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Die Straße ins LaborOb eine innovative Idee erfolgreich umgesetzt werden kann, lässt sich immer erst durch die Erprobung in der Praxis belegen. Dort zeigt sich, ob die Theorie den Anforderungen der Realität auch gerecht wird. Deshalb sind und bleiben Testfahrten für die BMW Group ein unverzichtbarer Bestandteil in der Fahrzeugentwicklung und -absicherung. Dabei legen die Prototypen auf Teststrecken und Straßen rund um die Welt viele Millionen Versuchskilometer zurück. Die Fahrzeuge müssen sich auf Erprobungsfahrten in Alaska und Skandinavien in Kälte und Schnee bewähren, sie werden durch Regen- und Feuchtgebiete gefahren, um Klimaanlagen unter tropischen Bedingungen zu testen, und in den Gipfeln der Alpen oder der Rocky Mountains überprüfen die Versuchsingenieure beispielsweise die Auswirkungen der sauerstoffarmen Höhenluft auf das Motormanagement. Außerdem geht es für die Versuchsträger mit Höchstgeschwindigkeit durch die Hitze der Wüste von Südafrika und letztendlich im Stop-&-Go-Verkehr durch die belebte Innenstadt von Tokio. Und diese Liste lässt sich weiter fortführen. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Kälteprüfstand
Testfahrten liefern den Entwicklungsingenieuren der BMW Group wertvolle Erkenntnisse über das Verhalten einzelner Komponenten sowie über das Verhalten des Gesamtfahrzeugs. Doch Testfahrten auf der Straße erfordern hohen Aufwand an Mensch und Fahrzeug, finden nicht immer unter optimalen Bedingungen statt und können meist nicht beliebig oft mit den gewünschten Parametern wiederholt werden. Mit dem neuen Energie- und umwelttechnischen Versuchszentrum (EVZ) der BMW Group wird dies nun anders. „In den neuen Prüfständen durchläuft das Auto in wenigen Stunden Bedingungen, für die es bislang einmal um die Welt musste: Alaska, Südafrika, Schweiz, …“ Viele Testfahrten können nun innerhalb der neuen Prüfstände im EVZ stattfinden. Die realistische Simulation von Umweltbedingungen wie Hitze, Kälte, Höhe oder Niederschlag im Prüfstand eröffnet völlig neue Prüfmöglichkeiten. Unabhängig von äußeren Bedingungen wie Jahreszeiten, Tageszeiten, Temperaturen oder Niederschlag können die Testfahrten im EVZ innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen durchgeführt werden – statt bisher innerhalb mehrerer Wochen und sogar Monate. Durch Kombination der unterschiedlichen Prüfstände in Verbindung mit den ausgeklügelten Prüfmethoden der Methodeningenieure können im EVZ das ganze Jahr über ideale Prüfbedingungen eingestellt werden. Bisher stellte sich die Frage: Testfahrt oder Prüfstand? Untersuchungen auf der Straße liefern aussagekräftige und realitätsnahe Ergebnisse für die Entwicklung und Absicherung von Fahrzeugen. Jedoch sind Testfahrten bedeutend anspruchsvoller durchzuführen und zudem schwerer auszuwerten als Versuche auf dem Prüfstand. Gerade die Reproduzierbarkeit der Testbedingungen stellt auf der Straße eine sehr große Herausforderung dar. Denn aufgrund der Abhängigkeit von äußeren Faktoren gleicht kaum eine Fahrt – und damit auch kaum eine Messung – der anderen. Ein Beispiel: Eine typische Versuchsfahrt zur Absicherung der thermischen Betriebssicherheit besteht darin, im Hochsommer mit einem schweren Anhänger mehrmals eine anspruchsvolle Bergstraße hinaufzufahren. Zahlreiche Unwägbarkeiten, wie Fahrradfahrer, ein spontan hohes Verkehrsaufkommen, unvorhersehbare Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer, Umleitungen oder Temperatur- und Wetterumschwünge machen es jedoch nahezu unmöglich, diese Strecke zweimal hintereinander unter den exakt gleichen Bedingungen zu fahren – ob in Bezug auf Zeit, Geschwindigkeit, Umgebungstemperatur oder Lastwechsel. Die Ergebnisse der beiden Versuchsfahrten sind damit nicht ohne Weiteres vergleichbar, sondern müssen von den Versuchsingenieuren auf ihren Aussagegehalt hin interpretiert werden. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Kälteprüfstand
Bei Versuchsfahrten im Prüfstand dagegen lassen sich die Prüfbedingungen bestens reproduzieren, die Mess- und Auswertetechnik registriert dabei jede Veränderung am Fahrzeug. Auf Prüfständen der letzten Generation bildeten die Tests die Summe der Beanspruchungen einer Fahrt unter Realbedingungen noch nicht vollständig ab. Die Ergebnisse waren noch nicht direkt übertragbar, auch hier musste noch interpretiert werden. „Bisher standen wir immer vor der Entscheidung: auf dem Prüfstand unter justierbaren und reproduzierbaren Parametern messen – mit Abstrichen bei der Realitätsnähe. Oder auf der Straße unter realistischen Bedingungen testen, die sich aber nicht reproduzieren lassen. Beides gleichzeitig ging nicht. Jetzt ist das anders.“ Im EVZ: Testfahrt im Prüfstand – das Beste aus beiden Welten. Mit dem EVZ gelingt den Entwicklungsingenieuren der BMW Group die Verbindung der beiden Testwelten „Straße“ und „Prüfstand“. Durch seine Ausstattung bietet das EVZ deutlich verbesserte Testmöglichkeiten gegenüber den bisherigen Prüfständen. „Die Anordnung von fünf Klimaprüfständen unter einem Dach gibt uns einzigartige Testmöglichkeiten für unsere Fahrzeuge. Alle Prüfumfänge können in extrem kurzer Zeit durchlaufen werden – ein Fahrzeug umrundet quasi in acht Stunden einmal die Welt.“ So lassen sich hier erstmals auch in einem Klimaprüfstand hochdynamische Versuche fahren. Fahrprofile können im Prüfstand so abgebildet werden, wie der Kunde auf der Straße tatsächlich fährt – sprich Gas gibt und bremst. Mit der „Umweltsimulation“ erhalten sämtliche Umgebungsbedingungen einer Straßenfahrt Einzug in den Prüfstand. Die Möglichkeit, Sonne, Regen, Schnee, Wind, Luftfeuchtigkeit und sogar Höhe zu simulieren, eröffnet völlig neue Erprobungswelten – im wahrsten Sinne des Wortes: In den Prüfständen im EVZ können Versuchsfahrten stattfinden, die aufgrund der dort herrschenden Bedingungen bisher nur in Südafrika, Tokio oder Alaska durchgeführt werden konnten. Die Daten aus dem Prüfstand sind reproduzierbarer und zeigen sehr genau, ob Bauteile ihre Funktion erfüllen oder bestimmte Funktionsstrategien tatsächlich zu einer Kraftstoffeinsparung führen. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Querschnitt Thermowindkanal
Viele Vorteile für Mensch, Maschine und Umwelt. Das neue Prüffeld birgt viele, vor allem prozessbezogene Vorteile. Zahlreiche Testfahrten in Heiß- und Kaltländern, die durch Flüge sehr aufwendig, teuer und CO2-intensiv sind, können nun jahreszeitenunabhängig – und damit deutlich kostengünstiger und umweltschonender – im EVZ stattfinden. Damit wird der Entwicklungsprozess insgesamt kürzer und einfacher. Der entzerrte Prüfkalender ermöglicht eine deutlich bessere Auslastung der Prüfstande bei gleichzeitig weniger Versuchsträgern, da diese nicht mehr wochenlang auf Erprobung und damit nicht verfügbar sind. Lästige Transferzeiten entfallen und die Versuchsingenieure müssen nicht in die weit entfernt liegenden Prüfgebiete mitfliegen. Zudem stehen die aussagekräftigen Ergebnisse nach der Untersuchung sofort zur Verfügung. Bei allen Bemühungen, die Straße ins Labor zu holen, ist der BMW Group eines besonders wichtig: Das EVZ ist kein Ersatz für Testfahrten auf der Straße und will dies auch gar nicht sein. Vielmehr dient es als effiziente Ergänzung. Daher achten die Ingenieure der BMW Group sehr genau darauf, welche Prüfumfänge und Versuchsfahrten im EVZ und welche auf der Straße durchgeführt werden. Beispielsweise Untersuchungen zur subjektiven Beurteilung von Fahreigenschaften wie Komfort, Anfahrverhalten oder der Querbeschleunigung in Schräg- oder Kurvenfahrt, müssen nach wie vor auf der Straße oder dem Messgelände stattfinden – denn nur dort sind diese Faktoren wirklich beurteilbar. Gerade bei der Straßenerprobung entstehen auch immer wieder neue Anforderungen an die Entwicklungsingenieure durch den Abgleich mit der „Welt und Wahrnehmung des Kunden“. „Es wird immer Straßenversuche geben, denn nur dort kann das Fahrverhalten unter realen Straßenbedingungen getestet werden. Das subjektive Fahrgefühl der Testfahrer und Versuchsingenieure – das sogenannte „Popometer“ – ist ein Messinstrument das wir nicht missen wollen.“ Wie holt man die Straße in den Prüfstand? – Die Methodenentwicklung. Um die Straße ins Labor zu holen, braucht es zum einen bestens ausgerüstete Prüfstände. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch die Prüfmethoden, die es ermöglichen, realitätsnahe Fahrten im Prüfstand durchzuführen und damit die Voraussetzungen des EVZ bestmöglich zu nutzen. Ziel ist es, die Umweltbedingungen einer Testfahrt auf der Straße im Prüfstand möglichst realitätsnah zu simulieren – also die Anforderungen der Versuchsingenieure über eine bestimmte Testkonstellation im Prüfstand abzubilden. „Erst eine richtig abgestimmte Prüfmethode macht den Prüfstand zur Straße.“ Das Vorgehen bei der Prüfmethodenentwicklung gliedert sich in mehrere Phasen: Nachdem alle Anforderungen der entwickelnden und absichernden Abteilungen eingeholt wurden, wägt man ab, welche Prüfumfänge im EVZ überhaupt durchgeführt werden können und bei welchen dies sinnvoll ist. Sind die entsprechenden Untersuchungen identifiziert, werden die relevanten Straßendaten eingemessen und dem Prüfstand „beigebracht“, sodass dort auf Knopfdruck ein bestimmtes Fahrprofil abläuft. Abschließend wird der Prüfzyklus validiert und durch die Versuchsingenieure bestätigt. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Kälteprüfstand
Anforderungsmanagement – wer will was und warum. Für das EVZ wurde im ersten Schritt erfasst, welche Prüfanliegen es im Unternehmen gibt. In einer gezielten Bedarfserhebung befragten die Prüfmethodenentwickler alle potenziellen „Testkunden“ aus dem gesamten Entwicklungsbereich des Unternehmens – insgesamt über fünfzig Abteilungen inkl. Motorsport und Motorrad –, welche Prüfanforderungen sie haben, wie ihr ideales Prüffeld aussieht und auf welche Parameter sie besonders großen Wert legen. Ziel dieser Befragung war jedoch nicht, blind jeden Bedarf mit dem EVZ zu erfüllen. Vielmehr galt es, ein Untersuchungsportfolio zu erarbeiten, das die Maximierung der Substituierbarkeit in Verbindung mit einer visionären Prüfstandsarchitektur schafft: Eine Prüfstandsumgebung, die alle erforderlichen Voraussetzungen bietet, um möglichst viele Untersuchungen von der Straße in den Prüfstand zu übertragen und dabei auch die Anforderungen der automobilen Zukunft, wie spezielle Prüfzyklen für Hybrid-, Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge, zu berücksichtigen. Deshalb mussten die Fachabteilungen im Rahmen der Bedarfserhebung ihre Anforderungen auch plausibilisieren, also begründen, wofür sie das, was sie fordern, brauchen. Denn neben der Identifizierung sämtlicher Prüfanliegen galt es vor allem zu klären, welche der Untersuchungen in den Prüfstand übertragen werden können und bei welchen dies sinnvoll ist. Im EVZ wurden dann nur Versuche umgesetzt, die entweder auf der Straße nicht oder im Labor besser und günstiger durchgeführt werden können. Der Berg muss in den Prüfstand. Sobald der Bedarf identifiziert und plausibilisiert war, begannen die Experten der BMW Group damit, die richtige Prüfmethode für den jeweiligen Versuchsumfang zu entwickeln. „Wir können einem Prüfstand nahezu jede Last, die in der Natur vorkommt, beibringen. Das Entscheidende ist die richtige Kombination der einzelnen Parameter. Erst dann wird bei den Messungen kein Unterschied zur Fahrt auf der Straße sichtbar. “ Doch bis das Fahrzeug im Prüfstand tatsächlich keinen Unterschied mehr zu der Erprobungsfahrt merkt, ist es ein weiter Weg. Dies zeigt das Beispiel der dynamischen Bergfahrt mit Anhänger am Mount Ventoux. Der Versuchsaufbau: Ein Testfahrzeug fährt im Hochsommer mit einem schweren Anhänger die anspruchsvolle Bergstraße hinauf, um bestimmte Fahrzeugkomponenten bewusst an die Grenze ihrer thermischen Belastbarkeit zu bringen. Sämtliche testrelevanten Bedingungen dieser Fahrt im Prüfstand darzustellen, war nur eine der vielen Herausforderungen für die Prüfmethodenentwickler. Denn nicht nur Umweltbedingungen wie Temperatur und Sonneneinstrahlung müssen dafür simuliert werden, sondern auch der Roll- und Luftwiderstand und die Hangabtriebskraft müssen im Prüfstand korrekt abgebildet werden. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Höhenprüfstand
Voraussetzung dafür ist ein Vorbild in Form einer physikalischen Beschreibung des bisherigen Prüfablaufs auf der Straße. Die Versuchsingenieure messen ihre Straßenreferenzversuche ein und erfassen die während der Fahrt herrschenden Fahrzeug-, Straßen- und Umweltbedingungen. Von der Anfahrt über Land und Autobahn, die zur Vorkonditionierung des Fahrzeugs dienen, bis hin zur tatsächlichen Untersuchungsfahrt am Berg, wird die Fahrt mehrdimensional aufgezeichnet. Die Messtechnik erfasst jede Zehntelsekunde die relevanten Parameter von Fahrzeug und Umwelt. Dazu gehört vor allem der sich ständig ändernde Fahrwiderstand, der sich aus den Komponenten Reifenreibung, Luftreibung, Hangabtrieb und Massenträgheit zusammensetzt. Aber auch Umweltbedingungen wie Wind, Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Niederschlag und Sonneneinstrahlung – eben alle ergebnisrelevanten Faktoren, die sich später im Prüfstand einzeln simulieren und steuern lassen – werden in Form eines Profils erfasst. Das Sonnenprofil beispielsweise repräsentiert die Einstrahlung zu jedem Testzeitpunkt des Versuchs. Die einzelnen „Teil-Realitäten“ bilden die Ausgangsbasis für eine spätere Substitution des Straßenversuchs im Prüfstand. „Wir setzen die in der Realität gewonnenen Daten systematisch zusammen und erhalten so im Prüfstand eine künstliche Ersatzrealität. Am Ende gibt es eine Art ‚Prüfchoreographie‘ für bestimmte Versuche, und wir können im Prüfstand per Knopfdruck einen Berg in Südfrankreich simulieren.“ Die Prüfstände im EVZ ermöglichen sogar die Simulation von Fahrten mit Anhängern, ohne tatsächlich einen Anhänger hinter sich herziehen zu müssen. Der erhöhte Fahrwiderstand eines Anhängergespanns wird über die Prüfstandsrollen dem Antriebsstrang des Fahrzeugs vorgegeben. Eine Kennlinie in Form einer mathematischen Funktion repräsentiert, welcher Widerstand zu überwinden ist, um ein Fahrzeug konstant auf der jeweiligen Testgeschwindigkeit zu halten, und welche Kräfte durch die Prüfstandsrollen zu simulieren sind. Ein Beispiel: Um in der Ebene eine Geschwindigkeit von 80 km/h zu halten, benötigt ein BMW 5er Touring einen ständigen Schub von 430 Newton, um den Roll- und Luftwiderstand zu überwinden. Dasselbe Fahrzeug mit einem zwei Tonnen schweren Anhänger dagegen benötigt einen Schub von 1380 Newton, um konstant mit 80 km/h zu fahren, also rund dreimal so viel. Durch eine umfassende Datenerhebung liegen im EVZ über den gesamten dynamischen Prüfzyklus automatisch die korrekten, spezifischen Fahrwiderstandswerte am Antriebsstrang des zu prüfenden Fahrzeugs an. Und das sogar temperaturkorrigiert, da bei Kälte der Luftwiderstand des Fahrzeugs etwas höher ist als bei Hitze. In enger Zusammenarbeit mit den Testkunden bildet das EVZ ein Portfolio von über 150 Untersuchungsfahrten ab, die simuliert werden können. Dazu gehören unter anderem Versuche zur Fahrwerkauslegung am Stilfser Joch, Bremsentests am Großglockner oder Regentests bei Hochgeschwindigkeit. Gerade bei den Hochgeschwindigkeitsfahrten trägt die Verlagerung in die Prüfstandsumgebung des EVZ auch zur Erhöhung der Personensicherheit bei. Denn Fahrten im Grenzbereich fordern höchste Konzentration von den Versuchsingenieuren. Im Prüfstand dagegen sitzt der Fahrer selbst bei Höchstgeschwindigkeit sicher im Leitstand und kontrolliert die Messergebnisse. Auch zukünftige Prüfthemen wurden bei der Methodenentwicklung berücksichtigt. So arbeiten die Prüfmethodenentwickler gemeinsam mit den Fachabteilungen an Zyklen, für die noch keine Datengrundlage vorliegt. Besonders im Hinblick auf die Entwicklung und Absicherung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen leisten die Versuchsingenieure der BMW Group hier Pionierarbeit. Das neue Energie- und umwelttechnische Versuchszentrum - Höhenprüfstand
Die Synthetisierung von Streckenprofilen – Jetzt wird’s effizient. Mit den entsprechenden Prüfmethoden ist es möglich, im EVZ nahezu jedes Streckenprofil abzubilden und exakt nachzufahren. Der Versuchsingenieur erhält ein Prüfprofil, das genau der gewünschten Fahrt auf der Straße entspricht. Bei einer effizienten Fahrzeugentwicklung zählt jedoch vor allem die schnelle Erreichung des Prüf- und Absicherungsziels. Das ideale Streckenprofil hierfür war eventuell nirgends auf den Straßen dieser Welt zu finden. Hier beginnt der zweite Schritt der Methodenentwicklung: die Synthetisierung von Streckenprofilen. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Vereinfachung und Komprimierung der wesentlichen und versuchsentscheidenden Passagen des eingemessenen Streckenprofils. Das reale Profil dient den Ingenieuren nur mehr als Ausgangsbasis. „Ziel der Synthetisierung ist es, identische Zustände des Fahrzeugs in kürzerer Zeit zu produzieren. Unwesentliche Teile einer Testfahrt in der Realität werden einfach ‚herausgeschnitten‘.“ Auf Basis der Realfahrt gilt es also, ein Profil zu erstellen, das möglichst einfach beschreibbar und reproduzierbar ist, aber mindestens ebenso aussagekräftig. Dazu entfernt man die Abschnitte aus dem Prüfablauf, die keinen Einfluss auf das Ergebnis haben, z.B. Kurven, die nur langsam durchfahren werden können, oder eine Anfahrtszeit zur Vorkonditionierung. Die Komprimierung der Streckenprofile stellt die Ergebnisse bereits nach kürzerer Zeit zur Verfügung und spart wertvolle Ressourcen, da der Prüfstand nicht unnötig in Betrieb ist. Darüber hinaus ermöglicht das EVZ, die eingemessenen und synthetisierten Profile miteinander zu verbinden, also Eigenschaften verschiedener Teststrecken zu einem einzigen langen Streckenprofil zusammenzufassen. „Wir entwickeln hier Ersatzprofile, die uns aber schneller an das gesetzte Entwicklungsziel bringen. Wir können völlig neue Teststrecken erstellen, die ein Konglomerat aus anspruchsvollen Streckenabschnitten darstellen: So können wir theoretisch morgens in Norwegen bei Schneetreiben losfahren und schon drei Stunden später die Klimaanlage im Stop-&-Go-Verkehr von Neapel bei sommerlichen Temperaturen testen. In einem Raum, mit einem Auto.“ Die Synthetisierung von Streckenprofilen ist jedoch nur ein Teil des Weges zur optimalen Prüfumgebung. Des Weiteren arbeiten die Prüfmethodenentwickler an der Definition von einheitlichen Vorgaben für die Fahrzeugabsicherung, z.B. Belastungs- und Zugkräfte, die versuchs- und baureihenspezifisch gelten sollen. Denn solche Standards stellen die Vergleichbarkeit der Messergebnisse zu realen Straßenversuchen sicher und ermöglichen eine effiziente und valide Absicherung im EVZ. Von der Straße ins Labor – jetzt aber richtig. Nach der Datenerhebung, der Methodenentwicklung, der Synthetisierung der Strecken und deren Implementierung in die Prüfstände werden zuletzt die Methoden validiert. Es wird geprüft, wie zuverlässig die Prüfstände in ihrer Simulation die Teilrealitäten abbilden und dass die Ergebnisse der Straßenerprobung mit denen im Prüfstand übereinstimmen. Erst damit wird der Prüfstand nutzbar. Das ehrgeizige Ziel ist, bestimmte Umfänge nur noch im Prüfstand zu fahren und nur noch vereinzelt Straßenerprobungen durchzuführen. 80 Prozent aller Prüfumfänge aus den Bereichen thermische Betriebssicherheit, Energie- und Wärmemanagement, Tieftemperatur-Betriebsverhalten, sowie Betriebs- und Funktionsabsicherung bei diversen Umweltbedingungen finden zukünftig in München im EVZ statt. Visionäre Prüfungen, die Zukunft schon heute im EVZ: Efficient Dynamics – Ladebilanzierung Auch für zukünftige Entwicklungen im Rahmen der Effizienzforschung birgt die Verlagerung von Straßenerprobungen in den Prüfstand zahlreiche Vorteile. Gerade für die Entwicklung von Einsparmaßnahmen ist ein präzises Prüffeld unbedingte Voraussetzung. Im EVZ sind bestimmte Messungen in bisher ungekannter Präzision möglich. Bei der Ermittlung von CO2-Emissionen beispielsweise lassen sich nun auch Maßnahmen identifizieren, die für eine Einsparung von bis zu einem Gramm CO2/km sorgen. Was in den Straßenerprobungen aufgrund der äußeren Einflussfaktoren im Bereich der Messstreuungen lag und deshalb nicht bewertet werden konnte, lässt sich im EVZ nun klar nachweisen. Gerade für die Strategie von Efficient Dynamics ist dies von großer Bedeutung, da sie auch und gerade auf die Summeneffekte vieler kleiner Maßnahmen baut. Aber nicht nur aktuelle Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Emissionsvermeidung werden im EVZ adressiert, auch Prüfmethoden für die Forschungsthemen und Mobilitätsformen der Zukunft werden hier bereits entwickelt. Ein besonders wichtiger Prüfumfang, der bereits heute im Prüfstand gut und präzise darstellbar ist, ist die Ladebilanzierung der Fahrzeugbatterie. Anhand der Ladebilanzierung lässt sich untersuchen, wie sich der Einfluss der unterschiedlichen elektrischen Verbraucher unter bestimmten, klar definierten Bedingungen darstellt. In naher Zukunft liegt hier die Erforschung und Entwicklung neuer Betriebsstrategien, wie dem vorausschauenden Energiemanagement. Hierbei wird das Fahrzeug so konditioniert, dass es je nach Fahrsituation alle Parameter auf höchste Effizienz oder Dynamik ausrichtet. Um Energie zu sparen, soll die Autobatterie beispielsweise nicht sofort geladen werden, wenn sie einen bestimmten Spannungswert unterschreitet, sondern dann, wenn es am sinnvollsten ist, beispielsweise bei der Bergabfahrt oder einer voraussehbaren Bremsung wie vor einer roten Ampel. Die Ausstattung der Prüfstände und die synthetisierten Versuchszyklen im EVZ ermöglichen es auch in Zukunft, die Fahrzeuge bestmöglich abzustimmen und vorhandene Einsparpotenziale komplett auszuschöpfen. Vor allem langfristig und im Hinblick auf die zunehmende Elektrifizierung sowie Hybridisierung der Fahrzeuge wird dies besonders bedeutsam, daher entwickeln die Ingenieure bereits spezielle Prüfprofile für Elektrofahrzeuge. Ein Hybridsimulator liefert die Energie für die Antriebsquelle und ist gleichzeitig mit hochsensiblen Messfühlern ausgerüstet, sodass die Ingenieure in Echtzeit den aktuellen Energiebedarf ablesen und entsprechende Rückschlüsse auf die Verbraucher und deren Einfluss ziehen können. Dies ist in dieser Form bisher einzigartig und ein gutes Beispiel dafür, wie auch die zukunftsorientierten Prüfbedarfe der Entwickler aufgenommen und umgesetzt wurden. Quelle: BMW Presse-Information vom 19.05.2010 |
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Weiter: Nachhaltigkeit bei der BMW Group – Efficient Dynamics = Efficient Testing.
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