Kategorie: Connected 13.10.2011
Augmented Reality: Fahrerassistenz und Routenführung mit dem kontaktanalogen Head-Up Display
Im Jahr 2004 bringt die BMW Group als erster Automobilhersteller mit einem mehrfarbigen Head-Up Display die Anzeige fahrrelevanter Informationen in das direkte Blickfeld des Fahrers. Seit Anfang 2011 bietet die neueste Generation sogar das volle Farbspektrum. Die Forscher und Entwickler arbeiten aber bereits an der nächsten Dimension – das Head-Up Display wird kontaktanalog und ermöglicht damit die virtuelle Markierung von realen Objekten in der Umwelt. Informationen für die Navigation oder Fahrerassistenzsysteme können so mit konkretem Ortsbezug im direkten Sichtfeld des Fahrers angezeigt werden: Navigationshinweise verschmelzen mit der Straße, Fahrzeuge oder sicherheitsrelevante Objekte werden situativ hervorgehoben oder markiert.
Augmented Reality und Kontaktanalogie – was bedeutet das?
Das Head-Up Display bedeutete den ersten Schritt hin zur Nutzung von Augmented Reality im Fahrzeug. Dabei wird die Realität mit zusätzlichen Informationen sowie künstlich erzeugten Objekten angereichert, die in Echtzeit auf die Umgebungssituation reagieren und sich anpassen. Das Head-Up Display zeigt im direkten Sichtbereich des Fahrers nützliche Informationen wie die aktuelle Geschwindigkeit und Navigationshinweise an. Doch damit ist das Potenzial der Technologie noch lange nicht ausgeschöpft, eine kontaktanaloge Darstellung erweitert die Nutzungsmöglichkeiten nochmals deutlich.
Die Kontaktanalogie ist eine spezielle Form der Augmented Reality. Hier verschmelzen die eingeblendeten Informationen mit der Umwelt. Sie erscheinen perspektivisch korrekt an dem Ort, auf den sie sich jeweils beziehen, und haften den Objekten in der Umgebung quasi an. Die Vorteile von kontaktanalogen Anzeigen sind vielfältig. Durch die Anzeige der Informationen im direkten Sichtfeld des Fahrers und die Verortung an den Objekten bleibt die Aufmerksamkeit des Fahrers in der Fahrsituation. Er muss seinen Blick nicht abwenden oder umfokussieren wie bei einem Wechsel der Blickrichtung von Instrumentenkombi oder zentralem Informationsdisplay zurück auf die Straße. Dies erlaubt eine schnellere und direktere Erfassung von fahrsituativ relevanten Informationen und ermöglicht gleichzeitig eine Anzeige von intuitiv verständlichen Handlungsanweisungen für die aktuelle Situation.
„Mit dem kontaktanalogen HUD setzen wir die Information genau dort ins Blickfeld des Fahrers, wo er sie braucht. Er muss keinen Bezug mehr zwischen abstrakter Anzeige und Fahrsituation herstellen. Da die Anzeige direkt mit der Realität verbunden ist, können wir außerdem gezielt die Aufmerksamkeit des Fahrers auf bestimmte Informationen oder Gefahren lenken, sodass er schnell und angemessen reagieren kann.“ (Dr. Bernhard Niedermaier, Leiter Mensch-Maschine-Schnittstelle bei der BMW Group Forschung und Technik)
Kontaktanalogie schon heute.
Im Idealfall würde der komplette Sichtraum des Fahrers für kontaktanaloge Anzeigen zur Verfügung stehen. Das ist technisch aber (noch) nicht möglich. Aber auch in deutlich kleineren Anzeigebereichen sind bereits kontaktanaloge Darstellungen möglich, die einen großen Kundenmehrwert bieten. Zwei Nutzungsszenarien deuten im Folgenden die zahlreichen Möglichkeiten einer kontaktanalogen Anzeige an.
Guiding-Erlebnis kontaktanalog.
Im ersten Anwendungsfall geben die Spezialisten einen Ausblick darauf, was die kontaktanaloge Anzeige für die Darstellung von Navigationshinweisen im Fahrzeug leisten kann. Sobald ein Navigationsmanöver bevorsteht, wie beispielsweise ein Abbiegen an der Kreuzung, verschmelzen Straße und Anzeigen nahezu miteinander. Der Fahrer hat so die Straße immer im Blick und fährt intuitiv richtig.
„Abbiegemanöver und Fahrspurempfehlung werden direkt auf der Straße dargestellt, der Fahrer muss nicht mehr ein abstraktes Kartenbild auf die Straße vor ihm übertragen. Das nimmt das kontaktanaloge Head-Up Display ihm ab.“ (Robert Hein, Leiter Navigation und Datendienste der Zukunft bei der BMW Group Forschung und Technik)
Der Fahrer ist besser informiert und kann dadurch vorausschauender und souveräner agieren. Der räumliche Bezug der Anzeigen erleichtert die Informationsaufnahme auch in komplexen Situationen. In einer der ersten Ausbaustufen nutzen die Entwickler der BMW Group ein ungefähr viermal so großes Head-Up Display wie heute in Serienfahrzeugen verfügbar. Dies erlaubt es bereits, kontaktanaloge Anzeigen entlang der eigenen Fahrspur darzustellen.
In einer weiteren Ausbaustufe soll sich der Anzeigebereich nochmals vergrößern und sich auch auf Nebenspuren erstrecken.
Und so funktioniert es: Auf der Grundlage von Daten digitaler Karten berechnet das Navigationssystem die optimale Route. Wenn Spurinformationen vorhanden sind, wird die Route entsprechend verfeinert und notwendige Fahrmanöver werden aus der geplanten Route extrahiert. Anhand der permanenten Positionsbestimmung durch die Kopplung von GPS-Daten und Fahrzeugsensorik erkennt das Fahrzeug den gerade befahrenen Fahrstreifen und gleicht ihn mit der optimalen Spur ab. Wird für ein bevorstehendes Manöver eine Abweichung erkannt, berechnet das System ein 3D-Modell der vorausliegenden Straßensituation aus den Signalen des Kamerasystems und zeigt es deckungsgenau mit der Realität an.
Einsatz in Fahrerassistenzsystemen.
Ein zweiter Anwendungsfall für kontaktanaloge Anzeigen liegt in der Nutzung für Fahrerassistenzsysteme. Hier ermöglicht die Kontaktanalogie dem Fahrer ein besseres Verständnis des Geschehens und die leichtere Aufnahme zielgerichteter Hinweise. Aktiviert der Fahrer beispielsweise die Aktive Geschwindigkeitsregelung mit Auffahrwarnung, zeigt das System dem Fahrer nicht nur direkt in der realen Umgebung an, welches Fahrzeug gerade als Referenz dient, sondern blendet auch die Sollabstandseinstellung direkt auf der Fahrbahn ein. Übernahmeaufforderungen werden schneller und einfacher nachvollziehbar. Andere Inhalte wie Spurbegrenzungen, Spurverlassenswarnungen, Markierung von bei Nacht schlecht sichtbaren Fußgängern oder sogar Empfehlungen mit Pfadmarkierungen zum Ausweichen auf andere Spuren sind zukünftig ebenso denkbar.
Ausblick und technische Herausforderungen.
Je größer der Anzeigebereich gestaltet ist, desto umfangreicher werden die Möglichkeiten einer kontaktanalogen Darstellung. Deshalb streben die Entwickler für die entferntere Zukunft auch eine entsprechende Ausweitung an. Wie die ersten Prototypen zeigen, können die Entwickler bereits auf einem nur viermal so großen Head-Up Display wie derzeit verfügbar erste kontaktanaloge Inhalte für die eigene Fahrspur darstellen. Auch breitere Anzeigeflächen zur Einblendung von Informationen auf mehreren Spuren sind in einer Untersuchungsumgebung bereits realisiert. Damit fahr- bzw. umgebungsrelevante Einblendungen auch mit der Umgebung verschmelzen können, muss das virtuelle Bild außerdem in deutlich größerer Entfernung vom Fahrer entstehen als den für die heutigen Anzeigen sinnvollen 2,20 Metern. Auch muss der Anzeigebereich weiter nach oben, bis an den Horizont, verlegt werden, sodass die Anzeigen direkt über der Fahrsituation liegen. Die entsprechenden Bauräume oder technologischen Lösungen für Head-Up Displays dieser Art zu schaffen, ist nun eine der großen Herausforderungen für die Entwickler.
„Jetzt geht es darum, für die großen Bildgrößen neue technologische Lösungen zu entwickeln und ins Fahrzeug zu integrieren.“ (Gunnar Franz, Leiter Entwicklung Head-Up Display)
Eine andere Herausforderung der kontaktanalogen Darstellung liegt in der passgenauen Deckung von virtueller und realer Welt. Passen Einblendung und Realität nicht zusammen, kann aus dem informativen Mehrwert schnell eine Ablenkung und Irritation für den Fahrer werden. Durch intelligente Sensordatenfusion schaffen die Entwickler ein deckungsgenaues und hochwertiges Anzeigeerlebnis. Um den Eindruck einer Verschmelzung von Realität und Anzeigen entstehen zu lassen, nutzt das System die leistungsfähige Umfelderkennung und die Sensoren des Fahrzeugs wie GPS-Daten, die Frontkamera und das Radar der Aktiven Geschwindigkeitsregelung, die zudem von weiterentwickelten digitalen Karten mit Fahrbahninformationen gestützt werden. Auf dieser Basis erfolgt die Berechnung und Anzeige der kontaktanalogen Hinweise.
Die Entwickler sehen das kontaktanaloge Head-Up Display als Schlüssel zu einer neuen Welt von Anzeigeerlebnissen. Dabei sind die beiden Anwendungsfälle für das Navigationserlebnis und bei Fahrassistenzsystemen nur erste Entwicklungsstufen. Wohin die Reise gehen kann, zeigt das Konzeptfahrzeug BMW Vision ConnectedDrive, wo zahlreiche weiterführende Informationen kontaktanalog dargestellt werden.
Erprobung in der Fahrsimulation.
Erprobt werden neue Anzeigesysteme wie das kontaktanaloge Head-Up Display zunächst vor allem in den Fahrsimulatoren der BMW Group. Die Realisierung im Fahrsimulator ist kostengünstiger und Veränderungen lassen sich schneller darstellen als in einem Fahrzeugprototyp. So lassen sich im identischen Umfeld unterschiedliche Varianten schnell umsetzen und mit zahlreichen Probanden in kurzer Zeit verkehrssicher untersuchen. Denn gerade neue Anzeigekonzepte wie das kontaktanaloge Head-Up Display erfordern einen sehr hohen Absicherungsaufwand, da mit ihnen Neuland betreten wird.
Die Fahrsimulatoren der BMW Group bieten optimale Voraussetzungen für eine hochrealistische Untersuchung komplexer Anzeigevorgänge. Bis zu sieben Full-HD-Projektoren ermöglichen die hochauflösende und scharfe Darstellung der Umwelt, was vor allem für die Erfassung und Klassifizierung von weiter entfernten Objekten sowie das Erkennen von Straßenverläufen wichtig ist. Außerdem können die Spezialprojektoren auch bewegte Inhalte gestochen scharf wiedergeben. Denn gerade bei Fahrten im städtischen Umfeld mit hoher Dichte an detailreichen Objekten ist eine flüssige und scharfe Darstellung von großer Bedeutung. Sie stellt eine belastbare Beurteilung des Fahrvorgangs sicher.
Gemeinsam eröffnen die Hochleistungsprojektoren ein Sichtfeld von 240 Grad im Umkreis des Fahrers, vertikal liegt der Sichtbereich bei 45 Grad. Durch die Darstellung der Fahrszene auf den Seitenwänden neben dem Fahrzeug können auch Kreuzungen und komplexe Abbiegevorgänge optimal dargestellt und eingeschätzt werden. Der Fahrer ist sich so seiner genauen Position in der Fahrumgebung bewusst und kann wie in der Realität zielgenau abbiegen.
Um neue Systeme untersuchen und bewerten zu können, wurde in den letzten Jahren bei der BMW Group die Darstellung einer Großstadt mit all ihrer Komplexität im Simulator entwickelt und verfeinert. Das Ergebnis dieser Arbeit ist in Form und Qualität einzigartig und verbunden mit entsprechend hoher Rechenleistung. Eine Bildwiederholrate von 60 Hertz sorgt dafür, dass die Fahrumgebung mit dichtem Verkehrsaufkommen flüssig dargestellt wird. Das heißt, das angezeigte Szenario wird 60-mal pro Sekunde gerechnet und angezeigt. Die komplexen Kreuzungslayouts und Straßenzüge dieser Großstadt bieten nun die ideale Grundlage für die Untersuchung von spurgenauer Navigation und kontaktanalogen Anzeigen.
„Je näher wir mit der Simulation an die Realität heranreichen, desto aussagekräftiger sind die gewonnenen Ergebnisse. Davon profitieren die Navigations- und Fahrerassistenzentwickler und die Spezialisten für das Anzeige-Bedien-Konzept.“ (Martin Strobl, Leiter Fahrsimulation bei der BMW Group Forschung und Technik)
Neben den vielversprechenden Untersuchungen im Simulator erproben die Entwickler der BMW Group ihre Anzeigekonzepte natürlich auch in Prototypen auf der Straße. Die Ergebnisse aus dem Simulator werden aufs Fahrzeug übertragen und dort dann weiter verfeinert. Beide Testumgebungen sind für verlässliche und valide Erkenntnisse zu Anzeige und Bedienung unverzichtbar.
Quelle: BMW Presse Mappe zu den BMW Innovationstagen ConnectedDrive 2011 vom 05.10.2011
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