensch-Maschine-Interaktion der Abteilung Projekte ConnectedDrive bei
der BMW Group Forschung und Technik. Während Hochschulen den Vorteil haben,
eigene Ideen vergleichsweise unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolgsdruck zu
entwickeln, verfügt die BMW Group über die Kompetenz, wegweisende Innovationen
zu erkennen und gemeinsam mit den Forschern gezielt weiter zu entwickeln. „Die
intensive Zusammenarbeit ist deshalb ein wichtiger Bestandteil unserer
Forschungs- und Entwicklungsstrategie, bei der das frühzeitige Verschmelzen von
Forschung und marktfähigen Anwendungen im Mittelpunkt steht“, so Niedermaier.
IT-Architekturen im Fahrzeug.
Unter anderem aufgrund der Funktionsmehrung durch Kundenanforderungen,
Wettbewerb und gesetzliche Vorgaben nimmt die Informationstechnologie im
Fahrzeug zunehmend eine zentrale Bedeutung ein. Mittlerweile sind ca. 90 Prozent
aller Innovationen mit dem Einsatz von Elektronik und Software verbunden. Die
klassische Fahrzeug-IT-Architektur besteht heute, je nach Fahrzeugklasse bzw.
-ausstattung, aus einer Vielzahl von Sensoren, Aktoren und in der
Maximalausstattung aus über 70 bezüglich Hardware als auch Software heterogen
aufgebauten Steuergeräten, wodurch ein hoher Komplexitätsgrad erreicht wird. Die
Funktionen und Steuergeräte werden entsprechend ihren Anforderungen in Domänen
gekapselt und kommunizieren über spezifische Datenbusse bzw. domänenübergreifend
über Gateway-Koppelelemente. Die über Jahrzehnte erfolgte evolutionäre
Weiterentwicklung dieser Domänenstruktur analog der Kundenanforderungen und der
technologischen Entwicklung führt momentan zur lokalen Optimierung der einzelnen
Teilsysteme, erschwert jedoch die Gestaltung einer optimalen
Fahrzeug-IT-Gesamtlösung. Außerdem entstehen neue Anwendungen, die das Fahren
sicherer und umweltfreundlicher machen, verstärkt aus der domänenübergreifenden
Vernetzung von Funktionen. Die Aktive Geschwindigkeitsregelung, eine Funktion
aus dem Bereich der Fahrerassistenz, benötigt beispielsweise Daten von einem
halben Dutzend weiterer Steuergeräte und Sensoren. Diese steigende Komplexität
macht es im aktuellen Fahrzeug-IT-Architekturansatz zunehmend komplizierter,
alle Anforderungen bezüglich Zuverlässigkeit, Wartbarkeit, Skalierbarkeit und
Gleichteileverwendung zu erfüllen.
Demonstrator für eine Echtzeit-kritische
Anwendung
Im Rahmen des Projekts „IT-Motive 2020“ verfolgen Institute der TU München
(Lehrstuhl für Integrierte Systeme, Lehrstuhl für Realzeit-Computersysteme,
Lehrstuhl für Kommunikationsnetze, Lehrstuhl für Datenverarbeitung, Fachbereich
Media Technology Group, Fachbereich Höchstfrequenztechnik) in einem
interdisziplinären Vorgehen gemeinsam mit Ingenieuren der BMW Group Forschung
und Technik das Potential eines neuen, revolutionären Ansatzes für eine
Fahrzeug-IT-Architektur. Dabei sollen in einem „Best Practice-Ansatz“ Strukturen
aus der „Business-IT“ im fahrzeugspezifischen Umfeld untersucht werden. Der
Ansatz fokussiert auf ein Cluster weniger, homogener und leistungsstarker
Recheneinheiten mit automotive-spezifischer Peripherie, die über ein
IP-basiertes, mit Switchen versehenes homogenes Kommunikationsnetz miteinander
verbunden sind. Die leistungsstarken Recheneinheiten erlauben die Aggregation
von Funktionen mehrerer heutiger Steuergeräte auf eine physikalische Einheit.
Eine wesentliche Herausforderung ist es, Funktionen mit völlig unterschiedlichen
Anforderungen – z. B. Echtzeit-Regelalgorithmen und datenintensive
Multimediafunktionen – auf einer Recheneinheit zu konzentrieren und dabei alle
Fahrzeuganforderungen zu erfüllen. Ein Forschungsschwerpunkt in diesem Bereich
ist deshalb der Einsatz von Virtualisierungstechnologie, die es ermöglicht,
abgeschottete virtuelle Steuergeräte auf einer Hardware zu realisieren. Die
homogenen Rechenplattformen sollen zudem funktional erweiterbar sein. Weitere
Themen sind die konkurrierende Übertragung von Nachrichten mit harten und
weichen Echtzeitanforderungen über das homogene Kommunikationsnetz und die
Robustheit der Architektur, die sich in einer dynamischen Rekonfigurierbarkeit
des Systems ausdrückt.
Die BMW Forschung und Technik GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der BMW
Group und verantwortet seit 2003 die Forschungsthemen VehicleTechnology,
CleanEnergy (Wasserstofftechnik), EfficientDynamics (intelligentes
Energiemanagement/alternative Antriebe), ConnectedDrive (Fahrerassistenz/aktive
Sicherheit) und ITDrive (IT-Architektur und Kommunikationstechnologie). Die
rechtliche Eigenständigkeit als GmbH garantiert kreativen Freiraum und ein
Maximum an Flexibilität. Der weltweite Zugang zu Trends und Technologien wird
durch ein international etabliertes Netzwerk mit den Stützpunkten Palo Alto und
Clemson (USA), Tokio (Japan) sowie den Liason Offices mit Eurécom (Sophia
Antipolis, Frankreich) und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz(DFKI GmbH, Saarbrücken) sichergestellt.
Die Technische Universität München ist mit rund 400 Professorinnen und
Professoren, 8.500 Mitarbeitern (einschließlich des Klinikums rechts der Isar)
und 20.000 Studierenden eine der führenden Universitäten Deutschlands. 2006
erhielt sie den Status „Exzellenzuniversität“.
Quelle: BMW Presse Mitteilung vom 08.09.2009, Fotos: Andreas Heddergott / TUM
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