Kategorie: Formel1 01.01.1970
BMW Sauber F1 Team - Vergleich V10- und V8-Motor
Wechseljahre
Ende 2004 war der Umstieg von V10- auf V8-Motoren in der Formel 1 beschlossen
worden. 2005 stand für die Motorenspezialisten im Zeichen dieses Wechsels. 2006
ist er vollzogen.
BMW Motorsport Direktor Mario Theissen: "Die Entwicklung eines
V8-Formel-1-Motors war für unsere Ingenieure eine enorme Herausforderung. Zumal
relativ wenig Zeit zur Verfügung stand. Der V8 ist ein vollständig anderes
Konzept als der V10. Der Leistungsverlust verhält sich etwa proportional zu dem
um 20 Prozent geringeren Hubraum. Ich rechne damit, dass die Rundenzeiten
durchschnittlich um ein bis zwei Sekunden steigen werden. Durch die geringere
verfügbare Leistung steigt der Volllastanteil pro Runde erheblich. Oberste
Priorität hat die Zuverlässigkeit. Wir fiebern dem Saisonauftakt am 12. März in
Bahrain entgegen. Erst dort werden wir einen Eindruck bekommen, wer seine
Hausaufgaben am besten gemacht hat."
Unterschiede.
Auch wenn der V8 mit dem jetzt verbindlich vorgeschriebenen Zylinderwinkel
von 90 Grad optisch wie ein abgeschnittener V10 wirkt, ist er technisch ein
eigenständiges Konzept mit spezifischen Anforderungen. Die andere Zündfolge des
V8 erfordert eine grundlegend andere Kurbelwelle. Im BMW V10-Formel-1-Motor
wurde eine um 72 Grad gekröpfte Kurbelwelle verwendet. Für V8-Motoren kommen
sowohl Kurbelwellen mit vier versetzten Kröpfungen von 90 Grad zum Einsatz als
auch solche mit vier versetzten Kröpfungen von 180 Grad. Während sich für
Serienmotoren wegen des besseren dynamischen Verhaltens die 90-Grad-Variante
anbietet, verwendet man in Rennmotoren zugunsten einer besseren
Leistungsausbeute die 180-Grad-Kurbelwelle und nimmt Nachteile im dynamischen
Verhalten in Kauf.
Der neue P86 V8-Motor
Die mechanische Dynamik bzw. Vibrationen sind ein kritisches Thema bei der
neuen F1-Motorengeneration. Die gegenüber dem V10 anderen Zündfolgen und andere
Zündabstände führen zu einem völlig veränderten Schwingungsverhalten. Der V10
fuhr auf seinem Drehzahlband zwischen 12.000 U/min und 14.000 U/min in einem
kritischen Schwingungsbereich. Damit ließ sich leben, denn mit weiter steigender
Drehzahl beruhigte sich die Situation wieder. Im problematischen Bereich hielt
man sich nicht lange auf. Die längste Verweildauer liegt naturgemäß in den
Spitzendrehzahlen. Und eben da wird es beim V8 problematisch: Seine
Vibrationskurve erreicht den kritischen Bereich später als der V10, er beginnt
ab ca. 16.000 U/min. Dann allerdings mit weiter steigender Tendenz. Es reicht
also nicht mehr, ein schwieriges Intermezzo zu überwinden, vielmehr gilt es,
immer weiter steigenden Vibrationen Herr zu werden. Wenn man diese Schwingungen
nicht in den Griff bekommt, hat das Auswirkungen auf die Lebensdauer des Motors
und auch auf die Beanspruchung von Chassis-Komponenten. Um diese Problematik zu
beherrschen, müssen Berechnung und Analyse jedes einzelnen Motorbauteils absolut
zuverlässig sein. Dabei sind die Betrachtung der einzelnen Bauteile nur
Steinchen im Mosaik. Ihr Miteinander und Gegeneinander in der Simulation des
Gesamtsystems zu ermitteln, ist die größte Aufgabe.
Einschränkungen.
Weniger Masse würde auch weniger „Bad Vibrations“ bedeuten. Doch dem nahe
liegenden Griff zu exotischen – und kostspieligen – Ultraleichtmaterialien hat
das Reglement vernünftigerweise einen Riegel vorgeschoben. Man arbeitet mit
konventionellen und im Reglement festgeschriebenen Titan- und
Aluminiumlegierungen. Der neue V8 muss insgesamt schwerer sein als sein
Vorgänger, der immerhin zwei Zylinder mehr hatte. 95 Kilogramm muss das
Triebwerk jetzt auf die Waage bringen – inklusive Ansaugtrakt einschließlich
Luftfilter, Kraftstoffleitungen und Einspritzsystem, Zündspulen, Sensoren und
Kabelbaum, Lichtmaschine, Wasser- und Ölpumpen. Aber ohne Befüllung,
Auspuffkrümmer, Hitzeschilder, Öltanks, Batterien, Wärmetauscher und
Hydraulikpumpe.
Die Schwerpunktlage des Triebwerks ist neuerdings ebenfalls vorgeschrieben:
In der Höhe mindestens 165 Millimeter, gemessen wird von der Unterkante der
Ölwanne. Zugunsten des Fahrverhaltens war es beim Zehnzylinder gelungen, den
Schwerpunkt tiefer anzusiedeln. Auf der Längs- und Querachse des V8 muss der
Schwerpunkt bis auf eine Abweichung von +/– 50 Millimeter in der geometrischen
Mitte des Motors liegen. Für die technischen Kommissare ist diese Überprüfung
nicht mehr mit einfachem Wiegen zu erledigen, jetzt muss die
Reglementkonformität durch Wiegen über zwei Ebenen und Berechnung nach dem
Hebelgesetz ermittelt werden.
Waren die Maße für die Zylinderbohrung früher gut gehütete Geheimnisse, sind
sie jetzt auf maximal 98 Millimeter limitiert. Auch der Zylinderabstand ist mit
106,5 Millimetern (+/– 0,2 mm) fixiert. Die zentrale Achse der Kurbelwelle darf
nicht weniger als 58 Millimeter über der Referenzlinie liegen.
Eine weitere einschneidende Veränderung ist das Verbot der variablen
Ansaugsysteme. Mit diesen so genannten ‚Trumpets‘ konnte beim V10 der
Drehmomentverlauf optimiert werden. Durch die jetzt fixen Kanallängen wird eine
gute Fahrbarkeit der Motoren schwieriger darstellbar. Man muss einen Kompromiss
finden zwischen maximaler Leistung und guter Fahrbarkeit. Wo allerdings der
beste Kompromiss für die Rohrlängen liegt, ist von individuellen Faktoren
abhängig. Beispielsweise spielen die Streckenführung und das Wetter eine Rolle.
Man wird sich für Kurse mit langen Geraden wie Monza, Indianapolis oder auch Spa
zugunsten der Höchstleistung andere Saugrohrlängen wünschen als etwa für
winklige Strecken wie Budapest und Monaco. Dort ist mit schierer Power nichts zu
gewinnen, dort zählt die Fahrbarkeit mehr. Gleiches gilt bei Regen. Die
Ansaugtrichter gehören zwar per Definition zum Motor und sind in dessen
Gesamtgewicht von 95 Kilogramm enthalten, dürfen aber bis zum Qualifying
gewechselt werden.
Neben den variablen Ansaugsystemen sind auch variable Abgassysteme sowie
variable Ventilsteuerungen verboten. Die Spannungsversorgung der Motorelektrik
und -elektronik ist auf maximal 17 Volt festgelegt worden, die Kraftstoffpumpe
muss neuerdings mechanisch betrieben werden. Zur Betätigung des
Drosselklappensystems darf nur ein Aktuator verwendet werden. Mit Ausnahme der
elektrischen Hilfspumpen im Benzintank müssen alle Nebenaggregate mechanisch und
direkt über den Motor angetrieben werden.
Termine.
Ende November 2004: Konzeptionsbeginn für den BMW P86.
Mai 2005: Die erste Spezifikation absolviert ihren Prüfstandslauf.
13. Juli 2005: Eine weitere Spezifikation wird erstmals im Fahreinsatz
getestet. Antonio Pizzonia pilotiert ein für die Aufnahme des Motors
modifiziertes Williams-Chassis in Jerez.
28. November 2005: Eine wiederum weiterentwickelte Version steckt im
Sauber-Interimschassis, mit dem die Wintertestfahrten in Barcelona begonnen
werden.
17. Januar 2006: Die nächste Entwicklungsstufe arbeitet beim Roll-out in
Valencia im Heck des BMW Sauber F1.06.
17. Februar 2006: Die erste Rennspezifikation des P86 ist freigegeben.
Vergleich.
BMW P84/5 V10 (2005)
Zylinder: 10
Bankwinkel: 90 Grad
Hubraum: 2998 ccm
Gewicht: 92 kg
Höhe: 320 mm
Breite: 535 mm
Länge: 578,5
Leistung: 925 PS
Drehzahl: 19.000 U/min
Kraftsstoffverbrauch: 80 l /100 km
Teileanzahl insgesamt: 5200 |
BMW P86 V8 (2006)
Zylinder: 8
Bankwinkel: 90 Grad
Hubraum: 2398 ccm
Gewicht: 95 kg
Höhe: 325 mm
Breite: 555 mm
Länge: 518 mm
Leistung: über 720 PS
Drehzahl: 19.000 U/min
Kraftsstoffverbrauch: 65 l / 100 km
Teileanzahl insgesamt: 5000 |
Runde Zahlen.
- 3 Mann arbeiten 3 Tage am Zusammenbau eines Motors
- 200 Motoren werden für Versuche, Tests und Grands Prix gebraucht
- 8 Millionen Zündungen pro Rennen
- 1.500 CAD-Zeichnungen bis zum ersten GP-Einsatz
- 10.000 g maximale Kolbenbeschleunigung
- 40 Meter pro Sekunde maximale Kolbengeschwindigkeit
- 26 Meter pro Sekunde mittlere Kolbengeschwindigkeit
- In 0,3 Tausendstelsekunden beschleunigt ein Kolben von 0 auf 100 km/h
- 3 Tonnen wirken dabei auf das Pleuel
- 950 Grad Höchsttemperatur am Auspuff
- 250 Grad maximale Lufttemperatur im Pneumatiksystem
Quelle: BMW Presse-Information vom 01.03.2006
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