Kategorie: Fahrbericht BMW-Modellreihe: F07 19.10.2009
Fahrbericht BMW 5er Gran Turismo – Die angenehme Art zu reisen
Es war zu erwarten, dass BMW nach dem Erfolg des X6 erst richtig mit dem
zwittern beginnt. In Lissabon wurde der neue 5er GT präsentiert. Dieser soll
neue Maßstäbe in der luxuriösen Mittelklasse setzen. Eines wurde auf jeden Fall
schon geschafft. Das GT steht für Gran Turismo und trotz des doch recht
polarisierenden Designs hat dieser BMW das Zeug dazu, ein ganz Großer zu werden.
Kaum am Flughafen in Lissabon angekommen, erhascht mein Blickfeld schnell den
neuen im BMW-Bunde. Ein eifriger Mitarbeiter reißt mir das Gepäck förmlich aus
den Händen und verstaut es in dem großzügigen Schlund des Kofferraums. Die
Silhouette des Bayern wirkt für mich auf den ersten Blick nicht gerade wie ein
Womanizer auf vier Rädern, eher wie der kleine pickelige kleine Bruder des X6...
Der erste Blick: Interessant....
Die Außenhülle des BMW 5er Gran Turismo verbindet BMW typische Proportionen -
eine gestreckte Silhouette, eine Coupé-artige Dachlinie sowie vier Türen mit
rahmenlosen Scheiben - zu einer interessanten Einheit. Mit einer Länge von fünf
Metern und einer Breite von 1,90 Meter ist der Gran Turismo alles andere als
zierlich. Dazu kommt eine stattliche Karosseriehöhe von 1,56 Meter. Mit diesen
recht imposanten Außenmaßen und dem langen Radstand platziert BMW den GT direkt
zwischen 5er und 7er.
"Glauben Sie mir, dieses Auto muss man erstmal auf sich wirken lassen." wird
mir von den Mitarbeitern vor Ort prophezeit. Meine Antwort lässt kaum mehr als
einen skeptischen Augenaufschlag zu, denn schon wird mir die Tür zum Fond
geöffnet. Auch mal eine neue Art ein Auto kennen zu lernen, nämlich mit einem
Chauffeur.
Seine wahre Stärke: Der Innenraum
Und es zeigt sich, da haben die Jungs bei BMW mal ganz kreativ gedacht. Denn
hier heißt es: "Den Wagen von Innen nach Außen" kennen lernen. Ein Schelm, der
dabei Böses denkt. Aber alles Lästern über die polarisierende Außenhülle gerät
in Vergessenheit sobald man sich im Fond ausbreiten darf, und das ist durchaus
wörtlich gemeint.
Das Raumgefühl ist trotz der hinten abfallenden Dachlinie fantastisch, nicht
zuletzt dank der hellen Lederausstattung und des riesigen Panoramadachs. Edle
Materialien dominieren das gesamte Interieur, alles sitzt optimal an seinem
Platz. Die bequemen Sitze lassen sich individuell konfigurieren und zwar auf
allen vier Plätzen.
Und das setzt sich im Fond ohne Punkt und Komma fort. Die Beinfreiheit
gleicht der einer Luxuslimousine. Die optional erhältlichen Monitore glänzen
durch eine hohe Auflösung und gute Farbwiedergabe. Mittels einer Fernbedienung
lassen sich die Monitore separat steuern. So kann Klein Fritz sich den neuesten
Disney-Streifen anschauen während sich die pupertierende Chantal im Internet
vergnügt.
Auch der Fahrkomfort inklusive der angenehmen Stoß-Dämpfung lässt kaum
Wünsche offen. In keiner anderen BMW Limousine mit Ausnahme des BMW 760 in der
Langversion fühlt man sich als Fahrgast wohler.
Der zweite Blick: die Sympathie wächst...
Am Hotel angekommen fühle ich mich fast versucht im versnobten Unterton:
"James, öffnen Sie mir doch bitte die Tür" zu rufen, so erhaben fühle ich mich
nach diesem Ausritt. Ich kann es mir zum Glück gerade noch so verkneifen. Kaum
ausgestiegen gönne ich mir jetzt einen detaillierteren Blick auf das Blechkleid.
Die Frontansicht vermittelt Dynamik, nicht zuletzt durch die Präsenz der
aufrecht stehenden BMW Niere, der großen Lufteinlässe und schräg gestellten
Doppelrundscheinwerfer. Das Tagfahrlicht wird erstmals durch Coronaringe mit
LED-Technik dargestellt. Das Heck gewinnt durch horizontal ausgerichtete Linien
an Breitenwirkung, die auch von den L-förmigen Rückleuchten mit homogen
strahlenden LED-gespeisten Lichtbänken unterstützt wird.
So sehr mich auch der X6 auf den ersten Blick geflasht hat, so wenig vermag
es der 5er GT auf den zweiten zu schaffen. Allerdings wirkt er nach der Hinfahrt
im Fond nicht mehr ganz so pickelig, sondern vollständig auf Fahrer und
Beifahrer abgestimmt.
Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass soviel Kopffreiheit trotz der
abfallenden Dachlinie zustande kommt. Der kurz zuvor getestete X6 zeigte nämlich
genau hier seine Contras. Aber beim 5er GT hat man wirklich von innen nach außen
gedacht. Und so langsam macht sich Sympathie für den Kleinen breit.
Endlich selber Fahren
Nach einem kurzen Check-In im Hotel darf ich nun endlich auch selbst hinter
das Steuer. Die erhöhte Sitzposition ermöglicht einen komfortableren Einstieg
und bringt mehr Übersicht im Straßenverkehr. Auch das Cockpit gibt sich tadellos
verarbeitet. Der Fahrer wird in der Mittelkonsole mit einem großen
Breitbild-LED-Bildschirm verwöhnt. Das I-Drive der neuesten Generation sorgt für
eine fixe Umsetzung der Befehle.
Für mich als I-Phone-Freak der ersten Generation darf natürlich auch die
USB-Integrierung nicht fehlen. Diese funktioniert tadellos. Allerdings muss für
den perfekt integrierten Musik-Geschmack, wie auch bei anderen Herstellern, ein
spezielles Kabel optional dazu geordert werden.
Die Sicht nach hinten ist gleichgestellt mit der des X6, gnadenlos schlecht
und ein Tribut an das Design. Dessen war sich BMW wohl bewusst und lässt
deswegen serienmäßig das Park Distance Control System einbauen. Natürlich nur
für das Heck, denn rundherum „Piep Piep“ kostet extra. Dennoch ist eine
Rückfahrkamera hier eine sinnvolle Zusatzinvestition.
Dank des brillanten Displays ist das Rückfahrbild gestochen scharf und
aktiviert sich fast ohne Zeitverzögerung. Ein deutlicher Fortschritt zum X6, der
derzeit noch mit dem alten System ausgeliefert wird. Doch nun wird erstmal der
Motor gestartet. Es erwartet uns eine mehrere hundert Kilometer lange Ausfahrt
an der Küste, den kurvigen Gebirgsstraßen und durch das wunderschöne Lissabon.
Top-Motor zieht Top-Speck
Für ordentlichen Vortrieb sorgt der allseits geschätzte 35i, der komplett neu
überarbeitet daherkommt. Erstmals werden Turboaufladung,
Benzin-Direkteinspritzung und die vollvariable Ventilsteuerung VALVETRONIC
miteinander kombiniert. Das soll für einen noch effizienteren Verbrauch sorgen.
Von 1.200 bis 5.000 Umdrehungen stehen bei einer Leistung von 225 kW / 306 PS
400 Nm an maximalen Drehmoment zur Verfügung. Damit gelingt dem Reihensechser
der Sprint von 0 auf 100 in nur 6,3 Sekunden und ein maximaler Top Speed von 250
km/h (abgeregelt).
Wer allerdings 2 Tonnen auf den Rippen hat, muss sich nicht wundern wenn
selbst das beste Aggregat irgendwann einmal schlapp macht. Das für einen
Benziner normalerweise sehr angenehme Drehmomentband verpufft geradezu, erst im
hohen Drehzahlbereich scheint sich der Reihensechser wieder wohl zu fühlen.
Doch so sportlich wird wohl der Hauptteil der Käufer eher selten mit dem
Bavaren fahren. Hier geht die Empfehlung eindeutig in Richtung 3.0d. Sattes
Drehmoment aus dem Keller mit einem effizienten Verbrauch, das sind heute die
Zauberworte. Wer nach mehr Power schreit, bekommt mit dem 550i satte 300 kW/407
PS aus einem TwinTurbo V8.
Fahrwerk: Gran Turismo Deluxe
Das Fahrwerk ist ohne Zweifel erhaben, so wie es sich eben für einen BMW
gehört. Dafür sorgt das adaptive Fahrwerk mit Wankstabilisierung (3.000 €). Bei
schneller Kurven-Hatz wird jedoch schnell deutlich, dass es BMW sehr ernst mit
der Charaktergebung eines komfortbetonten Reiseautos meint. Der GT lässt sich
ungern reizen und neigt eher zum sicherheitsbetonten Untersteuern. Das Heck
meldet sich nur bei hart provozierten Lastwechseln zu Wort.
Dennoch meistert die Limousine auch sportliche Kurvenfahrten mit absoluter
Souveränität und lässt die Freude am Fahren nicht vermissen. Das Lenkrad lässt
sich je nach aktiviertem Modus leichtgängig (comfort, normal) oder straff (sport
und sport +) bewegen. Ebenso werden hierdurch Fahrwerk und
Motoransprechverhalten beeinflusst. Das bei den Bayern naturgemäß präzise
Lenkradverhalten ist nach wie vor gegeben, fühlt sich aber etwas sanft gängiger
als gewohnt an - passend zum Reise-Charakter.
Steptronic: hier und da ein wenig schaltfaul
Im Stadtverkehr hat das erstmals außerhalb des 7er erhältliche
8-Gang-Steptronic Automatik-Getriebe mit deutlichen Problemen zu kämpfen. Viel
zu oft reagiert die Automatik selbst im Sportmodus zu träge und nimmt Gasbefehle
oft sehr verzögert wahr.
Gerade in einer Stadt wie Lissabon mit viel Kreisverkehr und kurzen
Beschleunigungspuren wird diese Schwäche sehr schnell deutlich. Auf Landstraßen
oder der Autobahn gibt es nichts zu meckern, hier erfüllt der GT in allen
Belangen tadellos seinen Job und darf sich ohne wenn und aber als exzellentes
Reiseauto betiteln lassen.
Große Klappe, kleine Klappe
Beim Fotoshooting in einem kleinen Fischersdorf fallen mir weitere Details am
GT auf. Sofern irgendwie möglich lässt sich BMW immer etwas einfallen, um den
Kofferraum zweizuteilen. Im Gran Tourismo wurde dies interessant gelöst. Im
Normalfall fasst der Kofferraum akzeptable 440 Liter an Volumen. Zusätzlich
wurde eine Trennwand gegen lästige Luftzüge im Fond installiert. Bei Bedarf
können die Rücksitze umgeklappt werden und der Stauraum wächst auf 1.700 Liter.
Wer nur schnell Kleinigkeiten in den Kofferraum legen möchte, kann dies
mittels einer kleinen Kofferraumklappe tun. Besonders in Garagen mit niedrigen
Decken ist die kleine Luke Gold wert. Wird es dann doch etwas mehr, lässt sich
die gesamte Heckklappe wie bei einem Liftback öffnen.
Fazit: Bestseller Charakter
Nach dem Aussteigen fällt ein weiterer Blick auf die Karosserie. Und
irgendwie ist es nun Wirklichkeit geworden, er gefällt mir so langsam. Ich kann
nicht sagen warum, aber erst in seiner Gesamtheit weiß man dieses Auto wirklich
zu würdigen. Der Gran Tourismo wird definitiv polarisieren. Das ist so klar wie
das Amen in der Kirche. Dennoch ist er eine exzellente Wahl für gut betuchte
Vielfahrer, vierköpfige Familien oder auch als Chauffeursauto.
Die neutrale Auslegung des Fahrwerks und die leichtgängige Lenkung lassen ein
wenig den BMW typischen Sport-Charakter vermissen. Der Innenraum glänzt dafür
mit Luxus auf 7er Niveau. Und genau deshalb hat der neue 5er Gran Turismo
durchaus das Potential zu einem Bestseller.
Note: 2-
Datenblatt BMW 535i Gran Turismo
Hubraum: 2.979 cm³ | 225 kw (306 PS) bei 5.800 U/min | 400 Nm bei 1.200 –
5.000 U/min | Vmax: 250 km/H (abgeriegelt) | Beschleunigung 0- 100 km/h in 6,3 s
| Co2 Emission g/km: 209 g (EU 5) | Durchschnittsverbrauch: 8,9 l/100 km |
Gewicht nach DIN (EU) : 1.940 (2.015) kg | Preis: ab 55.700, 00 EUR inkl. MwSt.
Text: Mario-Roman Lambrecht, Fotos: Mario-Roman Lambrecht
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