Kategorie: Klassik 10.09.2004
Vor 50 Jahren: Das Wunder von Monza
Noll/Cron werden auf BMW Weltmeister
Monza, 12. September 1954: Beim Großen Preis von Italien sehen Wilhelm
Noll und sein Beifahrer Fritz Cron mit ihrem vollverkleideten BMW Gespann als
Erste die Zielflagge. Damit ist klar: Der Weltmeistertitel in der Gespannklasse
geht zum ersten Mal nach Deutschland, zum ersten Mal an BMW. Schließlich ist es
für die beiden aus Kirchhain bei Marburg stammenden Fahrer schon der dritte
Saisonsieg. Zuvor haben der Kfz-Mechaniker Noll und der Telefontechniker Cron
mit dem Großen Preis von Deutschland und dem Großen Preis der Schweiz zwei
WM-Läufe eindrucksvoll gewonnen.
Bild: Weltmeister auf BMW in der 500
ccm-Seitenwagenklasse: Wilhelm Noll und Fritz Cron
Ihre erfolgreiche Saison wird durch zwei zweite Plätze - beim Ulster GP in
Belfast und beim GP von Belgien in Spa-Francorchamps - und einen dritten Platz
bei der TT auf der Isle of Man komplettiert. Damit ist das BMW Gespann nicht nur
bei allen sechs WM-Läufen des Jahres aufs Podium gefahren. Noll / Cron haben
außerdem die jahrelange Dominanz von Norton in dieser Disziplin durchbrochen.
"Entscheidend", betont Noll heute, "war unter anderem die stark verbesserte
Einspritzanlage unserer BMW". Der Lohn: Erstmals wird der Weltmeistertitel nach
Deutschland geholt.
"Wer ausfällt, hat überzogen"
Zu Beginn der Saison sieht es danach allerdings überhaupt nicht aus: Der
Engländer Eric Oliver, vierfacher Weltmeister und amtierender Titelverteidiger,
kann mit seinem Beifahrer Les Nutt die ersten drei Rennen auf seiner
verkleideten Werks-Norton für sich entscheiden. Beim Feldbergrennen, das nicht
zur Weltmeisterschaft zählt, hat Oliver jedoch einen schweren Unfall, in dessen
Folge er beim Deutschen GP auf der Solitude bei Stuttgart nicht an den Start
gehen kann. Damit bekommen Noll und Cron ihre Chance: Sie erringen mit der
Einspritzer-RS den ersten BMW Sieg bei einem WM-Lauf überhaupt. Einen GP-Sieg,
den sie, wie Noll versichert, auch aus eigener Kraft erreicht hätten, denn "zu
dem Zeitpunkt, als Oliver beim Feldbergrennen ausfiel, lagen wir ohnehin schon
fünf Sekunden vorne - außerdem: wer ausfällt, hat überzogen." Beim Schweizer
Grand Prix, dem fünften Lauf der Saison, gehen Noll / Cron wiederum als erste
durchs Ziel. Konkurrent Oliver fährt lediglich zwei Punkte ein, und vor dem
letzten Rennen in Monza liegen beide Fahrer punktgleich mit 26 Zählern an der
Spitze. Doch Oliver kann auch in Monza nicht starten, sein Arm wird wieder in
Gips gelegt. Damit brauchen Noll / Cron nur zu punkten.
Vollverkleidet zum WM - Titel
Weltmeister auf BMW in der 500
ccm-Seitenwagenklasse: Wilhelm Noll (r.) und Fritz Cron
Doch die beiden, die in Monza erstmals mit einem ebenfalls vollverkleideten
Gespann an den Start gehen, wollen sich damit nicht begnügen. Vom Start weg
führen sie das Rennen souverän an und fahren in jeder Runde über vier Sekunden
Vorsprung auf das Norton Gespann Smith / Dibben heraus. Zwar ist die Presse
enttäuscht, dass es nicht zum großen Showdown kommt. Mit ihrer souveränen Fahrt
haben Noll und Cron aber bewiesen, dass sie würdige Weltmeister sind. In
Deutschland werden nach der Fußball-WM erneut Weltmeister gefeiert - diesmal im
Motorradsport: "Unser Titel war bundesweit großes Thema", erinnert sich Noll.
Gegen die neue Vollverkleidung, die hervorragenden Bremsen und die souveräne
Teamtaktik von BMW, in der "an oberster Stelle ein Sieg des Fabrikats, dann erst
einer des Fahrers steht", hätte wohl auch Oliver keine Chance gehabt.
Wilhelm Noll und Fritz Cron auf ihrer BMW
während der Saison 1954
Mit dem ersten WM Titel 1954 beginnt eine im Rennsport einmalige Serie: Bis
1974 werden auf BMW Gespannen 19 Fahrer- und 20 Markenwelt-meisterschaften
errungen. Noll / Cron können ihren Titelgewinn 1956 wiederholen, nachdem sie
sich 1955 mit der Vizeweltmeisterschaft begnügen mussten. An der Weltspitze
steht somit zum zweiten Mal ein Gespann, dessen Fahrer seine Begeisterung für
Seitenwagenrennen mit den Worten "normal ist mir zu gefährlich - ein Seitenwagen
steht immer auf drei Rädern" erklärt. Nach dem letzten WM Lauf beenden beide im
Herbst 1956 ihre Karriere.
Quelle: BMW Presse Mitteilung vom 10.09.04
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