Kategorie: Wirtschaft 11.11.2003
Weiß-blauer Versandhandel
In Wackersdorf werden BMW-Bausätze verpackt und so Zölle umschifft
von Irma Held
Wackersdorf. Alles erinnert irgendwie an Modellbausätze von "Revell".
Aber nur irgendwie. Denn da ist doch vieles anders im BMW-Versorgungszentrum für
die Auslandsfertigung. Eine generelle Gemeinsamkeit aber gibt es: Es werden
Bausätze ausgeliefert.
3er und 5er BMWs, in Einzel- oder halbfertige Teile zerlegt und verpackt,
werden in die Montagewerke nach Malaysia, Russland oder Ägypten zum
Zusammenbauen versandt. Neuerdings tritt auch der 7er ordentlich verpackt die
Seereise nach Thailand an.
7er-Teile nach Thailand
Weil der 7er nach den Worten von Reinhard Eberl, der in Wackersdorf für
Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, das komplizierteste Auto darstellt, sind
die Münchner Autobauer stolz, dass es dennoch gelang, auch dieses Fahrzeug zu
verpacken und im eigenen Betrieb in Thailand nach den im Unternehmen
herrschenden Qualitätsstandards zu montieren. Die thailändischen Arbeiter wurden
in Deutschland angelernt. In den Werken wird Serienfertigung betrieben, ohne
Roboter. Dennoch sind viele Teile handverlesen, Schrauben beispielsweise. Sie
werden im Werk Wackersdorf abgezählt und eingetütet.
Im Kopf und im Computer
Jens Hantscho verpackt gerade elektrische Fensterheber für den 3er, der nach
Kaliningrad geschickt wird. 24 Stück kommen in eine Kiste, denn in Chargen von
24 wird der 3er verschickt. "Beim 5er sind es 12", sagt Hantscho. "Ich brauche
für diesen Auftrag eine Stunde." Dann nimmt er sich neue Teile. Das können
wiederum auch Parts für die Produktionswerke in USA oder Südafrika sein.
Hantscho hat einige Packpläne im Kopf, bei den anderen hilft ihm "Kollege
Computer" weiter.
Logistische Meisterleistung
Hinter der sichtbaren Arbeit in der großen Halle steckt eine logistische
Meisterleistung, die über das "Just-in-time" deutlich hinaus geht. 115 Leute
sind allein mit der Disposition und der Logistik beschäftigt. Was morgens an
einem Hallenende von den täglich 160 bis 200 Lastwagen geladen wird, verlässt
abends um- und in Container verpackt auf Güterwaggons das große Industriegebiet
in Richtung Seehäfen.
Die Montagewerke ordern im Gegensatz zu den Produktionsstätten komplette
Fahrzeuge. Für diese Wagen wird eine Teileliste erstellt. Danach müssen
Packpläne und -vorschriften sowie Verpackungsmaterial (Fliesen, Folien,
vaporisierendes Papier) und Verpackungsart entwickelt werden. Die Pakete samt
Inhalt machen einiges durch, bis sie im Montagewerk ankommen.
Für den Thailänder 7er-BMW mussten, genau wie für jedes andere Versandmodell,
als erstes geeignete Behälter entwickelt werden. Metall- und Blechteile werden
vor dem Einpacken durch die Öldusche geschleust. Ölnebel konserviert und schützt
sie vor der Seeluft. Sauerstoffarme Verpackung minimiert das Risiko der
Korrosion. Blechteile dürfen sich auch nicht aneinander reiben, sollte mal hoher
Seegang herrschen.
Eigene Schreinerei
Die in der werkseigenen Schreinerei vorbereiteten und von den Verpackern
zusammengeschraubten Holzkisten werden vollautomatisch mit einer Klarsichtfolie
überzogen. Dann sind die Seiten-, Heckteile, Motorhauben oder Türen für die
große Fahrt bereit.
Zwölf Autos passen Eberl zufolge in acht Metallcontainer. Das ist ein "Lot",
die kleinste Versandeinheit für Autobausätze. Beim Zusammenstellen der einzelnen
Kisten, die im Container enthalten sind, greift wieder die Logistik. Die
Komplettlieferungen müssen so intelligent zusammengestellt werden, dass in den
Montagewerken kein großes Suchspiel beginnt.
Was oben in der Kiste liegt, wird als erstes verbaut. "Die Arbeiter dort
montieren aus den Kisten heraus." Da hilft es nichts, wenn bei den elektrischen
Fensterhebern noch Platz für Schrauben und Muttern wäre, die in diesem
Produktionsabschnitt aber nicht gebraucht werden. Die Montagewerker verlassen
sich auf die Packpläne und die Sorgfältigkeit der Wackersdorfer
"Verpackungskünstler". Wird ein Teil vergessen, muss mit dem Flugzeug
nachgeliefert werden. "Das passiert ganz, ganz selten", sagt Eberl. Die
gepackten Kisten werden stichpunktartig kontrolliert. Außerdem werden sie
gewogen. "Wenn eine Kiste 176 Kilo haben müsste und nur 172 hat, stimmt etwas
nicht." Dann wird sofort nachgeschaut und nachgebessert.
300 Prozent Luxussteuer
Dieser Aufwand, den BMW - auch alle anderen Autofirmen versenden Bausätze -
betreibt, macht einschließlich des Transportes rund 15 Prozent des
Fahrzeugwertes aus. Er rechnet sich allemal. Denn wollte BMW fertige Autos nach
Malaysia einführen und verkaufen, würden 300 Prozent Luxussteuer fällig. Werden
halbfertige Teile ins Land gebracht, wird 70 Prozent Importsteuer erhoben.
Malaysia ist laut Eberl der Extremfall. Aber auch ein in Thailand montierter
Wagen aus der 7er-Baureihe kostet mit 165000 Euro um 40000 weniger als ein aus
Deutschland importierter.
Wertschöpfung vor Ort
Schwellenländer (und dazu zählt Eberl Thailand, die Philippinen oder
Indonesien) schotten ihre Märkte ab und wollen die Wertschöpfung vor Ort
betreiben, durch das Schaffen von Arbeitsplätzen. Montagewerke bezeichnet Eberl
als "elegantes Werkzeug, um entwicklungsfähige Märkte zu erschließen". In diesen
Ländern gelte das Auto als Statussymbol, weshalb überproportional gut- bis
hochausgestattete Fahrzeuge gekauft werden. Einen Markt sieht BMW
selbstverständlich auch in China. Deshalb ist das Unternehmen ein Joint-Venture
eingegangen und eröffnet im Herbst ein Montagewerk in China mit der Projektion,
dort irgendwann mit einem Produktionswerk vertreten zu sein. Das Montagewerk in
China sollen zunächst 30000 Fahrzeuge jährlich verlassen.
Nach China
Die Teile gehen aber nach einer Anlaufphase nicht mehr von Wackersdorf
sondern von Regensburg aus auf Reisen. Geht es in China wirtschaftlich richtig
los, ist der Markt weitaus größer. Dann will BMW dort produzieren wie den USA
und in Südafrika.
Dieser Artikel wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Irma Held.
Bitte empfehlen Sie diesen Artikel weiter:
|