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Offensichtlich musst Du dir laut beiliegendem Artikel nach dem 1. Staatsexamen, zu dem ich dir viel Erfolg wünsche, schon mal langsam Gedanken machen wer dein Doktorvater sein könnte:
„Machen Sie auch mal Urlaub“
Jura-Professor Ingo von Münch über die Tücken der Promotion – wie man das richtige Thema und keinen Doktorvater findet, aus dem „Hat doch alles keinen Sinn“-Loch kommt und warum es für 8000 Fußnoten nicht die Höchstnote gibt
die zeit: Für wen lohnt es sich zu promovieren?
Ingo von Münch: Das lässt sich nicht pauschal für alle Disziplinen beantworten. In der Medizin ist es beispielsweise üblicher und wichtiger. Generell lohnt es sich für jeden, der Freude an selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit hat.
zeit: Wer sollte auf eine Promotion lieber verzichten?
Münch: Die meisten Promotionsvorhaben verlaufen im Sande, wenn jemand eine attraktive berufliche Position bekommt. Da heißt es abzuwägen: Ist es sinnvoll, später einen Doktor zu haben, aber keinen Job, oder jetzt einen Job, aber nicht den Doktor?
zeit: Wie viel Ansehen ist mit einem Doktortitel heutzutage noch verbunden?
Münch: Auch das ist nach Disziplinen unterschiedlich. Der Dr.-Ing. zählt heute mehr als manche anderen Doktortitel. Generell kann man sagen, dass der Doktorgrad als solcher heute keine besondere gesellschaftliche Position verleiht. Im 19. Jahrhundert dagegen gab es beispielsweise besondere Regeln für die Sitzordnung bei Tisch, wenn ein Doktor anwesend war.
zeit: Kann ein Doktortitel vielleicht sogar albern oder übertrieben wirken?
Münch: Nicht der akademische Grad als solcher, wohl aber seine Präsentation. Es fällt negativ auf, wenn sich jemand mit dem Doktortitel vorstellt oder einen Brief mit ihm unterschreibt.
zeit: Wie kann ich einen Professor davon überzeugen, mein Doktorvater zu werden?
Münch: Die meisten Studenten machen einen Fehler: Sie lassen das Studium eher schleifen und haben nach dem Abschluss auf einmal die Idee zu promovieren. Sinnvoller wäre, schon während des Studiums ein wenig an eine spätere Promotion zu denken. Das bedeutet zum Beispiel, dass man Kontakt zu Professoren sucht.
Es gibt Studenten, die haben noch so eine Pennäler-Einstellung und machen um jeden Professor einen weiten Bogen. Aus Angst, ihre Kommilitonen könnten sie sonst für Schleimer halten. Man kann sich aber schon als Student durch gute Leistungen oder gescheite Fragen in der Vorlesung in den Kopf eines Professors eingraben.
Sehr viele Dissertationen entstehen übrigens aus Seminararbeiten: Es kommt vor, dass der Seminarleiter den Studenten fragt, ob er nicht später bei ihm promovieren möchte. Gelegentlich gibt es sogar einen kleinen Konkurrenzkampf um die besten Studenten.
zeit: Und wenn ich es nicht geschafft habe, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen?
Münch: Der Normalfall ist, dass Sie einen Professor ansprechen, dessen Forschungsschwerpunkt Sie besonders interessiert. Ein häufiges Problem ist, dass der sich wochen- oder monatelang nicht äußert, ob er Sie annimmt. Dadurch stehlen viele Hochschullehrer jungen Menschen Zeit.
zeit: Wie hake ich dann nach, ohne zu nerven?
Münch: Wenn Sie einen guten Draht zur Sekretärin haben, fragen Sie sie, ob sie etwas weiß. Oder in welcher Form – Brief, E-Mail, Anruf – Sie am besten nachfragen sollten. Aber geben Sie Ihr Promotionsvorhaben nicht auf, weil der zuerst Angesprochene sich nicht meldet. Suchen Sie lieber einen anderen Doktorvater.
zeit: Muss ich schon ein fertiges Dissertationsthema mitbringen?
Münch: Auch das ist von Fach zu Fach, von Professor zu Professor unterschiedlich. Manche ziehen gleich eine Liste mit möglichen Promotionsthemen aus der Schublade. Ich meine, der Doktorand sollte sich das Thema am besten selber suchen, weil er dann eine ganz andere, viel engere Beziehung dazu hat.
zeit: Was, wenn der Doktoranden-Albtraum wahr wird, er ein Jahr an einem Thema geschrieben hat und es plötzlich von jemand anders veröffentlicht sieht?
Münch: Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Doppelung ist gering. Und zwei, die das gleiche Thema behandeln, tun das fast immer unterschiedlich: in der Methode, im Ansatz, im Ergebnis. Es spricht aber einiges dafür, die Doktorarbeit zügig zu schreiben. Länger als drei, vier Jahre sollte man nicht daran sitzen, wenn man das nicht gerade neben dem Beruf macht.
zeit: Viele Doktoranden stürzen irgendwann in das „Hat doch alles keinen Sinn“-Loch. Wie kommt man da wieder raus?
Münch: Durch Urlaub. Drei, vier Wochen nicht an der Arbeit schreiben. Dann mit anderen Doktoranden reden, sich selber überprüfen: Ist das eine Stressphase, oder macht es wirklich keinen Sinn? Eine unvollendete Promotion wird lebenslang ein Stachel sein, auch wenn sie weder beruflich noch gesellschaftlich schadet. Man hat etwas nicht zu Ende gebracht. Aber es kann natürlich Situationen geben, die so quälend sind, dass man lieber einen Schnitt macht.
zeit: Wenn Eltern oder Job nicht genug hergeben – wie finanziere ich mich am besten?
Münch: Der klassische Fall ist die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters, aber davon gibt es immer weniger. Dafür gibt es mehr Stipendien. Es sind sogar relativ viele, wenn man sich nur umschaut.
zeit: Wie viel Zeit muss ich investieren?
Münch: Das hängt vom Fach ab. Es gibt Leute, die haben angeblich in sieben Monaten promoviert, andere haben fünf Jahre und länger gebraucht. Der Hauptfaktor ist die Suche nach dem Doktorvater. Die sollte binnen sechs Monaten abgeschlossen sein. Das Thema hat man in der Regel schon. Falls man es noch suchen muss: noch mal drei Monate. Das Schreiben ist von Fach zu Fach unterschiedlich aufwändig.
zeit: Wie viel Seiten muss ich füllen?
Münch: Früher waren Doktorarbeiten sehr viel kürzer, manchmal sogar ohne Fußnoten. Heute liegt eine typische Doktorarbeit in Jura bei rund 200 Seiten. Der Glaube: Je umfangreicher die Arbeit, umso besser die Note, ist ein Irrglaube. Ich hatte eine Doktorarbeit mit 8000 Fußnoten zu betreuen. Für die hat der Doktorand nicht die Höchstnote bekommen und war sicherlich enttäuscht. Zur wissenschaftlichen Arbeit gehört auch die richtige Entscheidung, was ich ausführen muss und was nicht wichtig ist.
zeit: Wie komme ich am kostengünstigsten meiner Publizierungspflicht nach?
Münch: Im Copyshop. Möglichkeit zwei: „Books on Demand“ im Internet. Außerdem gibt es spezialisierte Verlage, die einen relativ geringen Druckkostenzuschuss nehmen. Bei renommierten Verlagen sind 6000 bis 8000 Euro keine Seltenheit. Da muss man sich natürlich fragen, ob sich das für einen selbst lohnt. Bei besonders guten Arbeiten vergeben einige Stiftungen Druckkostenzuschüsse.
zeit: Zur Promotion gehört auch eine mündliche Prüfung…
Münch: …die im Vergleich zur Dauer der Anfertigung der Dissertation ein Kurzfilm ist. In der mündlichen Prüfung fällt nur selten jemand durch. Aber auch das kann passieren. Meistens handelt es sich dabei um Doktoranden, die im Berufsleben stehen und sich nicht richtig vorbereiten konnten.
zeit: Ihr ultimativer Abschlussrat?
Münch: Nicht aufgeben! Eine Doktorarbeit zu schreiben ist zu einem entscheidenden Teil eine Frage der Ausdauer.
Quelle: DIE ZEIT
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