04.03.2007
Gastkommentar zur aktuellen CO2-Diskussion: Nur die Fakten zählen
Deutsche Autoindustrie hat erwiesenermaßen das Ziel von 25 Prozent CO2 Verringerung erreicht
Die CO2-Diskussion kocht über. Medien, Politiker und die Umweltverbände
treiben eine Autoindustrie vor sich her, die in der Technologieentwicklung
eigentlich alles richtig, in der Kommunikation aber in den letzten Jahren vieles
falsch gemacht hat. Auch unterlassene Kommunikation ist falsche Kommunikation.
Jetzt muss sich die Autoindustrie der Wahrnehmung anpassen, anstatt wie es
richtig gewesen wäre die Wahrnehmung zu gestalten. Dass die Ingenieure der
deutschen Autohersteller ihre Hausaufgaben gemacht haben, wird niemand
bezweifeln, der die Fakten kennt und (!) anerkennt. Vom CO2-Weltmeister smart
und BlueTec-Diesel (DaimlerChrysler, VW und Audi) bis zum effizienten
Dynamik-System bei BMW. So viel Sparsamkeit und Fahrfreude hätte man sich vor
wenigen Jahren nicht träumen lassen. Übrigens sind das alles Entwicklungen, die
vor vielen Jahren begonnen wurden. Der Autoindustrie nun zu unterstellen, sie
reagiere hektisch auf die Klimadiskussion, ist perfide und absolut neben der
Wirklichkeit.
Die Autoindustrie hat Milliarden investiert und viele kleine Schritte
gemacht, die in der Summe beeindruckend sind. Nur wurde darüber zu wenig
geredet. Hier hätte sich die Autoindustrie ein Beispiel an der Deutschen
Umwelthilfe nehmen können, die es versteht, ihre unverhohlene
Industriefeindlichkeit mit immer neuen Kritik-Themen jede Woche zu aktualisieren
und im Gespräch zu halten. Vornehme Zurückhaltung, souveräne Bescheidenheit ist
da fehl am Platz. Es genügt nicht, heute mal ein Wasserstoffauto vorzustellen,
das morgen schon wieder vergessen ist, oder mal bei einer Modellvorstellung wie
nebenbei zu kommunizieren, dass man den Verbrauch mal wieder um stattliche
Prozente gesenkt hat. Hier hätten die erreichten Erfolge der letzten zehn Jahre
permanent der Öffentlichkeit erklärt und vermittelt werden müssen. Wenn die
Fakten nicht einmal bis zum von Beratern umgebenen Bundespräsidenten
durchdringen, müssen sie irgendwo auf der Strecke verloren gegangen sein.
Nein, die deutsche Autoindustrie hat weder den Hybrid-Trend verschlafen
noch sinnlos auf PS-Monster gesetzt. Genauso kann man sagen, die Japaner haben
den Dieseltrend verschlafen. Beide haben nur eine jeweils andere strategische
Entscheidung getroffen. Noch immer werden in den wichtigen Automärkten deutlich
mehr Diesel- als Hybridfahrzeuge verkauft. Und auch bei den Benzinern ist nicht
alles Hybrid, was mit niedrigem CO2-Ausstoß glänzt. Warum EU-Umweltkommissar
Dimas sich einen Prius kauft (104 g/km CO2-Ausstoß), erschließt sich eigentlich
nicht. Denn er könnte mit einem vergleichbaren VW Polo BlueMotion (102 g/km
CO2-Ausstoß) die Umwelt noch mehr schonen. Nur weiß er das wahrscheinlich nicht
einmal, weil in der grünen Ecke nur vom Hybrid gesungen wird.
Das sind ein paar Fakten, die niemand außer Acht lassen sollte: 95,5
Prozent weltweiter CO2-Emissionen sind natürlichen Ursprungs (Vulkane,
verfaulende Pflanzen, Ozeane etc.). 4,5 Prozent werden vom Menschen verursacht,
was nicht mit "erzeugt" verwechselt werden darf, denn schon der Marathonlauf
durch den Wald verursacht mehr CO2 als unbedingt nötig. Auch das Steak in der
Pfanne verursacht mehr CO2 als ein Butterbrot. Erzeugt wird CO2 vom Menschen
dann, wenn es über technische Prozesse (Autofahren, Fliegen, Energieverbrauch)
hergestellt wird.
Von den 4,5 Prozent anthropogenem CO2 stammen 25 Prozent aus dem Transport,
75 Prozent aus anderen Quellen. Die 25 Prozent Verkehr werden zu 77 Prozent auf
der Straße erzeugt, zu 11,4 Prozent im Luftverkehr, 11,6 Prozent auf der
Schiene, dem Schiffsverkehr und anderem. Die 77 Prozent Straße lassen sich
wiederum herunter brechen auf 72 Prozent Pkw und 28 Prozent Lkw. Alles weltweit,
wohlgemerkt.
Wenn wir nun die ACEA-Selbstverpflichtung für Deutschland betrachten,
wurden die Verbräuche von 1990 bis 2005 um 22,4 Prozent gesenkt. Zählt man die
den Verbrauch erhöhenden gegenläufigen Vorschriften (Rußfilter, Geräuschdämmung,
Sicherheit) in Höhe von 4,4 Prozent dazu, hat die deutsche Autoindustrie
erwiesenermaßen das Ziel von 25 Prozent mit 26,8 Prozent deutlich übererreicht.
Für Europa gelten folgende unumstrittene Zahlen: 1998 haben sich die
europäischen Automobilhersteller verpflichtet, bis 2008 den durchschnittlichen
CO2-Ausstoß ihrer in Europa verkauften Neufahrzeuge im europäischen Durchschnitt
auf 140 g/km CO2 (-25 %) gegenüber 1995 zu senken. Die jetzt immer angeführten
Werte sind Werte von 2004 und liegen bei durchschnittlich 161 g/km. Das ist
immer noch innerhalb des vereinbarten Zielkorridors. Niemand kann deshalb von
definitiv verfehlten Zielwerten reden. Aber das geht in der hitzigen und
unsachlichen Diskussion unter. Ganz klar steht fest, dass die Europäer damit
besser liegen als die Asiaten. Im Vergleichsjahr 2004 erreichten die Japaner im
Schnitt gerade mal 170 g/km CO2, die Koreaner 168 g/km. Beide Importnationen
haben in Europa mit ihrer Selbstverpflichtung übrigens ein Jahr länger Zeit,
müssen die 140 g/km erst 2009 erreichen. Das war ein Entgegenkommen der EU.
Fazit: Die Autoindustrie sollte sich nicht verunsichern lassen. Und schon
gar nicht von den sogenannten Umweltschützern. Wer sich verunsichern lässt, ist
unsicher. Audi-Chef Robert Stadler hat deutlich Position bezogen und warnt vor
zu niedrigen CO2-Grenzwerten, die die Autoindustrie insgesamt gefährden würden.
Das ist bei der zurzeit polemisch geführten Debatte bislang der mutigste Beitrag
eines Autochefs. Noch ist er ein einsamer Rufer in der Wüste.
Über eines muss sich die Autoindustrie klar sein. Die Autogegner sehen im
Automobil die beste Möglichkeit zur allgemeinen Gesellschaftskritik. Es geht
nicht um Abgase, Klimaschutz oder sonst was. Sie wollen uns den Spaß am
Autofahren, an der individuellen Mobilität grundsätzlich verleiden. An keinem
anderen Objekt menschlicher Begierde lassen sich so einfach Neidkomplexe,
Gesellschafts- und Globalisierungskritik festmachen wie am Automobil. Es steht
in gewissen Kreisen immer noch negativ gepolt für den bösen "Kapitalismus" und
nicht positiv für Lebensfreude und Lebensqualität.
Das muss man nüchtern ins Kalkül ziehen. Die Autokritiker werden keine Ruhe
geben. Auch dann nicht, wenn eine Luxuslimousine mit dem Verbrauch eines smart
zu bewegen wäre. Dann würde die Deutsche Umwelthilfe rufen, die Grenzwerte seien
zu lasch gewesen. Denn alles, was die Autoindustrie erreicht, ist nie gut genug.
Das muss man wissen. Es wäre also völlig falsch, würden die
Premium-Autohersteller künftig nur noch über ihre Kleinwagen reden und die
Luxuswagen quasi mit schlechtem Gewissen unterm Ladentisch kommunizieren.
Hoffentlich bekennen sich die Autohersteller auch in Genf zu sich und allen
ihren Produkten. Sie brauchen sich nicht zu verstecken.
Quelle: von Hans-U. Wiersch / ar / entnommen aus der aktuellen Ausgabe des
Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport
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